Defizite beim Kampf geben Steuerbetrug


Wie Umsatzsteuerkarusselle funktionieren: Danach importiert ein "Missing trader" netto aus einem anderen EU-Staat und verkauft brutto im Inland
Bekämpfung von Umsatzsteuerhinterziehung - Ein Betrugskarussell baue auf "Missing trader" als Grundbaustein auf




Die aktuelle Lage bei der Bekämpfung sogenannter Umsatzsteuerkarusselle ist nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden unbefriedigend. Innerhalb Deutschlands dauere es im Regelfall vier bis 16 Wochen, um von den Banken Informationen zu Empfangskonten von Geldtransaktionen zu erhalten, erklärte Oberstaatsanwalt Macus Paintinger von der Staatsanwaltschaft München I in einem öffentlichen Fachgespräch des Finanzausschusses unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP). Erst dann könne die Staatsanwaltschaft an die Bank des Empfängerkontos herantreten, um dort die erforderlichen Informationen beziehungsweise die Tatbeute sicherstellen zu lassen, sofern sie sich nach dieser langen Zeit noch auf dem Konto befinde und nicht bereits weiter transferiert worden sei. In der Europäischen Union erhalte man Kontoauskünfte in der Regel innerhalb von 16 Wochen, von Drittstaaten frühestens nach einem Jahr, teilweise aber überhaupt nicht. Um die viel zu langen Reaktionszeiten der deutschen Banken auf Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaften zu verringern, sollte eine generelle Frist von zwei Wochen ins Gesetz aufgenommen werden, empfahl der Staatsanwalt. Paintinger sprach sich auch dafür aus, die Befreiung von Existenzgründern von der monatlichen Umsatzsteuer-Erklärungspflicht einzuschränken.

Wie Umsatzsteuerkarusselle funktionieren, erläuterte Jörg von Weiler (Filigran Trägersysteme) in seiner Stellungnahme. Danach importiert ein "Missing trader" netto aus einem anderen EU-Staat und verkauft brutto im Inland. Damit hinterziehe er je nach Steuersatz 17 bis 25 Prozent Mehrwertsteuer und fülle auf Verbraucherkosten seine "illegale Kriegskasse". Nach rund drei Monaten schließe er vor der ersten Kontrolle (Missing) das Geschäft, um woanders wieder aufzutauchen. Was gehandelt werde, sei irrelevant; es gehe nur um die Steuerhinterziehung. Ein Betrugskarussell baue auf "Missing trader" als Grundbaustein auf. Über eine Kette werde dieselbe Ware mehrfach über EU-Grenzen gespielt und Mehrwertsteuer hinterzogen. Welche Waren für Umsatzsteuerkarusselle genutzt werden, schilderte Steuerfahnder Guido Gillißen (Bonn): Dauerbrenner seien der Auto- und und Elektronikhandel, aber auch Schnaps, Wein und Sekt würden benutzt. Gillißen wies darauf hin, dass die Karusselle nicht nur zu Ausfällen bei der Umsatzsteuer, sondern auch bei Ertragssteuern führen würden.

Die Bundessteuerberaterkammer erklärte in dem Fachgespräch, durch die Karussellgeschäfte bestehe die Gefahr, dass steuerehrliche Unternehmer über Niedrigpreise vom Markt verdrängt werden könnten. Gleichzeitig sei aber festzustellen, dass gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Umsatzsteuerhinterziehung auch die ehrlichen Unternehmen stark belasten würden. Durch überzogenen Formalismus würden systematisch nicht zu rechtfertigende Steuerbelastungen entstehen.

Nach Ansicht von Professor Roland Ismer (Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg) gibt es Möglichkeiten, den Umfang des Steuerbetrugs mit Karussellen zu reduzieren: So wäre es möglich, die Empfänger der Waren zu Steuerschuldnern zu machen. Wie auch vom Max-Planck-Institut in dem Fachgespräch erläutert wurde, müsste der Empfänger der Waren die Umsatzsteuer dann nicht mehr an den Lieferanten, sondern an den Fiskus zahlen.

Zu den weiteren Möglichkeiten zählte Ismer Echtzeit-Verpflichtungen zur Meldung von Umsätzen, was im Zeitalter der Digitalisierung möglich sei. Auch der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Klaus Eigenthaler, setzte auf schnellere Kontrollen. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 19.02.20
Newsletterlauf: 03.04.20


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Risikostrukturausgleich der Krankenkassen

    Verschiedene gesetzliche Initiativen der vergangenen Jahre zielen nach Angaben der Bundesregierung darauf ab, unzulässige Einflussnahmen auf die Datengrundlagen des Risikostrukturausgleichs (RSA) der Krankenkassen zu verhindern und die Manipulationsresistenz des RSA zu stärken. Zuletzt sei mit dem "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" (GKV-FKG) 2020 die sogenannte Manipulationsbremse eingeführt worden, heißt es in der Antwort (20/14678) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/14442) der Unionsfraktion.

  • Souveräne Dateninfrastruktur

    Die Bundesregierung strebt eine effiziente, wirtschafts- und innovationsfreundliche Umsetzungsstruktur der europäischen KI-Verordnung an, die knappe Ressourcen klug einsetzt. Das antwortet die Bundesregierung (20/14421) der AfD-Fraktion auf eine Kleine Anfrage (20/14109).

  • FDP legt Gesetzentwurf für flexibleres Stromsystem

    Die FDP-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes (20/14705) zur "Integration von Photovoltaik- und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Strommarkt und zur Vermeidung solarstrombedingter Netznotfall-Maßnahmen" vorgelegt. Er soll einerseits der Umsetzung der "Wachstumsinitiative der damaligen Bundesregierung vom Juli 2024 dienen.

  • Fairer Wettbewerb im digitalen Sektor

    Bis zum 5. Dezember 2024 haben die Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur (BNetzA) 747 Eingänge von Beschwerden erreicht. Bereinigt um Irrläufer und Spam seien 703 konkrete Beschwerden zu möglichen Verstößen gegen den Digital Services Act (DSA) eingelegt worden.

  • Provisionsverbot noch nicht absehbar

    Ob beziehungsweise inwieweit im Zuge der nationalen Umsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie national Maßnahmen ergriffen werden könnten, um Provisionen für den Abschluss von Versicherungsverträgen zu verbieten oder zu deckeln, ist noch nicht absehbar. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14411) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (20/14172) weiter mitteilt, haben die Trilogverhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht begonnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen