Unterrichtsmaterialien als Werbeplattform


Unterrichtsmaterialen: Das in vielen Bundesländern bereits im Schulgesetz verankerte "Werbeverbot an Schulen" muss konsequent umgesetzt werden
Analyse von 450 Bildungsmedien legt Mängel offen - Wirtschaftsnahe Materialien schneiden in der Qualitätsanalyse signifikant schlechter ab als jene aus öffentlicher Hand oder von NGOs

(13.02.14) - Viele der untersuchten Unterrichtsmaterialen waren mangelhaft. Die Materialien der öffentlichen Hand wurden nur in unter zwei Prozent der Fälle mit "mangelhaft" bewertet. Bei der Wirtschaft war fast ein Fünftel der Materialien "mangelhaft". Lehrmaterialien gibt es viele: Oft sind sie kostenlos, doch leider nicht immer frei von Werbung. Das belegt eine aktuelle Analyse des "Materialkompass Verbraucherbildung", einem Projekt des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Dabei zeigt sich erneut, dass wirtschaftsnahe Publikationen bei der Qualität signifikant schlechter abschneiden als Materialien, die aus öffentlicher Hand oder von nicht kommerziellen Interessensverbänden stammen. So erhielt nur rund ein Drittel der wirtschaftsnahen Medien die Noten "sehr gut" oder "gut".

Wie weit ist der Lobbyismus bereits in deutsche Klassenzimmer vorgedrungen? Um dieser Frage nachzugehen, hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein interdisziplinäres Team von unabhängigen Bildungsexperten beauftragt, Unterrichtsmaterialien auf den pädagogischen Prüfstand zu stellen. Seit dem Jahr 2010 hat das Projekt "Materialkompass Verbraucherbildung" 450 Bildungsmedien verschiedener Anbieter und Interessenvertreter zu den Themen Finanz- und Medienkompetenz, Nachhaltiger Konsum und Ernährung untersucht. Als Grundlage der Bewertung diente ein wissenschaftlich erstelltes und evaluiertes Bewertungsraster.

18 Prozent wirtschaftsnaher Medien mangelhaft
Die Analyse der untersuchten Lehrmittel ergab, dass über 60 Prozent aller Materialien die Anforderungen an gutes Unterrichtsmaterial erfüllten. Allerdings unterschied sich die Qualität der Lehrmittel erheblich bei den verschiedenen Herausgebern. So wurden rund drei Viertel aller Materialien, die von der öffentlichen Hand und von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) herausgegeben wurden, als "gut" bis "sehr gut" bewertet. Nur rund ein Drittel der wirtschaftsnahen Medien erzielte dieses Ergebnis. Die Note "mangelhaft" wurde in dieser Kategorie in 18 Prozent der Fälle vergeben, während es bei Herausgebern der öffentlichen Hand nur unter zwei Prozent waren.

Mit Blick auf die Verteilung innerhalb der Note "mangelhaft" wird das eklatante Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Herausgeberkategorien noch deutlicher: Diese stammen zu 74 Prozent aus der Wirtschaft, während jeweils nur acht beziehungsweise sieben Prozent der Lehrmittel mit unzureichender Qualität aus der öffentlichen Hand oder von NGOs stammen. "Das schlechtere Abschneiden wirtschaftsnaher Materialien legt den Schluss nahe, dass sich werbliche und wirtschaftliche Interessen negativ auf die Qualität der Bildungsmedien niederschlagen", sagt Tatjana Bielke, Leiterin des Projekts Materialkompass Verbraucherbildung.

Kommerzielle Meinungsmache statt sachliche Information
Dass wirtschaftsnahe Materialien in der Qualitätsanalyse signifikant schlechter abschneiden als jene aus öffentlicher Hand oder von NGOs, sehen die Bildungsexperten primär in drei Ursachen begründet:

>> Einige der untersuchten Lehrmittel enthalten offene Produkt- und Markenwerbung.
>> Im Eigeninteresse des Unternehmens werden Sachinformationen oft einseitig, verkürzt oder in einem falschen Kontext dargestellt.
>> Die Qualität der Unterrichtsmaterialien leidet an einer unzureichenden bis schlechten didaktischen Aufbereitung.

Verbraucherbildung an Schulen stärken
Verbraucherbildung ist ein essenzielles Thema für die Schule. Hier können und sollen Jugendliche auf ihre Rolle als Verbraucher vorbereitet werden, damit sie sich reflektiert und sicher in der Konsumwelt bewegen können. Die Lehrkräfte stehen jedoch vor dem Problem, dass es für Verbraucherbildung bislang keine offiziellen Schulbücher gibt und sie deshalb auf freie Materialien angewiesen sind.

Der vzbv fordert daher, verbraucherrelevante Themen bundesweit in den Lehrplänen zu verankern – in einem Pflichtfach Verbraucherbildung. Zudem muss die Lehrerfortbildung in diesem Bereich gestärkt werden. Auch das in vielen Bundesländern bereits im Schulgesetz verankerte "Werbeverbot an Schulen" muss konsequent umgesetzt werden, um dem Lobbyismus an Schulen Einhalt zu gebieten. (Verbraucherzentrale Bundesverband: ra)

Verbraucherzentrale Bundesverband: Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Studien

  • Gefährliche Lücken in der Finanzbildung

    Die Finanzwelt ist für viele Deutsche wie ein Minenfeld, das man besser meidet. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage des Bankenverbands zeigt, dass sich ein Großteil der Befragten nicht ausreichend mit ihren Finanzen beschäftigt und wichtige Begriffe nicht versteht.

  • Motivation und Bindung der Beschäftigten

    Startups in Deutschland beteiligen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt am Unternehmen. Aktuell geben 44 Prozent an, Beschäftigte am Startup zu beteiligen, vor einem Jahr waren es noch 38 Prozent. Weitere 42 Prozent können sich eine Mitarbeiterbeteiligung in der Zukunft vorstellen. Nur 6 Prozent der Startups setzen nicht auf Mitarbeiterbeteiligung und schließen das auch für die Zukunft aus.

  • Angriffe auf deutsche Wirtschaft nehmen zu

    Deutsche Unternehmen rücken verstärkt in den Fokus von Angreifern aus dem In- und Ausland. In den vergangenen zwölf Monaten waren 81 Prozent aller Unternehmen vom Diebstahl von Daten und IT-Geräten sowie von digitaler und analoger Industriespionage oder Sabotage betroffen.

  • Lobby- und Transparenzregeln

    Anlässlich der Veröffentlichung des Lobbyrankings 2024 wirft Transparency International Deutschland e.V. einen vergleichenden Blick auf die Regeln für eine integre und transparente Politik in den Bundesländern und im Bund.

  • KI-Skepsis vorherrschend

    Nur 3 Prozent der Unternehmen im DACH-Raum beschreiben sich als fortgeschritten bei der Einführung generativer KI (GenAI). Das zeigt eine aktuelle Lünendonk-Studie. Trotz hohem Potenzial und zahlreichen Anwendungsfeldern ist die Skepsis gegenüber der neuen Technologie bei Anwendern wie Entscheidern hoch. Unsicherheit und die Angst vor Schatten-KI hemmen die Einführung. Gleichzeitig erhofft sich jedes zweite Unternehmen durch GenAI Hilfe bei der digitalen Transformation.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen