Rechte des geistigen Eigentums schützen
Europäische Kommission präsentiert strategisches Konzept für Rechte des geistigen Eigentums, um Kreativität und Innovation zu fördern
Obwohl das umfangreiche Gebiet der Urheberrechte weitgehend harmonisiert ist, werden die Lizenzen immer noch auf nationaler Ebene erteilt
(07.06.11) - Rechte des geistigen Eigentums, die zum Teil seit Hunderten von Jahren bestehen, umfassen Patente, Marken, Gebrauchsmuster und geografische Angaben sowie Urheberrechte für Autoren und ausführende Künstler, Produzenten und Rundfunkveranstalter. Sie prägen oft unser tägliches Leben, ohne dass wir uns dessen bewusst sind: Sie schützen die Technologie, die wir verwenden (Fahrzeuge, Mobiltelefone, Züge), unsere Nahrung sowie unsere Musik und unsere Filme. In den letzten Jahren hat jedoch der technologische Wandel uns insbesondere die wachsende Bedeutung der Internet-Tätigkeiten das Umfeld der Rechte des geistigen Eigentums einschneidend verändert.
Die nebeneinander bestehenden europäischen und nationalen Vorschriften sind nicht mehr angemessen und müssen modernisiert werden. Aus diesem Grund hat die Kommission eine umfassende Strategie zur Neufassung des Rechtsrahmens für Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt. Ziel dabei ist es, Erfinder, Schöpfer, Nutzer und Verbraucher in die Lage zu versetzen, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen; gleichzeitig sollen neue Möglichkeiten für die Wirtschaft geschaffen werden. Die neuen Vorschriften sollen ein Gleichgewicht herstellen zwischen der Förderung von kreativen Tätigkeiten und Innovation, unter anderem durch Gewährleistung angemessener Vergütungen und Investitionen für Schöpfer, und der Förderung eines möglichst breiten Zugangs zu Produkten und Dienstleistungen, die von Rechten des geistigen Eigentums geschützt sind.
Dieses Gleichgewicht wird für alle Wirtschaftsakteure von großer Bedeutung sein (vom Künstler in seinem Atelier bis hin zu großen pharmazeutischen Unternehmen), denn es fördert Innovationsinvestitionen. Dies wird sich auch positiv auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der EU auswirken und im Binnenmarkt zum Tragen kommen. Die Verbraucher werden von einem breiteren und einfacheren Zugang zu Informationen und kulturellen Inhalten profitieren, z. B. bei Online-Musikangeboten. Die Strategie erstreckt sich auf eine Vielzahl von Aspekten und soll sicherstellen, dass Rechte des geistigen Eigentums umfassend abgedeckt werden – vom Patent, das ein Unternehmen für den Schutz einer Erfindung benötigt, bis zur Verfolgung des Missbrauchs solcher Erfindungen auf der Grundlage eines Vorschlags, der ebenfalls verabschiedet wurde und der stärkere Maßnahmen gegen Produktfälschungen und Produktpiraterie vorsieht.
Zu den ersten Zielen dieser Gesamtstrategie für Rechte des geistigen Eigentums gehören der vorgelegte Vorschlag zu einem vereinfachten Lizenzierungssystem für so genannte "verwaiste Werke", der den Online-Zugang zu vielen kulturellen Werken ermöglichen wird, und der Vorschlag für eine neue Verordnung zur Verstärkung von Maßnahmen der Zollbehörden bei der Bekämpfung des Handels mit Waren, die Rechte geistigen Eigentums verletzen.
"Die Gewährleistung eines angemessenen Schutzes für Rechte des geistigen Eigentums im Binnenmarkt ist von zentraler Bedeutung für die europäische Wirtschaft. Fortschritt ist ohne neue Ideen und neue Kenntnisse nicht möglich,“ so Binnenmarktkommissar Michel Barnier. "Ohne Schutz der Rechte gibt es keine Investitionen in Innovation. Andererseits benötigen Verbraucher und Nutzer Zugang zu kulturellen Inhalten, zum Beispiel Online-Musikangeboten, damit neue Geschäftsmodelle verwirklicht werden und kulturelle Vielfalt gedeihen können. Was wir heute erreichen wollen, ist Ausgewogenheit zwischen diesen beiden Zielen. Der europäische Regelungsrahmen für geistiges Eigentum soll eine Ausgangsbasis für die Tätigkeiten von Unternehmen und Bürgern bilden, und er soll angemessen für Internet-Bedingungen und den globalen Ideenwettbewerb sein.“
Algirdas Šemeta, der für Zollfragen zuständige Kommissar, äußerte sich wie folgt: "Die Zollbehörden sind an den Grenzen in einer idealen Position, um Bürger und rechtskonforme Unternehmen zu schützen, ihr Beitrag ist für die Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie von unschätzbarem Wert". Er fügte hinzu: "Nach meiner Überzeugung ist ein robustes System zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums für die gesamte EU-Wirtschaft unverzichtbar. Dank des heute vorgelegten Vorschlags werden die Zollbehörden in der Lage sein, Rechte des geistigen Eigentums besser zu schützen und effizienter gegen den Handel mit Waren, die diese Rechte verletzten, vorzugehen."
Die Strategie zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums enthält eine Reihe kurz- und langfristiger Maßnahmen in verschiedenen Bereichen:
>> Patente: Die Kommission hat bereits im April Vorschläge zu einem einheitlichen Patentschutz im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit vorgelegt. Inzwischen werden die Arbeiten zu Vorschlägen über die Einrichtung eines einheitlichen und speziellen Patentgerichtssystems für die klassischen europäischen Patente und die künftigen europäischen Patente mit einheitlicher Wirkung vorangetrieben. Auf diese Weise könnten die Kosten der Rechtsstreitigkeiten und ihre Dauer erheblich verringert werden. Ein solches System würde auch mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen.
>> Marken: zwar ist die Markeneintragung in den EU-Mitgliedstaaten ist seit nahezu 20 Jahren harmonisiert und die Gemeinschaftsmarke besteht seit 15 Jahren, doch die Forderungen nach zügigeren, besseren und strafferen Eintragungssystemen werden immer häufiger. Die Kommission plant für 2011 die Vorlage entsprechender Vorschläge, um das Markensystem sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene zu überarbeiten und es an das Zeitalter des Internets anzupassen.
>> Geografische Angaben: Geografische Angaben stellen eine Verknüpfung zwischen der Qualität eines Produkts und seiner geografischen Herkunft her. Derzeit gibt es jedoch auf EU-Ebene kein entsprechendes System für den Schutz nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse, z. B. für Carrara-Marmor oder Solingen-Messer. Dadurch entstehen im Binnenmarkt ungleiche Rahmenbedingungen. Die Kommission wird deshalb 2011 und 2012 eine umfassende Analyse des derzeitigen Rechtsrahmens in den Mitgliedstaaten sowie der potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen eines Schutzes für nichtlandwirtschaftliche geografische Angaben durchführen. Abhängig vom Ergebnis einer Folgenabschätzung könnten dann gegebenenfalls Legislativvorschläge ausgearbeitet werden.
>> Mehrgebietslizenzen für Urheberrechte: Obwohl das umfangreiche Gebiet der Urheberrechte weitgehend harmonisiert ist, werden die Lizenzen immer noch auf nationaler Ebene erteilt. Mit Blick auf den digitalen Binnenmarkt ist eine Angleichung und Straffung im Bereich der Lizenzierung von Urheberrechten und der Verteilung von Einnahmen eine der wichtigsten Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Die Kommission wird in der zweiten Jahreshälfte 2011 einen Vorschlag zur Schaffung eines Rechtsrahmens für die effiziente länderübergreifende gemeinsame Verwaltung von Urheberrechten, insbesondere im Musiksektor, vorlegen. Sie wird ferner gemeinsame Vorschriften für eine transparente Regelung und Einnahmenverteilung ausarbeiten. In der zweiten Jahreshälfte 2011 wird die Kommission außerdem eine Konsultation zu den verschiedenen Aspekten des Internet-Vertriebs audiovisueller Werke starten.
>> Digitale Bibliotheken: Die Einrichtung europäischer Bibliotheken zur Erhaltung und Verbreitung des reichen kulturellen und geistigen europäischen Erbes sind unverzichtbar für die Entwicklung der wissensbestimmten Wirtschaft. Um dies zu erleichtern, präsentiert die Kommission einen Legislativvorschlag, der es erleichtern wird, so genannte "verwaiste Werke“ (z. B. Bücher und Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel, die noch urheberrechtlich geschützt sind, deren Rechteinhaber aber unbekannt sind oder sich nicht auffinden lassen, um urheberrechtliche Genehmigungen einzuholen) zu digitalisieren und über das Internet verfügbar zu machen - vgl. MEMO/11/333. Derzeit strebt die Kommission den Abschluss einer Vereinbarung zwischen Bibliotheken, Herausgebern, Autoren und Verwertungsgesellschaften an, die Lizenzierungslösungen im Hinblick auf die Digitalisierung vergriffener Werke und die Ermöglichung des Zugangs zu ihnen erleichtern soll.
>> Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums: Marken- und Produktpiraterie stellen seine wachsende Bedrohung für die Wirtschaft dar. Zwischen 2005 und 2009 stieg die Zahl der an den EU-Grenzen registrierten Fälle von Waren, die mutmaßlich gegen Rechte des geistigen Eigentums verstoßen, von 26 704 auf 43 572. Nach Schätzungen der Kreativwirtschaft ist der europäischen Musik-, Film-, TV- und Softwarewirtschaft durch Piraterie allein im Jahr 2008 ein Schaden von 10 Mrd. EUR entstanden und es wurden über 185 000 Arbeitsplätze vernichtet. Die Kommission ist entschlossen, ihre Bemühungen in diesem Bereich zu intensivieren. Erstes hat die Kommission heute eine Verordnung vorgelegt, um den Handlungsrahmen der von ihr 2009 eingerichteten Europäischen Beobachtungsstelle für Marken- und Produktpiraterie zustärken; zu diesem Zweck werden die Aufgaben der Beobachtungsstelle dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) übertragen.
Dadurch kann die Beobachtungsstelle auf die Fachkompetenzen des HABM im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums und die Ergebnisse seiner Tätigkeiten im Bereich Marken und Gebrauchsmuster zurückgreifen. Die Verordnung wird nun an das Europäische Parlament und an den Rat weitergeleitet. Zweitens wird die Kommission im Frühjahr 2012 eine Überarbeitung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorschlagen. In der Richtlinie sind zivilrechtliche Maßnahmen vorgesehen, die es Rechteinhabern ermöglichen, ihre Rechte des geistigen Eigentums durchzusetzen; allerdings sollte die Richtlinie insbesondere an die Anforderungen des digitalen Umfelds angepasst werden.
Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums durch die Zollbehörden: Die Zollbehörden überwachen den gesamten Handel, der die Aussengrenzen der EU überschreitet: sie führen Kontrollen zu verschiedenen Zwecken durch und spielen eine entscheiden Rolle bei der Bekämpfung des Handels mit Waren, die gegen Rechte des geistigen Eigentums verstoßen. Allein 2009 beschlagnahmten die Zollstellen über 40 000 verdächtige Sendungen mit 118 Millionen Artikeln. Bei den meisten beschlagnahmten Waren handelt es sich um Nachahmungen oder Fälschungen, doch sind die Zollbehörden aufgrund ihrer besondere Position an den Grenzen in der Lage, ein breiteres Spektrum an Rechten des geistigen Eigentums durchzusetzen. Im Rahmen ihrer Gesamtstrategie für Rechte des geistigen Eigentums schlägt die Kommission auch eine neue Zollverordnung vor, um den Rechtsrahmen für die Tätigkeit der Zollbehörden weiter zu stärken. Ziel des Vorschlags ist es auch, den Handel mit kleinen Sendungen gefälschter Produkte auf dem Postweg einzudämmen, da die überwältigende Mehrheit dieser Waren aus dem Internethandel stammt.
Hintergrund
Rechte an geistigem Eigentum sind ein wichtiger Pfeiler der EU-Wirtschaft und ein Hauptmotor ihres weiteren Wachstums. Im Jahr 2009 erreichte der Wert der 10 wertvollsten Marken in EU-Ländern im Durchschnitt nahezu 9 Prozent des BIP. Kreative Branchen, deren Tätigkeit auf der Nutzung von Urheberrechten beruht (z.B. Software-, Buch- und Zeitungsbranche sowie Musik- und Filmwirtschaft) trugen 2006 3,3 Prozent zum BIP der EU bei, sie umfassen ferner ca. 1,4 Mio. KMU mit 8,5 Millionen Arbeitsplätzen. Die Beschäftigung in der "wissensbasierten Wirtschaft" stieg zwischen 1996 und 2006 um 24 Prozent – im Vergleich zu 6 Prozent in anderen Wirtschaftszweigen.
Weitere Informationen zu Rechten des geistigen Eigentums:
http://ec.europa.eu/internal_market/top_layer/index_52_de.htm
Weitere Einzelheiten zur Zollpolitik:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/customs/customs_controls/counterfeit_piracy/index_de.htm
Weitere Informationen zur neuen Zollverordnung über Rechte des geistigen Eigentums:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/index_de.htm
(Europäische Kommission: ra)
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