Suchergebnisse: Übermäßig bevorzugt
Kartellrecht: Weitere Schritte der EuropäischeKommission in Untersuchungen zum Preisvergleichsdienst und zu den Werbepraktiken von Google wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen EU-Vorschriften
Google hat viele innovative Produkte entwickelt, die unser Leben verändert haben: Das gibt Google aber nicht das Recht, anderen Unternehmen Wettbewerbs- und Innovationsmöglichkeiten zu nehmen
Die Europäische Kommission hat Google zwei Mitteilungen der Beschwerdepunkte übermittelt. In einer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte bekräftigt sie ihre vorläufige Schlussfolgerung, dass Google ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem es den eigenen Preisvergleichsdienst auf ihren Suchergebnisseiten systematisch bevorzugt. In einer getrennten Mitteilung der Beschwerdepunkte teilt die Kommission Google ihre vorläufige Auffassung mit, dass das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung auch dadurch missbraucht, dass es die Möglichkeiten Dritter, auf ihren Websites Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern Googles anzuzeigen, künstlich beschränkt.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: "Google hat viele innovative Produkte entwickelt, die unser Leben verändert haben. Das gibt Google aber nicht das Recht, anderen Unternehmen Wettbewerbs- und Innovationsmöglichkeiten zu nehmen. Wir haben unsere Auffassung bekräftigt, dass Google den eigenen Preisvergleichsdienst auf ihren allgemeinen Suchergebnisseiten übermäßig bevorzugt. Die Verbraucher bekommen deshalb bei ihrer Suche nicht unbedingt die für sie relevantesten Ergebnisse zu sehen. Wir haben auch Bedenken geäußert, dass Google den Wettbewerb behindert, indem es die Möglichkeiten für Wettbewerber begrenzt, Suchmaschinenwerbung auf Websites Dritter zu platzieren. Dies schränkt die Auswahl für die Verbraucher ein und verhindert Innovation.
Google hat nun Gelegenheit, zu unseren Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ich werde die Argumente des Unternehmens sorgfältig prüfen, bevor ich entscheide, wie wir in beiden Fällen weiter verfahren. Sollten unsere Untersuchungen jedoch ergeben, dass Google gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen hat, ist die Kommission verpflichtet zu handeln, um die europäischen Verbraucher und den fairen Wettbewerb auf den europäischen Märkten zu schützen."
Die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte zum Preisvergleichsdienst schließt an eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die im April 2015 in derselben Sache übermittelt wurde. Beide Mitteilungen der Beschwerdepunkte sind an Google und ihre Muttergesellschaft Alphabet gerichtet. Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.
Preisvergleichsdienst
Nach der Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte im April 2015 und dem Eingang der Stellungnahme von Google im August 2015* hat die Kommission weitere Ermittlungen vorgenommen. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte werden vielfältige zusätzliche Beweismittel und Daten dargelegt, die die vorläufige Schlussfolgerung der Kommission untermauern, dass Google ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem es den eigenen Preisvergleichsdienst auf ihren allgemeinen Suchergebnisseiten systematisch bevorzugt.
Die zusätzlichen Beweismittel beziehen sich unter anderem auf die Art und Weise, wie Google ihren eigenen Preisvergleichsdienst gegenüber entsprechenden Diensten von Wettbewerbern bevorzugt, die Auswirkungen der Platzierung einer Website auf den Suchergebnisseiten von Google auf die Zahl der Aufrufe und die Entwicklung der Aufrufe des Preisvergleichsdienstes von Google im Vergleich zu den Diensten ihrer Wettbewerber. Die Kommission hat die Befürchtung, dass die Nutzer bei ihrer Suche nicht notwendigerweise die für sie relevantesten Ergebnisse zu sehen bekommen. Dies schadet den Verbrauchern und verhindert Innovation.
Darüber hinaus hat die Kommission eingehend das Argument Googles geprüft, Preisvergleichsdienste sollten nicht isoliert betrachtet werden, sondern zusammen mit den Diensten von Händlerplattformen wie Amazon und eBay. Die Kommission ist jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Preisvergleichsdienste und Händlerplattformen zu unterschiedlichen Märkten gehören. Unabhängig davon wird in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellt, dass Preisvergleichsdienste selbst bei Einbeziehung der Händlerplattformen in den von den Praktiken Googles betroffenen Markt einen wesentlichen Teil dieses Marktes ausmachen und dass Google durch ihr Verhalten den Wettbewerb vonseiten ihrer wettbewerblich nächsten Konkurrenten geschwächt oder sogar fast beseitigt hat.
Mit der Übermittlung der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte bekräftigt die Kommission ihre vorläufige Schlussfolgerung und schützt gleichzeitig die Verteidigungsrechte von Google, indem sie dem Unternehmen Gelegenheit gibt, sich förmlich zu den zusätzlichen Beweismitteln zu äußern. Google und Alphabet haben nun acht Wochen Zeit, um zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte Stellung zu nehmen.
AdSense
Die Kommission hat Google ferner eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zu den Beschränkungen übermittelt, die das Unternehmen bestimmten Dritten in Bezug auf deren Möglichkeiten auferlegt, auf ihren Websites Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern Googles anzuzeigen.
Nach der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten vorläufigen Auffassung der Kommission haben diese Praktiken es Google ermöglicht, ihre beherrschende Stellung in der Suchmaschinenwerbung zu behaupten. Das Unternehmen hat vorhandene und potenzielle Wettbewerber, darunter andere Suchdienste und Online-Werbeplattformen, daran gehindert, in diesem kommerziell bedeutsamen Bereich Fuß zu fassen und zu wachsen.
Google platziert Suchmaschinenwerbung direkt auf der Website Google-Suche, aber auch als Vermittler über die Plattform "AdSense for Search" auf Websites Dritter (Vermittlung von Suchmaschinenwerbung). Dazu gehören unter anderem die Websites von Online-Einzelhändlern, Telekommunikationsbetreibern und Zeitungen. Die Websites bieten ein Suchfeld, in dem die Nutzer nach Informationen suchen können. Jedes Mal, wenn ein Nutzer eine Suchanfrage eingibt, erscheint neben den Suchergebnissen auch Suchmaschinenwerbung. Wenn der Nutzer die Suchmaschinenwerbung anklickt, erhält sowohl Google als auch der Dritte eine Provision.
Die Kommission ist beim derzeitigen Stand des Verfahrens der Auffassung, dass Google auf dem Markt für die Vermittlung von Suchmaschinenwerbung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit Marktanteilen von in den letzten zehn Jahren rund 80 Prozent eine beherrschende Stellung innehat. Ein großer Teil der Einnahmen von Google aus der Vermittlung von Suchmaschinenwerbung geht auf ihre Vereinbarungen mit einer begrenzten Zahl von großen Dritten, sogenannten direkten Partnern, zurück.
Die Kommission hat Bedenken, dass Google mit den folgenden Bedingungen in den Vereinbarungen mit direkten Partnern gegen EU-Kartellrecht verstoßen haben könnte:
>> Exklusivität: Die Dritten dürfen keine Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern Googles beziehen.
>> Premium-Platzierung einer Mindestzahl von Google-Suchmaschinenanzeigen: Die Dritten müssen Google eine Mindestzahl von Suchmaschinenanzeigen abnehmen und den am besten sichtbaren Platz auf ihren Suchergebnisseiten für Google-Suchmaschinenwerbung reservieren. Außerdem darf konkurrierende Suchmaschinenwerbung weder über noch neben Google-Suchmaschinenwerbung platziert werden.
>> Genehmigungsvorbehalt für konkurrierende Werbung: Die Dritten müssen die Genehmigung von Google einholen, bevor sie etwas an der Präsentation konkurrierender Suchmaschinenwerbung ändern.
Die Kommission vertritt die vorläufige Auffassung, dass diese seit zehn Jahren geübte Praxis den Wettbewerb auf diesem kommerziell bedeutsamen Markt behindert. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte wird beanstandet, dass ab 2006 Exklusivität verlangt wurde. Ab 2009 wurde diese Klausel in den meisten Verträgen schrittweise durch die Bedingung der Premium-Platzierung einer Mindestzahl von Anzeigen und den Genehmigungsvorbehalt für konkurrierende Werbung ersetzt. Die Kommission befürchtet, dass diese Praktiken während des gesamten Zeitraums die Auswahl künstlich eingeschränkt und Innovation auf dem Markt verhindert haben. Sie haben die Geschäftsmöglichkeiten für die Wettbewerber von Google auf diesem kommerziell bedeutsamen Markt künstlich verringert und den Websites Dritter Investitionen in ein breiteres Angebot und innovative Dienste für die Verbraucher erschwert.
Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass Google im Rahmen des Kartellverfahrens vor Kurzem beschlossen hat, die Bedingungen ihrer AdSense-Verträge mit den direkten Partnern zu ändern und ihnen mehr Freiheit einzuräumen, konkurrierende Suchmaschinenwerbung anzuzeigen. Die Kommission wird diese Änderung der Praxis von Google genau beobachten und bewerten, wie sie sich auf den Markt auswirkt.
Google und Alphabet haben nun zehn Wochen Zeit, um zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte Stellung zu nehmen.
Hintergrund
Das wichtigste Produkt von Google ist die allgemeine Internetsuche. Sie liefert den Verbrauchern Suchergebnisse mit zu den Suchanfragen passender Online-Werbung. Google erzielt einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen mit Suchmaschinenwerbung. Google hat daher ein Interesse daran, dass möglichst viele Nutzer die von ihm platzierte Werbung sehen, entweder auf ihren eigenen Websites oder auf denen von Dritten.
Nach Auffassung der Kommission hat Google bei allgemeinen Internetsuchdiensten und Suchmaschinenwerbung auf den Websites Dritter mit einem Marktanteil von über 90 Prozent bzw. über 80 Prozent im gesamten EWR eine marktbeherrschende Stellung inne. Eine marktbeherrschende Stellung ist nach EU-Wettbewerbsrecht an sich kein Problem. Allerdings dürfen marktbeherrschende Unternehmen ihre starke Marktstellung nicht missbrauchen, indem sie den Wettbewerb auf dem Markt, auf dem sie die beherrschende Stellung innehaben, oder auf benachbarten Märkten einschränken.
Die Kommission hat im November 2010 ein Verfahren eingeleitet, das die Bevorzugung des eigenen Preisvergleichsdienstes durch Google sowie die Beschränkungen betraf, die das Unternehmen bestimmten Dritten in Bezug auf deren Möglichkeiten auferlegt, auf ihren Websites Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern Googles anzuzeigen. In den Mitteilungen der Beschwerdepunkte wird die vorläufige Auffassung der Kommission dargelegt, dass die Art und Weise, auf die Google versucht hat, möglichst viele Nutzer für ihre eigenen Websites zu gewinnen und die Möglichkeiten für Wettbewerber, Suchmaschinenwerbung auf Websites Dritter zu platzieren, zu begrenzen, gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt.
Die Kommission hat damals auch Verfahren zur Vorzugsbehandlung, die Google ihren anderen spezialisierten Suchdiensten in ihren allgemeinen Suchergebnissen gewährt, sowie zu Bedenken in Bezug auf das Kopieren von Webinhalten konkurrierender Unternehmen (auch als "Scraping" bezeichnet) und übermäßige Beschränkungen für werbende Unternehmen eingeleitet und setzt diese Untersuchungen fort.
Auch von der laufenden kartellrechtlichen Untersuchung der Kommission zum Google-Betriebssystem Android und zu bestimmten mobilen Anwendungen sind die Mitteilungen der Beschwerdepunkte unabhängig. Hierzu hat die Kommission im April 2016 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Google und Alphabet gerichtet.
Hintergrundinformationen zum Verfahren
Die Kommission hat beschlossen, auch gegen die Muttergesellschaft von Google, Alphabet, ein Verfahren einzuleiten. Alphabet wurde gegründet, nachdem die Kommission das Verfahren gegen Google eingeleitet hatte. Die beiden oben zusammengefassten Mitteilungen der Beschwerdepunkte sind sowohl an Google als auch an Alphabet gerichtet. Darüber hinaus ist Alphabet die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom April 2015 zugestellt worden.
Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, die den Handel beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder einschränken kann. Wie diese Bestimmung umzusetzen ist, regelt die Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates), die sowohl von der Kommission als auch von den Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten angewandt werden kann.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften, mit dem sie das betroffene Unternehmen schriftlich von den gegen es erhobenen Vorwürfen in Kenntnis setzt. Das Unternehmen kann daraufhin die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, schriftlich Stellung nehmen und eine mündliche Anhörung beantragen, um Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden seinen Standpunkt darzulegen.
In einer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte kann die Kommission ihre vorläufigen Schlussfolgerungen bekräftigen und auf Punkte eingehen, die das Unternehmen in seiner Stellungnahme zur ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte angesprochen hat. Auch die Verteidigungsrechte des Unternehmens werden geschützt, da es Gelegenheit erhält, sich förmlich zu den zusätzlichen Beweismitteln zu äußern.
Die Übermittlung einer (ergänzenden) Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor, da die Kommission einen abschließenden Beschluss erst erlässt, wenn die Parteien ihre Verteidigungsrechte wahrgenommen haben.
Für den Abschluss kartellrechtlicher Untersuchungen zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen gilt für die Kommission keine zwingende Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B. der Komplexität der Sache, dem Umfang, in dem das betroffene Unternehmen mit der Kommission kooperiert, und der Ausübung der Verteidigungsrechte. (Europäische Kommission: ra)
eingetragen: 25.07.16
Home & Newsletterlauf: 16.08.16
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