Auswirkungen von Solvency II


Die Anwendung von Solvency II-Regelungen auf Altersvorsorgesysteme wird in Europa seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert
Sollte Solvency II in seiner gegenwärtigen Form umgesetzt werden, würde sich dies vor allem auf herkömmliche leistungsorientierte Pensionspläne negativ auswirken


(16.05.08) - Allianz Global Investors hat zusammen mit der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) eine neue Studie veröffentlicht, die die Auswirkungen von risikobasierten Mindestdeckungsanforderungen für leistungsorientierte Pensionspläne (defined benefit plans) untersucht.

Die Studie mit dem Titel "Evaluating the Impact of Risk Based Funding Requirements on Pension Funds" untersucht die quantitativen Kapitalanforderungen, die bei Umsetzung von Solvency II in ihrer gegenwärtigen Form an leistungsorientierte Pensionsfonds gestellt würden. Diese Studie wurde von Allianz Global Investors (AllianzGI) und ihrer Tochter risklab germany GmbH in Zusammenarbeit mit dem Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts zu risikobasierten Eigenkapitalrichtlinien mit der OECD durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studie sind im OECD-Bericht "Funding Regulations and Risk Sharing" dargestellt, der ebenfalls heute veröffentlicht wurde.

Die Untersuchung beleuchtet, warum Solvency II, wenn es in der gegenwärtigen Ausgestaltung auf leistungsorientierte Pensionspläne angewendet würde, die Träger leistungsorientierter Pläne dazu zwingen könnte, die Dotierung zu erhöhen, ihre Asset Allocation zu ändern und Risiken vermehrt auf die Versorgungsberechtigten abzuwälzen.

Kernaussagen der Studie
>> Die Anwendung von Solvency II-Regelungen auf Altersvorsorgesysteme wird in Europa seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Die AllianzGI Studie zielt darauf ab, die Implikationen einer direkten Übertragung dieser Regeln an realistischen Beispielen aufzuzeigen und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass ein für Versicherer konzipiertes System nicht ohne weiteres auf leistungsorientierte Pensionspläne übertragbar ist. Sollten die Solvency II Anforderungen, direkt auf Altersversorgungseinrichtungen angewendet werden, könnte dies das Interesse an leistungsorientierten Plänen auf Seiten der Träger erheblich beeinträchtigen.

>> Die Verbindlichkeiten leistungsorientierter Pensionspläne würden unter Solvency II weitaus höher ausgewiesen werden müssen, als dies nach den geltenden internationalen Bilanzierungsrichtlinien für Pensionspläne gemäß IAS 19 der Fall ist. So würde ein vom Endgehalt abhängiger Pensionsplan, der bisher nach IAS 19 als vollständig ausfinanziert galt, unter Solvency II mit demselben Kapitalanlageportfolio beispielsweise nur noch eine Deckungsquote von 64 Prozent erreichen.

>> Naheliegende Maßnahmen, den durch Solvency II induzierten zusätzlichen Finanzierungsbedarf zu beschränken, umfassen u. a. eine Anpassung der Asset Allokation mit tendenziell reduziertem Aktienanteil und einer auf ein verbessertes "Matching" ausgerichtete Bondstruktur.

>> Bestehende "Risk-Sharing-Agreements" zwischen Träger und Anspruchberechtigtem der Versorgungseinrichtungen können ebenfalls zu einer Verringerung der Solvency-Anforderungen beitragen.

>> Die Art der Risikoverteilung oder Risikoweitergabe hat allerdings einen wesentlichen Einfluss auf die verbleibenden Solvency-Anforderungen. Eine flexible Anpassung an die künftige Gehaltsentwicklung ("bedingte Indexierung") und die Erhöhung der Beiträge können die Anforderungen bereits deutlich reduzieren. Je extremer die Risikoabwälzung ist (z. B. auf die Anspruchsberechtigten durch die Option von Leistungskürzungen), desto geringer fallen die zusätzlichen Solvency-Anforderungen aus.

Die Ausfinanzierungskosten der leistungsorientierten Pensionspläne stehen im direkten Zusammenhang mit den Solvency-Anforderungen. Sie beeinflussen Art und Umfang der Kapitalausstattung, die zur Deckung gegenwärtiger und künftiger Verbindlichkeiten erforderlich ist. Eine Verschärfung der Solvabilitätsregeln würde sich in erheblicher - und wahrscheinlich negativer - Weise auf die Kosten- und Risikosituation der Träger auswirken.

"Der Todesstoß für leistungsorientierte Pensionspläne?"
Bei Solvency II handelt es sich um eine geplante Richtlinie der EU-Kommission, die voraussichtlich Ende 2009 für Versicherungsgesellschaften in Kraft treten soll. Bisher fallen leistungsorientierte Pensionspläne nicht in den Anwendungsbereich von Solvency II. Es ist jedoch geplant, gesonderte Regelungen für Pensionsfonds einzuführen. Sofern die derzeit speziell auf Versicherungsgesellschaften zugeschnittenen Regelungen auf leistungsorientierte Pensionspläne ausgeweitet werden, könnte dies auf Seiten der Träger zu erheblichen Mehrkosten führen. Für Versorgungseinrichtungen, bei denen bereits Risk-Sharing-Agreements zwischen Trägern und Anspruchsberechtigten bestehen, können die unter Solvency II zusätzlich verlangten Finanzierungsvolumina ggf. geringer ausfallen.

Dazu Brigitte Miksa, Leiterin Pensions International bei AllianzGI: "Das Ziel von Solvency II ist der wirksame Schutz von Versicherungsnehmern in allen EU-Staaten. Dies soll durch eine stärkere Orientierung der Mindestkapitalausstattung von Versicherungsunternehmen an den tatsächlich übernommenen Risiken erreicht werden. Leistungsorientierte Pensionspläne unterscheiden sich jedoch wesentlich von Garantiezusagen durch Versicherungsgesellschaften. Diesen Unterschieden muss der Gesetzgeber beim Entwurf der neuen Regelungen in diesem Jahr Rechnung tragen. Unsere Untersuchungen zeigen hierzu, dass die Anwendung von Solvency II - in ihrer gegenwärtigen Form -auf leistungsorientierte Pensionspläne diesen Systemen den Todesstoß versetzen könnte."

Sollte Solvency II in seiner gegenwärtigen Form umgesetzt werden, würde sich dies vor allem auf herkömmliche leistungsorientierte Pensionspläne negativ auswirken, die nicht über Vertragsoptionen zur Risikoabwälzung verfügen. Ein Plan, der nach der Bilanzierungsregel IAS 19 als vollständig ausfinanziert gilt, erreicht unter dem neuen System unter Umständen nur eine Deckungsquote von 64 Prozent. (Die Träger würden somit gezwungen, ihre Eigenkapitalausstattung auf ein Niveau aufzustocken, das z.B. 169 Prozent unter IAS 19 entspräche. Die signifikant gestiegene Finanzierungsanforderung liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Solvabilitätsanforderungen nach Solvency II auch mit zunehmender Unterlegung der Pensionsverpflichtungen durch Kapitalanlagen (Asset Funding) steigt, da auch hierfür Risikokapital bereitgestellt werden muss.

Die Analyse bezieht sich auf den gegenwärtigen Stand der für Versicherer konzipierten Regelungen und wurde für eine Reihe generischer bzw. modellhafter Pensionspläne durchgeführt, die nach IAS 19 vollständig gedeckt sind. Die Modelle berücksichtigen die in der EU üblichen Pensionspläne im Hinblick auf Vermögensstrukturierung und unterschiedliche Mitgliederprofile (u. a. Anteil beitragszahlender Versicherter, beitragsfreier Versicherter und Rentner).

In der Modellierung wurden auch unterschiedliche Risikostrukturen der Versorgungszusagen berücksichtigt. So wurden zum einen Pensionspläne berücksichtigt, bei denen Investment- und Langlebigkeitsrisiko allein auf den Träger entfallen. Andere Pläne erlauben es, diese Risiken im Wege von Risk-Sharing-Agreements zum Teil auf die Anspruchsberechtigten abzuwälzen. Beispiele für derartige Arrangements sind die bedingte Indexierung von Leistungen, erhöhte Mitgliedsbeträge und - soweit möglich - im Extremfall sogar die Beschneidung von Leistungen. Derartige Mechanismen greifen z.B. automatisch, sobald das Deckungskapital auf ein bestimmtes Niveau abgesunken ist.

Eine Verringerung der Solvabilitätsanforderungen
Die Studienergebnisse verdeutlichen zudem indirekt, wie Pensionspläne den zusätzlichen Kapitalisierungsanforderungen begegnen können, die mit Solvabilität II verbunden sind. Dazu Gerhard Scheuenstuhl, Geschäftsführer, risklab germany GmbH: "Die wichtigsten Risikotreiber und Grundlage für die Solvency II-Kapitalanforderungen für einen typischen Pensionsfonds sind Zinsen, Aktien sowie das Langlebigkeitsrisiko. Um potentielle zusätzliche Kapitalanforderungen zu vermeiden, müssten Pensionsfonds daher zum Teil erhebliche Änderungen bei ihrer Asset Allokation und ihrer Risikomanagementstrategie umsetzen. Für die meisten Fonds würde dies implizieren, ihren Anteil an Aktien und alternativen Investments zurückschrauben und eine verbesserte Risikokongruenz zwischen Pensionsverbindlichkeiten und Kapitalanlagen herzustellen."

Nach den Worten Scheuenstuhls hat die Studie ergeben, dass Flexibilitätsoptionen des Pensionsfonds, die unter bestimmten Bedingungen eine Abwälzung des Risikos (z.B. auf die Anspruchsberechtigten oder den Sponsor) ermöglichen ein wirksames Mittel zur Verringerung der Solvabilitätsanforderungen ist: "Der Übergang zu bedingter Indexierung führt aufgrund geringerer technischer Rückstellungen und Solvabilitätsanforderungen zu einem geringeren Kapitalbedarf. Im Extremfall wäre das Einverständnis der Arbeitnehmer zu einer Reduzierung der Leistungen die wirksamste Lösung unter Solvency II in gegenwärtiger Fassung. Sie wird allerdings bei Arbeitnehmern und Rentnern auf wenig Gegenliebe stoßen." (Allianz: ra)

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