Fernmeldegeheimniss: Kritik am Bundesrat
GDD: Bundesrat verkennt Reichweite des Fernmeldegeheimnisses
Empfehlung an den Gesetzgeber, der rechtlichen Einordnung des Bundesrates nicht zu folgen
(23.11.06) - Nicht zuletzt mit Blick auf die von der Bundesregierung beabsichtigte Gesamtnovellierung staatlicher Überwachungsbefugnisse hat die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e. V. (GDD) Kritik an der Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 556/06) zu dem Regierungsentwurf eines neuen Telemediengesetzes (TMG) geübt. Die GDD kritisiert insbesondere, dass der Bundesrat offenbar den staatlichen Zugriff auf Daten, die Aufschluss über das "Surf-Verhalten" der Internetnutzer geben, erleichtern will, indem er diese Daten als nicht vom Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes geschützt ansieht.
Der Bundsrat gehe fehl, so die GDD, wenn er die Auffassung vertrete: das Fernmeldegeheimnis ende, sobald die Daten der Internetnutzung nach Abschluss des zu Grunde liegenden Telekommunikationsvorgangs beim Diensteanbieter gespeichert werden. Um einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten, müsse sich dieser auch nach Ende der Kommunikation dort fortsetzen, wo kommunikationsbezogene Informationen beim Diensteanbieter gespeichert oder auf sonstige Weise verarbeitet würden. In diesem Zusammenhang weist die GDD darauf hin, dass beispielsweise auch solche Daten, die in einem elektronischen Postfach oder einer Mailbox des TK-Betreibers gespeichert sind, unzweifelhaft weiterhin dem Schutzbereich von Artikel 10 GG unterliegen.
Die GDD stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses habe richtigerweise festgestellt, dass die Nutzer sich im Rahmen der elektronischen Kommunikation auf die technischen Besonderheiten eines Kommunikationsmediums einlassen und sich insofern dem eingeschalteten "Kommunikationsmittler" anvertrauen. Angesichts der Tatsache, dass der Inhalt und die Umstände der Nachrichtenübermittlung dadurch dem er- leichterten Zugriff Dritter ausgesetzt sind, habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass Artikel 10 des Grundgesetzes einen Ausgleich für die technisch bedingte Einbuße an Privatheit schaffen und den Gefahren begegnen soll, die sich aus dem Übermittlungsvorgang einschließlich der Einschaltung eines Dritten ergeben.
Die GDD hält überdies die Folgerung des Bundesrates, wonach der Nutzer eines Teledienstes und der Diensteanbieter zueinander in einem Verhältnis als Kommunikationspartner stehen sollen, deren Kommunikation nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nicht mehr vom Fernmeldegeheimnis geschützt sei, für abwegig. Die Internetnutzer kommunizierten nicht mit, sondern über den Zugangs-Provider, der lediglich die technische Infrastruktur zur Verfügung stelle. Nicht ohne Grund habe das Bundesverfassungsgericht TK-Provider als "Kommunikationsmittler" bezeichnet.
Nach Auffassung der GDD kann auch nicht etwa eingewandt werden, dass der Zugriff auf die Daten durch einen privatrechtlich organisierten Telemediendiensteanbieter ermöglicht werde. Handele der Diensteanbieter auf Grund einer verbindlichen hoheitlichen Anordnung, so sei sein diesbezügliches Verhalten der öffentlichen Gewalt zuzurechnen.
Die GDD empfiehlt dem Gesetzgeber, der rechtlichen Einordnung des Bundesrates insoweit nicht zu folgen. Anderenfalls werde ein folgenschwerer Schritt in die falsche Richtung unternommen, der insbesondere der von der Bundesregierung angestrebten Neukonzeption eines harmonischen Gesamtsystems der staatlichen Überwachungsbefugnisse in kontraproduktiver Weise vorgreife. Aufgefordert sei der Gesetzgeber vielmehr dazu, das FernmeIdegeheimnis im Rahmen dieser Neukonzeption durch einen umfassenden Richtervorbehalt verfahrensrechtlich abzusichern. Im Sinne eines effektiven Grundrechtsschutzes regt die GDD an, gesetzlich klarzustellen, dass bei der Verwendung dynamischer IP-Adressen auch Bestandsdaten, die im Zusammenhang mit einem konkreten Kommunikationsvorgang stehen, vom Fernmeldegeheimnis umfasst sind. Immerhin werde gerade aus der Kombination dieser Daten ersichtlich, wer zu welchem Zeitpunkt über welchen Zugangsanbieter welche Internetseiten aufgerufen habe.
Soweit sich der Bundesrat im TMG ferner eine Regelung zur Verwendung von Kunden- und Nutzungsdaten zur vorbeugenden Gefahrenabwehr bzw. zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten wünscht, erinnert die GDD daran, dass das Bundesverfassungsgericht gerade in zwei jüngeren Entscheidungen der Vertraulichkeit der Kommunikation bzw. dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Vorrang vor präventiven Maßnahmen des Staates zur Gewährleistung der inneren Sicherheit gegeben und dabei auf die besondere Intensität von technikbasierten, verdachtlosen Grundrechtseingriffen mit großer Streubreite hingewiesen hat.
Die GDD beabsichtigt ihre Bedenken dem federführenden Wirtschaftsministerium sowie dem Bundestag mitzuteilen, der den TMG-Entwurf demnächst zu beraten hat. (GDD: ra)
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