Strukturen und Verteilung im Milchmarkt
Bundeskartellamt veröffentlicht Zwischenbericht der "Sektoruntersuchung Milch"
Marktmacht im Verhältnis der Milcherzeuger zu den Molkereien einerseits und im Verhältnis der Molkereien zum Handel andererseits
(12.01.10) - Mit dem am 11. Januar 2010 unter www.bundeskartellamt.de veröffentlichten Zwischenbericht der "Sektoruntersuchung Milch" hat das Bundeskartellamt eine umfassende Analyse der Milchwirtschaft in Deutschland vorgelegt. Der Zwischenbericht untersucht die Strukturen und die Verteilung der Marktmacht im Verhältnis der Milcherzeuger zu den Molkereien einerseits und im Verhältnis der Molkereien zum Handel andererseits ("vom Erzeuger bis zur Ladentheke").
Hierzu befragte die Behörde 36 Molkereien, die zusammen für etwa 75 Prozent der deutschen Milchmenge stehen sowie nahezu alle in Deutschland tätigen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH). Darüber hinaus hat das Bundeskartellamt Gespräche mit Unternehmen und Interessenverbänden aller betroffenen Marktstufen geführt. Der Zwischenbericht stützt sich zudem auf Erkenntnisse insbesondere aus Fusionskontrollverfahren und aus Arbeitsgruppen zum Lebensmittelsektor bei der Europäischen Kommission.
Die wesentlichen Ergebnisse im Überblick:
- Obwohl viele Erzeuger in genossenschaftliche Molkereien integriert sind, ist ein Machtgefälle zu Lasten der Erzeuger festzustellen. Bei genossenschaftlichen Molkereien besteht teilweise ein starkes Spannungsfeld zwischen den genossenschaftlichen Treuepflichten und den Herausforderungen eines liberalisierten Marktes, insbesondere mit dem Auslaufen des europarechtlichen Milchquotensystems.
- Durch die vom Gesetzgeber geschaffenen kartellrechtlichen Ausnahmetatbestände zur Gründung von regionalen Milcherzeugergemeinschaften kann die Verhandlungsposition der Erzeuger gegenüber den Molkereien gestärkt werden. Die Erzeuger nutzen ihre Spielräume bisher allerdings kaum.
- Aufgrund der derzeit praktizierten längerfristigen Milchlieferverträge und der hohen Transparenz über Milchauszahlungspreise und Milchmengen konkurrieren die Molkereien nur eingeschränkt um die Rohmilch.
Der weitreichende Datenaustausch kann nicht nur kartellrechtlich angreifbar sein; er nutzt nach den bisherigen Erkenntnissen auch vor allem den anderen, ohnehin stärkeren Marktteilnehmern und nicht den Milcherzeugern.
- Kritisch zu bewerten sind die von verschiedenen Marktteilnehmern geäußerten Forderungen nach bundesweiten Preis- oder Mengenabsprachen sowie marktstufenübergreifenden Kartellen, um den von der Europäischen Union eingeschlagenen Weg der Liberalisierung der Milchmärkte zu umgehen. Diese Initiativen sind weder mit deutschem noch mit europäischem Kartellrecht zu vereinbaren. Sie sind darüber hinaus - auch dies zeigen die Marktermittlungen - am Markt nicht durchsetzbar.
- In seinen Geschäftsbeziehungen zu den Molkereien ist der LEH strategisch erheblich im Vorteil, da die Molkereien nur sehr eingeschränkt über Alternativen für den Absatz ihrer Produkte verfügen. Allerdings unterscheiden sich die individuellen Verhandlungspositionen stark und sind unter anderem von der allgemeinen Marktlage (dem Verhältnis von Angebot zu Nachfrage) und dem Produktportfolio der jeweiligen Molkerei abhängig.
Die ohnehin sehr hohe Markttransparenz erleichtert es dem LEH, seine Verhandlungsposition gegenüber den Molkereien durchzusetzen. Hingegen fehlen jedenfalls bislang - substantiierte Anhaltspunkte für ein wettbewerbswidriges Verhalten des LEH: Die bisherigen Ermittlungen ergeben beispielsweise keine belastbaren Hinweise darauf, dass die LEH-Unternehmen die in Verhandlungen erzielten Preisvorteile nicht an die Verbraucher weitergeben.
Der vorliegende Zwischenbericht soll als Grundlage für einen Dialog mit den Marktteilnehmern und interessierten politischen Kreisen dienen. Hierzu erhalten alle Interessierten zunächst die Gelegenheit, bis zum 1. März 2010 schriftlich Stellung zu nehmen. Anschließend ist eine Anhörung geplant, um mit Vertretern der Milcherzeuger, der Molkereien und des Handels den Zwischenbericht unter Berücksichtigung der schriftlichen Stellungnahmen zu diskutieren. Einladungen hierzu werden gesondert ergehen. An das Anhörungsverfahren können sich weitere Ermittlungen anschließen. (Bundeskartellamt: ra)
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