Siemens will gegen EU-Strafe klagen


Nun amtlich: Siemens erhält Kartellstrafe in Höhe von 418 Millionen Euro – Negativer Einfluss auf das Quartalsergebnis
Siemens will gegen Strafe klagen und beruft sich auf interne Compliance-Regeln - Zeitnahe Platzierung der Kartellstrafe zwei Tage vor der Hauptversammlung scheint von der EU gewollt

(25.01.07) - Der Schlag fiel noch ein bisschen heftiger aus erwartet: Die EU-Kommission verhängte gestern gegen den Siemens-Konzern wegen Preisabsprachen im Energieanlagenbau eine Kartellstrafe in Höhe von insgesamt 419 Millionen Euro. Das ist die zweithöchste Strafe, die in der EU jemals ausgesprochen worden ist. Von den 419 Millionen Euro entfallen 22 Millionen Euro auf die 2005 von Siemens übernommene österreichischen VA Tech.

In einer ersten Reaktion sagte Dr. Udo Niehage, Vorsitzender des Vorstands des Siemens-Bereichs Power Transmission & Distribution (PTD): "Wir halten die verhängten Bußgelder für absolut überzogen und können sie überhaupt nicht nachvollziehen." Weiter erklärte Niehage, dass das kritisierte Vergehen auf ein Fehlverfalten einzelner Mitarbeiter beruhe und von Siemens nicht gebilligt werde: "Wir tolerieren das Fehlverhalten Einzelner nicht, durch das unserem Unternehmen massiver Schaden zugefügt wird."

Siemens verweist im Zusammenhang mit den Kartellvorwürfen auf ihre Compliance-Regeln: "Siemens hat klare und verbindliche Regeln für gesetzestreues und integres Verhalten im Geschäftsalltag. Die Absprachen in Europa zwischen Oktober 2002 und April 2004 wurden internen Erkenntnissen zufolge von drei Mitarbeitern eines Geschäftsgebiets des Unternehmensbereiches PTD getroffen. Diese Mitarbeiter wurden unmittelbar nach bekannt werden der Vorwürfe suspendiert und arbeiten nicht mehr für Siemens", heißt es in einer Pressemitteilung.

Siemens PTD ist Hersteller der gasisolierten Hochspannungsschaltanlagen, um die es im EU-Kartellverfahren ging. Bei den von der Kartellstrafen in Höhe von 751 Millionen Euro betroffenen Unternehmen handelt es sich laut EU-Kommission um ABB, Alstom, Areva, Fuji, Hitachi Japan AE Power Systems, Mitsubishi Electric Corporation, Schneider, Siemens, Toshiba und VA Tech. Während sich die Europäer ihren Heimatmarkt aufteilten, hätten die Asiaten als Teil des Kartells stillgehalten.

Für die EU-Kommission ist es erwiesen, dass sich die Energieanlagenbauer zwischen 1988 und 2004 bei Preisen und Ausschreibungen für so genannte gasisolierte Schaltanlagen abgesprochen hätten. Die Anlagen werden zur Stromverteilung in Umspannwerken eingesetzt. Die Absprachen waren nach EU-Angaben gut organisiert. "Die Kartellmitglieder trafen sich regelmäßig. Dabei wurden auf Führungsebene strategische Fragen erörtert, während auf niedrigerer Ebene Projekte aufgeteilt und für die Unternehmen, die bei den entsprechenden Aufträgen leer ausgehen sollten, Scheinangebote vorbereitet wurden, um den Eindruck echten Wettbewerbs zu erwecken", teilte die Kommission laut Reuters mit. Während sich die Europäer ihren Heimatmarkt aufteilten, hätten die Asiaten als Teil des Kartells stillgehalten. "Die Kartellmitglieder verwendeten ausgeklügelte Mittel, um ihre Fühlungnahmen zu verbergen. So wurden sowohl für die Unternehmen als auch für einzelne Personen Codenamen verwendet. In den letzten Jahren des Kartells kommunizierten die Mitglieder über anonyme E-Mail-Adressen mittels verschlüsselter Botschaften", sagte ein EU-Sprecher.

Fast nach einer böswilligen Einflussnahme und Extra-Strafe sieht in diesem Zusammenhang die zeitnahe Platzierung der Kartellstrafe zwei Tage vor der Siemsen-Hauptversammlung aus. Offensichtlich will die EU-Kommission den Siemens-Konzern-Vorstand in Argumentationsnot bringen - wohlwissend, dass dies Vorstand und Aufsichtsrat ins Wanken bringen kann.

Siemens wehrt sich
Siemens wird gegen die Bußgeldbescheide der EU-Kommission über rund 396 Mio. Euro beim Europäischen Gericht klagen. Das Unternehmen weist den pauschalen Vorwurf der EU-Kommission zurück, im Zeitraum von 1988 bis 2004 an einem Kartell im europäischen Markt für gasisolierte Hochspannungsschaltanlagen (GIS größer/gleich 72 kV) teilgenommen zu haben. Absprachen bei gasisolierten Hochspannungsschaltanlagen habe es lediglich von Oktober 2002 bis April 2004 bei einigen wenigen Projekten im europäischen Wirtschaftsraum gegeben.

Seit Beginn der Untersuchungen habe PTD mit der EU-Kommission in vollem Umfang kooperiert und ihr die Ergebnisse interner Ermittlungen zur Verfügung gestellt. Der Vorwurf, im Zeitraum von 1988 bis 2004 an einem Kartell im Markt für gasisolierte Hochspannungsschaltanlagen teilgenommen zu haben, gehe weit über die Erkenntnisse der internen Untersuchungen hinaus. Das Unternehmen habe wiederholt in Stellungnahmen der EU-Kommission gegenüber deutlich gemacht, dass es die Auffassung der Kommission größtenteils für nicht berechtigt halte. Deshalb werde Siemens gegen ungerechtfertigte Vorwürfe Rechtsmittel ergreifen.

Mit der Übernahme von VA Tech im Jahre 2005 und der Integration von VA Tech T&D in den Bereich Power Transmission & Distribution (PTD) trägt Siemens auch die wirtschaftliche Verantwortung für dieses Unternehmen. Dazu gehören auch die möglichen Konsequenzen, die aus wettbewerbswidrigen Absprachen resultieren. Den VA-Tech-Gesellschaften in Italien, Frankreich, Großbritannien und Österreich wurden zeitgleich mit Siemens Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt rund 22 Mio Euro zugestellt. Auch in diesen Fällen erscheinen die Bußgeldbescheide unangemessen hoch. Auch hier werden gegen ungerechtfertigte Vorwürfe Rechtsmittel ergriffen.

Siemens Power Transmission and Distribution (PTD), Erlangen, ist eines der führenden Unternehmen auf dem Weltmarkt für Energieübertragung und -verteilung. Als Produktlieferant, Systemintegrator, Komplettlösungs- und Serviceanbieter ermöglicht Siemens PTD Stromversorgern und der Industrie den wirtschaftlichen und zuverlässigen Transport elektrischer Energie vom Kraftwerk bis zum Verbraucher. In mehr als 100 Ländern vertreten, erwirtschaftete PTD mit weltweit rund 27.500 Mitarbeitern im Geschäftsjahr 2006 (30. September) einen Umsatz von 6,5 Mrd. Euro (Zahlen vorläufig und nicht testiert).
(Siemens: ra)



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