Missbräuchlich überhöhte Trinkwasserpreise
Missbrauchskontrolle: Bundeskartellamt erlässt Preissenkungsverfügung gegen Berliner Wasserbetriebe von insgesamt 254 Mio. Euro für die Jahre 2012 bis 2015
Compliance im Kartellrecht: Ergebnis des Verfahrens mache deutlich, wie wichtig eine konsequente Kontrolle der Kartellbehörden in der Wasserversorgung sei
(13.06.12) - Das Bundeskartellamt hat die abschließende Preissenkungsverfügung gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) wegen missbräuchlich überhöhter Trinkwasserpreise erlassen. Mit dem Beschluss ordnet das Bundeskartellamt an, dass die abgabenbereinigten Erlöse aus der Versorgung mit Trinkwasser in Berlin für die Jahre 2012 um 18 Prozent und für die Jahre 2013 bis 2015 um durchschnittlich 17 Prozent jeweils im Vergleich zu 2011 gesenkt werden müssen.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Für den Zeitraum von 2012 bis 2015 müssen die BWB ihre Erlöse um insgesamt ca. 254 Millionen Euro absenken. Diese Maßnahme soll den Berliner Wasserkunden, also allen Haushalts- und Industriekunden unmittelbar zugutekommen. Um dies möglichst schnell umzusetzen, wurde auch die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung angeordnet. Darüber hinaus haben wir uns die Anordnung der Rückerstattung missbräuchlich bezahlter Wasserpreise für die Jahre 2009 bis 2011 ausdrücklich vorbehalten. Das Ergebnis dieses Verfahrens macht deutlich, wie wichtig eine konsequente Kontrolle der Kartellbehörden in der Wasserversorgung ist. Soweit es der Wettbewerb, wie offenkundig in monopolisierten Wirtschaftsbereichen, nicht richten kann, ist eine effektive Missbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden unverzichtbar."
Die konkrete diskriminierungsfreie Aufteilung der Erlösabsenkung auf die Kundengruppen liegt im Ermessen der BWB. Die Absenkung der Preise soll jeweils mit der Jahresschlussrechnung für die Verbraucher bis zum 31. Dezember des Folgejahres umgesetzt werden, für das Jahr 2012 also spätestens bis zum 31.12.2013 erfolgen. Dies hat das Bundeskartellamt durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit seiner Verfügung sichergestellt. Die Preisabsenkung bezieht sich auf die Netto-Erlöse pro Absatz, d.h. auf die Durchschnittspreise pro Kubikmeter über alle Tarife hinweg und ohne Steuern und Abgaben. Die prozentuale Absenkung der Brutto-Preise wird daher etwas geringer ausfallen.
Das Bundeskartellamt hat im Rahmen eines Erlösvergleichs mit den Vergleichsunternehmen HamburgWasser, Stadtwerke München und RheinEnergie Köln festgestellt, dass die Wasserpreise und Erlöse der Berliner Wasserbetriebe missbräuchlich überhöht sind. Dabei hat das Bundeskartellamt die durch die Wiedervereinigung bedingten Zusatzkosten der BWB (u. a. für die Sanierung des Ost-Berliner Wassernetzes) als berücksichtigungsfähige Mehrkosten im Vergleich zu den Unternehmen aus Hamburg, München und Köln anerkannt.
Gegenüber der vorangegangenen - zweiten - Abmahnung vom 30.03.2012 mit einem Gesamtabsenkungsvolumen von 292 Mio. Euro für 2012-2015 im Vergleich zum Jahr 2010 fällt die Preisabsenkung in der abschließenden Entscheidung etwas geringer aus. Die BWB hatte in ihrer Stellungnahme auf die zweite Abmahnung des Amtes geltend gemacht, dass sie bei den im Laufe des Verfahrens erfolgten Abfragen zu Investitionen der BWB (einschließlich Ersatz- und Erhaltungsaufwand) ihre eigenen Personalkosten bisher erheblich zu gering angesetzt hätte. Das Bundeskartellamt hat daher jetzt eine Berechnung auf Basis der neu vorgelegten Daten durchgeführt.
Gegen die Verfügung können die Berliner Wasserbetriebe Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen und gegen die sofortige Vollziehbarkeit einstweiligen Rechtsschutz beantragen.
Hintergrund
Die Berliner Wasserbetriebe sind der größte Wasserversorger Deutschlands. Ihnen obliegt die Trink- und Abwasserversorgung im Großraum Berlin. Die BWB erhebt privatrechtliche Wasserpreise, so dass das Wettbewerbsrecht Anwendung findet. Die Wasserversorger haben in Deutschland ein Monopol, da die Wasserkunden nicht zu anderen Anbietern wechseln können. In Berlin ist dieses natürliche Monopol auch rechtlich durch einen Anschluss- und Benutzungszwang abgesichert.
Das Verfahren gegen die BWB wurde im März 2010 eingeleitet. In der Folge hat das Bundeskartellamt umfangreiche Ermittlungen zur großstädtischen Wasserversorgung durchgeführt und von allen Städten in Deutschland mit mehr als 200.000 Einwohnern (insgesamt 38) Daten zur Wasserversorgung abgefragt. Als Vergleichsmaßstab für die Wasserpreise in Berlin hat das Bundeskartellamt schließlich die Preise der Wasserversorger in Hamburg, München und Köln herangezogen, da die Versorgungsbedingungen in diesen Metropolen strukturell mit Berlin vergleichbar sind. Es hat dabei signifikant höhere Erlöse der BWB im Vergleich zu den Wasserversorgern der anderen drei Großstädte festgestellt.
Im Rahmen der Ermittlungen hat sich das Bundeskartellamt intensiv mit den Kosten und den Versorgungsbedingungen in den verschiedenen Städten befasst. Insbesondere wurden die Kosten für die in Deutschland sehr gute Trinkwasserqualität geprüft. Alle Wasserversorger unternehmen hier große Anstrengungen. Berlin hat nach der Auffassung der Behörde insofern keine höheren Aufwendungen als Hamburg, Köln oder München. Qualitativ hochwertiges Wasser ist in Berlin reichlich und gut zugänglich vorhanden. Die Bedingungen der Wasserverteilung sind in Berlin ebenfalls sehr günstig. (Bundeskartellamt: ra)
Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>