Glaubwürdigkeit des Staates erhöhen
Konsequente Strafverfolgung und Gewinnabschöpfung erhöhen die Glaubwürdigkeit des Staates
Transparency Deutschland fordert eine bessere personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaften
(12.01.07) - Das Vertrauen in den Rechtsstaat sowie die Glaubwürdigkeit staatlichen Handelns wird auch von der Durchschlagskraft unserer Justiz mitbestimmt. In Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit bedroht. Die Dunkelziffer ist inakzeptabel hoch. Selbst wo die Strafverfolgung fündig geworden ist, führen fehlende Ressourcen zu unangemessen milden Urteilen. Das ist das Ergebnis der Konferenz zur Strafverfolgung von Korruption von Friedrich-Ebert- Stiftung und Transparency anlässlich des Antikorruptionstages im Dezember letzten Jahres.
Das Bundesverfassungsgericht sieht in der überlangen Dauer von Ermittlungs- und Strafverfahren einen Grund zur Strafmilderung. Für ein Delikt, das bei normalem Prozessverlauf mit Gefängnis geahndet wird, kann es bei Verzögerung des Verfahrens zu einer Aussetzung der Strafe zur Bewährung führen. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs stellte deshalb fest, es drohe ein Ungleichgewicht zwischen Bestrafung bei allgemeiner Kriminalität und der Strafpraxis in Wirtschaftsstrafsachen.
Vor diesem Hintergrund haben sich Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus ganz Deutschland auf Einladung von Transparency Deutschland und der Friedrich-Ebert-Stiftung zu einem Erfahrungsaustausch getroffen. Bei dieser Gelegenheit wurde wiederum eine bessere personelle Ausstattung der Strafverfolgung gefordert.
Dabei wurde insbesondere deutlich gemacht, dass durch die Abschöpfung von unrechtmäßig erlangten Vorteilen dem Staat Einnahmen zufließen, die Mehrkosten bei der Strafverfolgung häufig übersteigen.
Aus der intensiven Beratung mit den Staatsanwälten ergeben sich für Transparency Deutschland diese Forderungen zur effektiveren Bekämpfung von Korruption:
>> Schnelle Einführung von Telefonüberwachung und Kronzeugenregelung bei der Verfolgung von Korruptionsstraftaten;
>> Optimierung der Gewinnabschöpfung insbesondere durch vereinfachte Regelungen;
>> Intensivierung und Vereinfachung der Zusammenarbeit von Steuer- und Strafverfolgungsbehörden.
Breiten Raum nahm die Diskussion um die vielschichtige Problematik im Gesundheitswesen ein. Nach einhelliger Meinung sollten auch niedergelassene Ärzte, die ungerechtfertigte Vorteile annehmen, welche Einfluss auf die Verschreibungspraxis haben, strafrechtlich belangt werden können.
Alle Anwesenden erwarten die schnelle Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption. Transparency verlangt die dafür notwendige Abänderung des § 108e StGB damit deutsche Abgeordnete auch umfassend dem Korruptionsstrafrecht unterliegen.
Dies wurde von Transparency Deutschland bei der Vorstellung des "Korruptionsbarometers" von Transparency International - anlässlich des von den Vereinten Nationen eingeführten Welt-Antikorruptionstags am 9. Dezember - nochmals unterstrichen. Das Korruptionsbarometer basiert auf einer repräsentativen Meinungsumfrage unter 59.661 Personen über 18 Jahren in 62 Ländern. In Deutschland werden Aktivitäten des Staates im Kampf gegen Korruption von den Bürgern als besonders wenig wirksam bewertet. Dies hat seinen Grund auch in der unzureichenden Strafverfolgung wegen mangelnder personeller Ressourcen.
Im Barometer wird die Wirtschaft, im Vergleich zum Vorjahr, noch negativer beurteilt, vermutlich eine Reaktion auf die Skandale in und zwischen Firmen, die seit Mitte vorigen Jahres die Aufmerksamkeit der Medien gewannen.
Politische Parteien schneiden wiederum am schlechtesten ab. Die Erinnerung an die Skandale der Vergangenheit etwa bei der Parteienfinanzierung hält wohl noch an. Das sollte zu denken geben, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Überlegungen in den Parteien, das Parteiengesetz zu entschärfen und Sanktionen bei Fehlverhalten deutlich zu mildern. Transparency Deutschland warnt vor einer jeden Aufweichung des Parteiengesetzes. Das Vertrauen der Bürger in die Parteien ist immer noch so gering, dass eher mehr als weniger Anstrengungen gemacht werden müssen, etwa auf dem Feld der Ämterpatronage.
Das Ansehen der Abgeordneten hat sich gegenüber dem Vorjahr etwas verbessert, nachdem das Parlament auf die Skandale um Nebentätigkeiten reagiert hat. Das Parlament steht aber immer noch auf dem drittletzten Platz bei der Beurteilung, wie stark der Einfluss von Korruption ist. Deshalb weist Transparency Deutschland erneut darauf hin, dass Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten im Strafgesetzbuch höchst unbefriedigend geregelt sind. Wiederum können wir uns auf den BGH berufen:
"Die gesetzliche Regelung der Abgeordnetenbestechung führt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dazu, weite Teile von als strafwürdig empfundenen Manipulationen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen in Volksvertretungen der Gemeinden und Gemeindeverbände straflos zu stellen. Der Senat sieht hier gesetzgeberischen Handlungsbedarf: In allen anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens hat das gewandelte öffentliche Verständnis einer besonderen Sozialschädlichkeit von Korruption zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit von korruptivem Verhalten geführt. Diese Entwicklung ist bislang an dem Tatbestand der Abgeordnetenbestechung vorbeigegangen." (BGH, 9.5.2006, -5StR 453/05) Eklatante Fälle von Vorteilsnahme auf kommunaler Ebene können nicht verfolgt werden, weil sie von §108e StGB (Abgeordnetenbestechung) nicht abgedeckt sind.
Weil Deutschland es nicht geschafft hat, den §108e StGB zu reformieren, kann Deutschland seit drei Jahren die UN-Konvention gegen Korruption nicht ratifizieren. Bei der zur Zeit in Jordanien stattfindenden Konferenz zu dieser Konvention muss Deutschland deshalb am Katzentisch sitzen, während 80 andere Staaten darüber entscheiden können, wie die Konvention gegen Korruption wirksam umgesetzt und kontrolliert wird.
Bei dem heutigen öffentlichen Erfahrungsaustausch zum Thema "Justizielle Ressourcen der Korruptionsbekämpfung" von Friedrich-Ebert-Stiftung und Transparency Deutschland spielt die Forderung nach der Einführung eines deutschen Unternehmensstrafrechts eine große Rolle.
Übereinkommen der OECD und der Europäischen Union sowie die UN-Konvention gegen Korruption betrachten die Strafbarkeit von Unternehmen als Normalität. Wo es kein Unternehmensstrafrecht gibt, fordern sie, dass Unternehmen anderen "angemessenen und abschreckenden Sanktionen" unterliegen. Die Bundesrepublik Deutschland wird dieser Anforderung nicht gerecht. Zwar verweist die Bundesregierung auf das Ordnungswidrigkeiten-Gesetz. Doch in der bisherigen Anwendung fehlt ihm nach der Einschätzung von Transparency Deutschland jede abschreckende Wirkung.
Transparency Deutschland fordert bereits seit Jahren Reformen, die in Teilbereichen kompensieren, dass in Deutschland nur natürliche Personen straffähig sind. So war in der letzten Legislaturperiode die Einführung eines Zentralregisters für Firmen geplant, in dem Unternehmen aufgelistet sind, die von öffentlichen Vergabeverfahren und Aufträgen wegen Korruptionsverdacht ausgeschlossen werden. Ein solches Gesetz würde erheblich abschreckend wirken. Die Bundesregierung sollte den seinerzeit erarbeiteten Gesetzentwurf des BMWI umgehend in die parlamentarischen Beratungen einbringen.
Auch die Eigenanstrengungen der Wirtschaft müssen weiter verstärkt werden. Der Deutsche Corporate Governance Kodex bedarf dringend einer Ergänzung in Hinblick auf Korruptionsprävention. Der Kodex soll die für Deutschland geltenden Regeln für eine gute Unternehmensführung transparent machen, um so das Vertrauen in den Standort Deutschland zu stärken. Transparency Deutschland bedauert, dass der Kodex keine ausdrückliche Empfehlung enthält, aktiv gegen Korruption vorzugehen. (Transparency: ra)
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