Kick-back-Zahlungen im Gesundheitswesen
Transparency fordert konsequente Bekämpfung von Fangprämien im Gesundheitswesen
In Deutschland müssten Patienten befürchten, dass sie nicht die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten, sondern eine, bei der ihr Arzt einen finanziellen Vorteil aus der Überweisung zieht
(10.06.10) - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. fordert ein konsequentes Vorgehen gegen Fangprämien im Gesundheitswesen. Fangprämien bewirken, dass Überweisungen nicht zum Wohle des Patienten, sondern im finanziellen Interesse zweier medizinischer Vertragspartner geschehen.
Transparency hat solche "Kick-back-Zahlungen" stets scharf kritisiert und fordert ihre konsequente Bekämpfung. Dazu gehört zunächst eine empirische Untersuchung über das Ausmaß von "Zuweisungen gegen Entgelt".
Denn nicht nur Kliniken bezahlen niedergelassene Ärzte für die Zuweisung von Patienten. Ebenso kann es fragwürdige Vereinbarungen über solche Zuweisungen zwischen unterschiedlichen Facharztgruppen oder Fachärzten und medizinischen Heilberufen geben, beispielsweise zwischen Internisten und Röntgenologen, Zahnärzten und Zahntechnikern oder Orthopäden und Physiotherapeuten.
Anke Martiny, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland, erläuterte: "In manchen Ländern müssen Patienten Ärzte schmieren, um medizinisch versorgt zu werden. In Deutschland müssen Patienten dagegen befürchten, dass sie nicht die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten – sondern eine, bei der ihr Arzt oder ihre Ärztin einen finanziellen Vorteil aus Behandlung und Überweisung ziehen."
Die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer verbietet die Zuweisung gegen Entgelt, vornehmlich aus ethischen Gründen. Strafrechtlich kann sie nicht verfolgt werden.
Transparency fordert daher, dass niedergelassene Ärzte wie angestellte Klinikärzte als Amtsträger gelten sollen. Die Annahme finanzieller oder materieller Vorteile auch im Falle von Zuweisungen wäre dann strafbar, und die Hemmschwelle für die Annahme von Fangprämien würde größer.
Anke Martiny sagte: "Nach Bekanntwerden der Fangprämien-Skandale im vergangenen Sommer hat die Politik nicht reagiert. Auch die Akteure im Gesundheitswesen selbst scheinen kein ernsthaftes Interesse an einer Aufklärung zu haben." Seit 2004 existieren laut Gesetz "Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen" bei den Kassen und den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen.
Die Organe der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen könnten die Bekämpfung von Fangprämien und anderen Missbräuchen unzweifelhaft leisten. Die angebotene Neugründung von "Clearingstellen" nach dem Fangprämienskandal im letzten Sommer war somit überflüssig.
Im Herbst wird der nächste Bericht der Bundesregierung über die Arbeit der "Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen" für die Jahre 2008/ 2009 erwartet. Transparency fordert, dass im Rahmen der Berichterstattung geprüft wird, ob es noch Regelungslücken für die Arbeit dieser Stellen gibt. Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Zuweisungen gegen Entgelt inzwischen erfassen konnten und ob diese auch strafrechtlich verfolgt wurden.
Außerdem fordert Transparency, dass der Bericht im Herbst veröffentlicht und nicht allein den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages zugänglich gemacht wird.
Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hatte das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert, in der Ausschusssitzung am 09. Juni 2010 einen Bericht zum Stand der Aufklärungen von Fangprämien vorzulegen. Im letzten Sommer war bekannt geworden, dass Kliniken niedergelassene Ärzte für die Einweisung von zusätzlichen Patienten bezahlt hatten.
Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft reagierten mit der bis heute nicht flächendeckend realisierten Zusage, Clearingstellen zur Bekämpfung der Fangprämien einzurichten.
Durch Missbrauch und Fehlverhalten im Gesundheitswesen gehen nach Berechnungen des European Healthcare Fraud and Corruption Network EHFCN in Deutschland jährlich mehr als dreizehn Milliarden Euro verloren. (Transparency International: ra)
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