Regelungslücken und Umsetzungsdefizite
Europäischer Integritätsbericht von Transparency: Das deutsche Integritätssystem wird insgesamt gut bis sehr gut bewertet, doch mangelt es an einem kohärenten Ansatz der Korruptionsbekämpfung
Von den 25 untersuchten Ländern haben nur Deutschland und die Tschechische Republik die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) nicht ratifiziert
(13.05.12) - Transparency International hat den Europäischen Integritätsbericht veröffentlicht. Der Bericht basiert auf 25 nationalen Berichten, die zentrale öffentliche und private Institutionen auf ihre Maßnahmen zur Korruptionsvermeidung und -bekämpfung untersuchen. Die Analyse zeigt, dass in allen Ländern Regelungslücken und Umsetzungsdefizite bestehen. Auch Deutschland kann von anderen Ländern lernen.
Große regionale Unterschiede
Am besten schneiden die Länder Dänemark, Norwegen und Schweden ab. Doch auch hier besteht Reformbedarf, z. B. existieren in Schweden keine verbindlichen Regelungen zur Parteienfinanzierung. In Griechenland, Portugal und Spanien mangelt es vor allem an Sanktionsmöglichkeiten gegen Fehlverhalten und Korruption. Besorgniserregend sind die Entwicklungen in den neuen EU-Mitgliedstaaten. Die Fülle neuer Regelungen hat in Rumänien und Bulgarien nicht zu einem Verhaltenswandel geführt.
Das deutsche Integritätssystem wird insgesamt gut bis sehr gut bewertet, doch mangelt es an einem kohärenten Ansatz der Korruptionsbekämpfung. Von den 25 untersuchten Ländern haben nur Deutschland und die Tschechische Republik die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) nicht ratifiziert. Voraussetzung für die Ratifikation in Deutschland ist die Verschärfung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung. Sie ist eine von "84 Forderungen für eine integere Republik", die im Nationalen Integritätsbericht Deutschland veröffentlicht wurden.
Von guten Beispielen lernen
Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, sagte: "Der Europäische Integritätsbericht zeigt, dass Deutschland nicht der Musterschüler Europas ist. Ein Blick zu unseren europäischen Partnern täte uns gut. Beispielhaft und nachahmenswert sind z. B. die Regelungen Lettlands für die Veröffentlichung von Parteienspenden und Nebeneinkünften von Abgeordneten. Besser als Deutschland hat die Slowakei den Zugang zu Informationen der Verwaltung geregelt. Von der Schweiz können wir lernen, wie das Vergabewesen transparenter gestaltet werden kann."
1) Parteienfinanzierung in Lettland
Spätestens 15 Tage nach Eingang einer Parteispende ist die Stelle für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung zu informieren. In einer Online-Datenbank werden Empfänger, Herkunft, Höhe und Datum der Spende bekannt gegeben.
Stand in Deutschland: Parteienspenden werden erst ab einer Höhe von 10.000 Euro veröffentlicht. Diese werden zurzeit erst bis zu 18 Monate später veröffentlicht. Nur für Spenden über 50.000 Euro gilt eine unmittelbare Veröffentlichungspflicht.
2) Veröffentlichung von Nebeneinkünften in Lettland
In Lettland machen Abgeordnete und politische Beamte weitreichende Angaben zu ihrem Einkommen, Eigentum, Aktien und anderen Aktiva, Spareinlagen, finanziellen Transaktionen, Schulden und Krediten.
Stand in Deutschland: Die Höhe der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten wird lediglich in drei Stufen (1.000 - 3.500 Euro; 3.500 - 7.000 Euro; über 7.000 Euro) veröffentlicht. Es bestehen keine Pflichten zur Veröffentlichung von Vermögen.
3) Informationsfreiheit in der Slowakei
Das Informationsfreiheitsgesetz der Slowakei gewährt Einzelpersonen und Organisationen das Recht auf Akteneinsicht innerhalb von zehn Tagen. Seit dem Jahr 2010 sind Verträge zu veröffentlichen, die von öffentlichem Interesse sind.
Stand in Deutschland: Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz ist das einzige Gesetz, das eine Klausel zur Abwägung von Ausnahmetatbeständen (insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) gegen das Interesse der Öffentlichkeit beinhaltet. In fünf Bundesländern steht die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes aus.
4) Schweizer e-Vergabeplattform
Auf der Schweizer Onlineplattform www.simap.ch werden öffentliche Ausschreibungen des Bundes und teilweise auch der Kantone detailliert dokumentiert. Es werden Auszeichnungen für das beste Preis-Leistungsverhältnis vergeben und es besteht die Möglichkeit, Anbieter auszuschließen, die falsche Angaben machen.
Stand in Deutschland: Im Gegensatz zur Schweizer Vergabeplattform wird auf der Webseite der öffentlichen Verwaltung (www.bund.de) die Auftragssumme nach Abschluss des Vergabeprozesses nicht veröffentlicht. Zudem ist die Veröffentlichung auf der Vergabeplattform nicht verpflichtend.
Hintergrund
Nationale Integritätsberichte wurden in folgenden Ländern erstellt: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn.
Der Nationale Integritätsbericht Deutschland wurde im Januar 2012 veröffentlicht und enthält "84 Forderungen für eine integere Republik".
Der Europäische Integritätsbericht und die Länderberichte werden vom Programm Kriminalprävention und Kriminalbekämpfung der Generaldirektion Inneres der Europäischen Kommission finanziell unterstützt. Das einheitliche Konzept zur Untersuchung des nationalen Integritätssystems wurde von Transparency International entwickelt. (Transparency: ra)
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