Bilanz zum Thema "Corporate Governance"
Dr. Gerhard Cromme: "Moral kann man nicht per Gesetz verordnen und auch nicht per Kodex"
Die Frage der Managergehälter werde viel zu sehr unter dem Aspekt der absoluten Gehaltshöhe diskutiert
(30.06.08) - Bilanz zum Thema "Corporate Governance in Deutschland" zog der Vorsitzende der "Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex", Dr. Gerhard Cromme, anlässlich der 7. Konferenz Deutscher Corporate Governance Kodex am 27. Juni 2008 in Berlin. In seiner Rede nahm Cromme auch Stellung zu gesellschaftlichen Brennpunkten wie Beispielsweise der Managervergütung. Der frühere Chef ThyssenKrupp führt seit 2001 die Regierungskommission für "gute Unternehmensführung". Sein Nachfolger wird der Ex-Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller.
Generell hat sich nach Ansicht von Cromme die deutsche Corporate Governance seit 2002 sehr positiv entwickelt. "Es gab damals deutliche Kritik an der in Deutschland praktizierten Corporate Governance. Die Aktionärsinteressen seien unzureichend berücksichtigt, die duale Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat sei zu kompliziert, die Unternehmensführung wenig transparent und die Qualität der Aufsichtsräte mangelhaft", erinnerte Cromme.
Das sehe heute anders aus. Es sei "der deutschen Wirtschaft gelungen, die bei uns praktizierte Corporate Governance mit Hilfe des Kodex erfolgreich an die Anforderungen des globalen Wettbewerbs anzupassen".
"Mittlerweile werden die Vorteile einer Trennung zwischen Unternehmensleitung und Unternehmenskontrolle, die für das duale Führungssystem typisch ist, auch international klar erkannt und anerkannt. In das angelsächsische One-Board-System werden immer mehr Aspekte des dualen Führungssystems integriert, insbesondere in Europa. Ich erinnere nur an die Funktion des 'Lead Independent Director' im einstufigen Board in den USA. Auch die in vielen Ländern, z.B. in Großbritannien, forcierte personelle Trennung von Chairman- und Chief-Executive-Funktion weist in diese Richtung. Das ist ein hervorragender Leistungsnachweis für unsere Praxis", resümierte Cromme.
Einzelfälle von Fehlverhalten von Managern
Cromme sieht zwar auch "Einzelfälle von Fehlverhalten von Managern". "Aber diese Einzelverstöße stellen den Erfolg des Kodex nicht in Frage", sagte der scheidende Corporate Governance-Chef.
"Hier geht es dem Kodex wie dem hoch angesehenen deutschen Strafgesetzbuch. Obwohl jeden Tag gegen das Strafgesetzbuch verstoßen wird, verlangt niemand seine Abschaffung. Eher wird darauf verwiesen, wie notwendig seine strikte Anwendung ist. So ist es auch mit dem Kodex. Seine Beachtung ist Maßstab guter Corporate Governance in Deutschland."
Im Folgenden nahm Cromme zum Thema Transparenz, Managervergütungen und Aufsichtsrat Stellung und rechtfertigte in der Öffentlichkeit kritisierte Verhaltensweisen als positives Beispiel einer "guten" Corporate Governance:
>> "Über den Wechsel eines Vorstandsvorsitzenden in den Aufsichtsratsvorsitz kann nur deshalb in der Öffentlichkeit verstärkt diskutiert werden, weil wir für die Vor- und Nachteile sensibilisiert haben. Einerseits wollen wir keinen Wechsel-Automatismus, aber ein früherer Vorstandsvorsitz darf auch kein K.o.-Kriterium für die Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes sein.
>> Wir können über Managergehälter, Altersversorgung, Sachbezüge, Aktienoptionen oder Abfindungen nur deshalb debattieren, weil sie individuell nach Einzelkomponenten ausgewiesen werden.
>> Auch Qualifikation und Unabhängigkeit von Aufsichtsräten stehen deshalb verstärkt im Fokus der Diskussion, weil das Thema über den Kodex auf die öffentliche Tagesordnung gesetzt wurde."
Cromme rechtfertigte hohe Managervergütungen, wenn sie der Leistung der Manager entsprächen:
"Die Frage der Managergehälter wird auch heute noch viel zu sehr unter dem Aspekt der absoluten Gehaltshöhe diskutiert. Das ist zu einseitig. Die Vergütungsdiskussion darf nicht nur an der Höhe, sondern muss ganz besonders an der Leistung ausgerichtet sein. Hohe Gehälter sind schließlich kein Problem an sich, solange das Management erfolgreich arbeitet und das Unternehmen profitabel führt. Hohe Gehälter werden dann ein Problem, wenn sie auch bei mangelnder Managementleistung, bei Misserfolg oder gar Scheitern bezahlt werden. Die Leistung ist der entscheidende Punkt, oder genauer gesagt eine angemessene Relation von Leistung und Vergütung."
Aufsichtsratsvorsitz kann heute nicht mehr als Nebenberuf ausgeübt werden
Zum Thema Aufsichtsrat sagte Cromme:
"Wenn ich gefragt werde, wer der 'Gralshüter' guter Corporate Governance in den Unternehmen ist, so ist die Antwort nach den bisherigen Ausführungen klar: Es ist der Aufsichtsrat. Das Versagen von Corporate Governance ist fast immer auch ein Versagen der Aufsichtsräte. Oft haben sie schlecht kontrolliert, oder sie haben den falschen Vorstand berufen.
Deshalb standen der Aufsichtsrat, seine Ausschüsse, seine Zusammenarbeit mit dem Vorstand, die Qualifikation und die Unabhängigkeit seiner Mitglieder immer im Mittelpunkt der Corporate-Governance-Diskussion. Seine fachliche und zeitliche Beanspruchung wächst, es ist ein hohes Maß an Professionalität gefordert. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass die Aufsichtsratstätigkeit mittlerweile besser und leistungsgerechter vergütet wird. Insbesondere ein Aufsichtsratsvorsitz kann heute nicht mehr als Nebenberuf ausgeübt werden."
Die Regierungskommission hat sich auch intensiv mit der Vorstandsarbeit befasst
Laut Cromme solle "das aktienrechtliche Prinzip der Gesamtverantwortung und Einstimmigkeit des Vorstands unter dem Gesichtspunkt aktueller Unternehmensführung angepasst werden".
"Der Kodex empfiehlt, dass eine Geschäftsordnung des Vorstands die Ressortzuständigkeit einzelner Vorstandsmitglieder und die dem Gesamtvorstand vorbehaltenen Angelegenheiten sowie die erforderlichen Beschlussmehrheiten für solche Vorstandsbeschlüsse klar regelt. Mit dieser Empfehlung aus dem Jahr 2007 trägt der Kodex einem weiteren Aspekt von Transparenz Rechnung. Auch die Verantwortung des Vorstands für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling sowie für die Compliance im Unternehmen wurde ausdrücklich betont."
Moral kann man nicht per Gesetz verordnen und auch nicht per Kodex
Cromme sieht durchaus die Problematik, dass die Managerriege in weiten Teilen der Bevölkerung einen Vertrauensverlust erlitten hat. Seine Erkenntnis:
"Moral kann man nicht per Gesetz verordnen, und auch nicht per Kodex. Fehlverhalten und Regelverstöße gibt es auch in der Wirtschaft immer wieder, aber die Einzelfälle dürfen nicht zu einer pauschalen Verurteilung der ganzen Berufsgruppe der Manager führen. Ob in mittelständischen oder in Großunternehmen, es gibt neben den wenigen "schwarzen Schafen" weit überwiegend sehr gute Manager. Und diese braucht die deutsche Wirtschaft ebenso wie gute Mitarbeiter."
Die Rede von Gerhard Cromme im Wortlaut erhalten sie hier.
(Deutscher Corporate Governance Kodex: ra)
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