Das Urteil wird für alle Beteiligten wegweisend


Ehemaliger Berliner Verfassungsgerichtshofpräsident Helge Sodan verfasst Klage und sieht sehr gute Chancen Zweckentfremdungsverbotsgesetz vor VerfGH Berlin zu Fall zu bringen
Zweckentfremdungsverbotsgesetz: Vermieter-Vereinigung von privaten Ferienwohnungen und Onlineportal Wimdu leiten Verfassungsklage gegen Stadt Berlin ein

(26.10.15) - Diese Meldung birgt einiges an Sprengkraft: Erstmals weltweit wird gegen eine staatliche Einschränkung der Sharing-Economy im Fall der Vermietung von privaten Ferienwohnungen offiziell Klage eingereicht. Stein des Anstoßes ist das sogenannte Zweckentfremdungsverbotsgesetz, das mit 1. Mai 2014 in Kraft trat und besagt, dass die Vermietung von Privatwohnungen in Berlin de facto nur mehr in Ausnahmefällen möglich sein soll. Ziel der Klage ist daher, dass dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird.

Vorgebracht wird die Klage einerseits von Mitgliedern der Apartment-Allianz – eine Vereinigung von mehr als 700 Gastgebern von Ferienwohnungen in Deutschland – sowie andererseits von dem Onlinevermittler von privaten Ferien-Apartments Wimdu. Arne Kahlke, Geschäftsführer von Wimdu, dazu: "Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, weil angesichts der fragwürdigen rechtlichen Lage immer mehr unserer Gastgeber an uns herangetreten sind. Wir haben uns daher jetzt entschlossen, sie in allen Belangen voll zu unterstützen. Umso mehr, weil erst diese Woche wieder eine völlig realitätsfremde Verschärfung des Gesetzes eingereicht wurde. Die Zeit ist jetzt reif, zu handeln."

Klage wird schon im November eingereicht
Die weitere Vorgangsweise, erklärt Peter Vida, Head of Legal des Online-Wohnungsvermittlers Wimdu: "Im ersten Schritt werden die Bezirksämter der klagenden und betroffenen Gastgeber verklagt, ehe der Gang zum Verwaltungsgerichtshof erfolgt. Ziel ist die Nichtandwendung der Bestimmung gerichtlich festlegen zu lassen. Hierzu sind Wimdu und die Apartement-Allianz bereit, bis vor den Verfassungsgerichtshof Berlin zu ziehen. Die Einreichung der Klage erfolgt noch im November. Vida abschließend dazu: "Das Urteil wird für alle Beteiligten wegweisend."

Ex-Präsident des Verfassungsgerichtshofs Berlin überzeugt, das Gesetz zu Fall zu bringen
Pikant: Die Klageschrift wird derzeit ausgerechnet vom ehemaligen Präsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, Prof. Dr. Helge Sodan, verfasst. Dieser sieht die Chancen, das Gesetz zu Fall zu bringen sehr gut: "Aus meiner Sicht ist das Berliner Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum eindeutig verfassungswidrig, unangemessen und für den Zweck schlicht nicht geeignet. In seiner derzeitigen Form ist das Gesetz nicht hinreichend durchdacht und weist gravierende Mängel auf. Hier wurde klar über das Ziel hinaus geschossen."

Fehlerhaftes Gesetz: Grundrechte von Eigentumsfreiheit bis Berufswahlfreiheit verletzt
Warum, liegt für Sodan, der im Laufe seiner siebenjährigen Karriere (2000-2007) als Präsident auf den Erfahrungsschatz von 1.300 Entscheidungen vor dem Verfassungsgerichtshof Berlin zurückgreifen kann, auf der Hand: "Neben etlichen Formalfehlern verletzt das Zweckentfremdungsverbot für mich unter anderem essentielle Grundrechte – durch den massiven Eingriff in die Eigentumsfreiheit der Vermieter und, speziell zu Lasten gewerblicher Vermieter, auch die Berufswahlfreiheit.

Ferienwohnungen machen weniger als 0,5 Prozent aller Haushalte in Berlin aus
Auch der eigentliche Beweggrund für die Installierung des Gesetzes, nämlich mangelnder Wohnraum, ist für Sodan mehr populistisch denn objektiv belegbar: "Einer Studie und auch nackten Zahlen zufolge macht der Anteil der potentiell rückführbaren Ferienwohnungen weniger als 0,5 Prozent des Berliner Gesamtwohnungsbestandes aus. Das Maß der schweren Belastungen, die die Vermieter von Ferienwohnungen durch das Zweckentfremdungsverbot treffen, steht in keinem vernünftigen Verhältnis zu den daraus der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen. Die Unzumutbarkeit ergibt sich speziell auch daraus, dass das Berliner Zweckentfremdungsrecht dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz zu Lasten betroffener Vermieter nicht hinreichend Rechnung trägt."

Tropfen auf dem heißen Stein: Ein Gesetz für einmalig 4.000 Wohnungen mehr am Wohnungsmarkt
Die faktischen Zahlen zur angeblichen Wohnraumverknappung durch Ferienwohnungen nüchtern betrachtet, unterstreicht die mangelhafte Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes: Wurden im Vorfeld des Gesetzes 25.000 Ferienwohnungen in Berlin kolportiert, ist jetzt im tatsächlichen Gesetz auch in Zukunft von nur mehr konstant 9.000 Ferienwohnungen in Berlin die Rede. Weniger als die Hälfte davon wäre hier überhaupt vom neuen Gesetz betroffen, das seine Wirksamkeit im April 2016 voll entfaltet. Das Gesamtvolumen von 9.000 macht bei knapp zwei Millionen Haushalten weniger als die schon erwähnten 0,5 Prozent aller Wohnungen und Häuser aus.

Die falsche Mär von Straßenzügen voller Ferienappartements in Kreuzberg, Prenzlauer Berg & Co.
Damit wird gleichzeitig auch der oft getätigte Vorwurf der Invasion der Koffertouristen in Trendvierteln wie Prenzlauer Berg, Kreuzberg oder Friedrichshain entkräftet, analysiert Kahlke: "Der Eindruck von ganzen Straßenzügen, die durch private Ferienwohnungen geprägt werden, ist eine Mär. Wir haben bei Wimdu auch in diesen besonders beliebten Vierteln nicht mehr als 300 Wohnungen. Im Vergleich zum gesamten Wohnungsangebot also ein absolutes Nischensegment. Hier wird bewusst mit Ängsten gespielt und ein Sündenbock gesucht, anstatt nüchterne Zahlen zu analysieren, die eine ganz andere Sprache sprechen."

Verfehlte Wohnpolitik als wahrer Grund für Wohnraumknappheit
Ziel des Zweckentfremdungsverbotes war und ist es vielmehr, so Wimdu-CEO Kahlke, die verfehlte Wohnpolitik zu kaschieren. "In Berlin fehlten derzeit 140.000 Wohnungen, bis 2020 steigt die Zahl um 20.000 pro Jahr auf 250.000. Wenn man hier einmalig 4.000 private Ferienwohnungen hernimmt, sind diese nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Wer glaubt, mit diesem Gesetz Entlastung am Wohnungsmarkt zu schaffen, sollte sich wirklich hinterfragen. Angesichts all dieser Zahlen kann sich jeder selbst ein Bild machen. Fakt ist, mit dem Zweckentfremdungsgesetz wird ein ganzer Berufszweig schikaniert und die Eigentumsfreiheit beschnitten."

Zweckentfremdungsverbotsgesetz erinnert mehr an Planwirtschaft
Wimdu-Head of Legal, Peter Vida fordert von der Politik daher endlich den nötigen Realismus: "Das Wachstum der Sharing Economy-Branche bei Privatunterkünften hat die Gesetzgebung überholt. Dieser enorme Trend hin zu privaten Ferienwohnungen ist nicht aufzuhalten und wird sich, ob die Stadt Berlin will oder nicht, weiter verstärken. Dieser Entwicklung muss man sich stellen, anstatt einen aufstrebenden Geschäftszweig mit fadenscheinigen Argumenten krampfhaft verbieten und verhindern zu wollen. Diese Vorgangsweise ist keine Lösung und erinnert angesichts von großem Angebot und großer Nachfrage mehr an planwirtschaftliche Methoden, denn an moderne Gesetzgebung. Hier wird am Bedarf vorbei agiert."

Berlin hinkt hinterher - London oder Amsterdam machen es mit zeitgemäßen Regeln vor
Gesetzlichen Rahmenbedingungen generell steht Wimdu-CEO Arne Kahlke mehr als offen gegenüber: "Klar, auch diese junge Branche braucht einen vernünftigen rechtlichen Rahmen. Einem solchen verschließen wir uns gar nicht. Ganz im Gegenteil, wir suchen den Dialog und sind jederzeit bereit, uns für konstruktive Lösungsansätze an einen Tisch zu setzen. Gefordert sind pragmatische, zeitgemäße Regeln, wie in anderen europäischen Metropolen gefunden wurden, und nicht fehlerhafte, wenig durchdachte Schnellschüsse wie das Zweckentfremdungsverbotsgesetz." So haben zum Beispiel Amsterdam oder Kopenhagen vor kurzem Gesetze verabschiedet, die das kurzfristige Vermieten über Onlineportale wie Wimdu besser regeln. In London etwa ist die Vermietung bis zu 90 Tage im Jahr ohne weitere Auflagen möglich, wird mehr vermietet ist ganz normal ein Gewerbe anzumelden.

Gesetzesverschärfungen dieser Woche von Schikane bis rechtlich unhaltbar
Gerade im Hinblick auf die diese Woche im Stadtsenat vorgelegte, weitere Verschärfung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes, die u. a. zweijährige Bearbeitungsfristen für die Genehmigung von Ferienwohnungen oder rechtlich sehr kritische Auskunftspflichten beinhaltet*, sieht Wimdus Head of Legal Peter Vida nun wirklich den Zeitpunkt gekommen, vor Gericht zu ziehen: "Der zuständige Senat bricht mit den geplanten Verschärfungen seine Zusagen aus der Zeit der Gesetzesverabschiedung. Zugleich manövriert er sich immer tiefer in eine verfassungsmäßig unhaltbare Regelung hinein. Dieses Gesetz ist verfassungswidrig und diese Tatsache werden wir jetzt hoffentlich vor Gericht endgültig klarstellen lassen." (Wimdu: ra)

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