Compliance in der Politik
Aus dem "Wulff-Skandal" müssten Konsequenzen gezogen werden: Transparency Deutschland fordert eine Integritätsoffensive der Politik
Jochen Bäumel: "Wir wollen unsere Politiker nicht mehr als Bittsteller bei Unternehmen sehen und wünschen uns ein stärkeres Selbstbewusstsein der Politik. Bettelbriefe sind ein Nährboden für Spezlwirtschaft"
(05.03.12) - Transparency International hat anlässlich des Rücktritts des Bundespräsidenten von den Parteien Konsequenzen gefordert und für eine "Integritätsoffensive der Politik" geworben. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, sagte: "Es wäre weder fair noch angemessen, alle Integritätshoffnungen allein auf den zukünftigen Bundespräsidenten zu projizieren. Integrität muss in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verankert sein. Die Parteien sind nach der Kandidatenkür jetzt aufgerufen, Konsequenzen aus dem Wulff-Skandal zu ziehen. Wir brauchen eine Integritätsoffensive der Politik, damit Vertrauen in Demokratie und Politiker zurückgewonnen werden kann".
Wesentliche Bestandteile einer Integritätsoffensive seien weitergehende Regelungen für Sponsoring von Parteien und Verwaltung, Transparenz- und Verhaltensregeln für Abgeordnete und eine Regulierung des Lobbyismus. Dazu gehöre auch das Eingeständnis, dass ein reiches Land wie Deutschland sich gelegentlich Veranstaltungen und Feste leisten können müsse, wie zum Beispiel das Sommerfest des Bundespräsidenten.
Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland, erklärte: "Wir wollen unsere Politiker nicht mehr als Bittsteller bei Unternehmen sehen und wünschen uns ein stärkeres Selbstbewusstsein der Politik. Bettelbriefe sind ein Nährboden für Spezlwirtschaft". In der vergangenen Woche hatte Klaus-Peter Müller, Vorsitzender der Corporate-Governance-Kommission der Bundesregierung, strengere Vorgaben für Zuwendungen an Politiker und Parteien gefordert und das Sponsoring staatlicher Veranstaltungen durch Unternehmen kritisiert.
Transparency Deutschland fordert konkret:
1) Parteien: Veröffentlichung aller Parteispenden ab 2.000 Euro; Regulierung des Parteisponsoring analog der Parteispenden
Aktuelle Sachlage: Parteienspenden werden nach §25, Abs. 3, des Parteiengesetzes erst ab einer Höhe von 10.000 Euro veröffentlicht. Parteisponsoring taucht nur unter dem Sammelposten "Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und Veröffentlichungen und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit" in den Rechenschaftsberichten der Parteien auf. Parteisponsoring kann von Unternehmen unbegrenzt als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt werden; bei Parteispenden ist das verboten. Parteisponsoring kann auch durch Unternehmen erfolgen, die sich zu mehr als 25 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand befinden; bei Parteispenden ist das verboten.
2) Abgeordnete: Verschärfung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung; Verbot von Spenden direkt an Abgeordnete; erweiterte Verhaltensregeln für Abgeordnete in Bezug auf Einladungen, Geschenke, Reisen und andere Zuwendungen; vollständige Offenlegung der Einnahmen aus Tätigkeiten neben dem Mandat für alle Abgeordnete in Vollzeitparlamenten.
Aktuelle Sachlage: Wegen der unzureichenden Regelung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung kann Deutschland seit Jahren nicht die UN-Konvention gegen Korruption ratifizieren, wie bereits über 150 Länder weltweit. Spenden an Abgeordnete, die nicht den Parteien zufließen, sind gesetzlich zulässig, müssen ab 5.000 Euro dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden und werden ab 10.000 Euro veröffentlicht. Keine Regeln gibt es zu der Art oder der Höhe nach unzulässigen Einladungen in den "Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages", die Anlage der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages sind. Nach §3 dieser Verhaltensregeln ist die Höhe der Nebentätigkeiten lediglich in drei Stufen (1.000 - 3.500 Euro; 3.500 - 7.000 Euro; über 7.000 Euro) zu veröffentlichen. Anwälte müssen die Namen ihrer Mandanten nicht offenlegen, auch wenn diese rein lobbyistisch beraten werden. Eine Veröffentlichung der Einnahmen aus Nebentätigkeiten gibt es in fast keinem Länderparlament.
3) Regierung und Verwaltung: Striktere Handhabung des Verwaltungssponsorings; Verbot des Sponsorings von Bundespräsidialamt, Bundesregierung und Landesregierungen; Veröffentlichung von jährlichen Sponsoringberichten im Bund und in allen Bundesländern; Einführung einer dreijährigen Karenzzeit für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre, wenn es einen Zusammenhang zwischen bisheriger und zukünftiger Tätigkeit gibt.
Aktuelle Sachlage: Das Sponsoring auf Bundesebene wird in der "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Leistungen Privater" geregelt. Dort heißt es, dass jeder Anschein fremder Einflussnahme vermieden werden müsse und über die Einwerbung und die Annahme von Sponsoringleistungen grundsätzlich restriktiv zu entscheiden sei. Auf der Basis der Verwaltungsvorschrift veröffentlicht der Bund alle zwei Jahre einen Sponsoringbericht. Das Land Niedersachsen veröffentlicht jährlich einen Sponsoringbericht. Das Land Baden-Württemberg veröffentlicht bisher seine Sponsoringberichte nicht. Regelungen für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre, die z.B. in die Wirtschaft wechseln, gibt es nicht. Hingegen gilt für Beamte des Bundes nach §105 des Bundesbeamtengesetzes, dass eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung für fünf Jahre nach Beendigung des Beamtenverhältnisses zu untersagen ist, wenn dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.
4) Lobbyisten: Einführung eines verbindlichen Lobbyistenregisters mit finanzieller Offenlegung und mit einem strengen Verhaltenskodex für Lobbyisten; Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte aller Mitglieder in parlaments-, regierungs- und verwaltungsberatenden Gremien; Einführung eines "legislativen Fußabdrucks", wonach alle beteiligten Akteure im Gesetzentwurf dokumentiert werden.
Aktuelle Sachlage: Seit dem Jahr 1972 gibt es beim Deutschen Bundestag eine "Öffentliche Liste über die beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertreter". Nur Verbände können sich eintragen; für Anwälte, Berater oder Unternehmenslobbyisten ist dies nicht möglich. Ein verbindlicher Verhaltenskodex für alle Lobbyisten existiert nicht. Es gibt keine Regelungen hinsichtlich der Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte bei politischen Beratungsgremien. Eine Dokumentation und Veröffentlichung beteiligter Akteure und ihrer Einlassungen im Gesetzgebungsprozess findet nicht statt.
(Transparency: ra)
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