Vorratsdatenspeicherung und Quick-Freezing


Zugriff auf Vorratsdaten auch bei schweren Straftaten seien nur bei Speicherungspflicht möglich
Merk: "Frau Leutheusser-Schnarrenberger übersieht, dass wir dort nichts holen können, wo nichts ist" - Aussagen der Bundesjustizministerin seien "realitätsfremd"

(18.10.10) - Bayerns Justiz- und Verbraucherministerin Dr. Beate Merk zeigt sich irritiert über die Aussage der Bundesjustizministerin, die Ermittlungsbehörden könnten gerade bei schweren Straftaten auch nach dem Urteil aus Karlsruhe auf Telekommunikationsdaten zugreifen und zwar auch im Falle von so genannten Internet-Flatrates.

Merk sagte:
"Frau Leutheusser-Schnarrenberger übersieht, dass wir dort nichts holen können, wo nichts ist. Ein Zugriff auf Verkehrsdaten geht doch ins Leere, wenn diese Daten gar nicht gespeichert sind. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 sind die Diensteanbieter und Netzbetreiber mangels gesetzlicher Grundlage dazu nicht mehr verpflichtet. Damit ist es nur vom Zufall abhängig, ob diese Daten gespeichert werden. Die Sicherheit unserer Bevölkerung und die Bekämpfung der Kriminalität dürfen aber nicht vom Zufall abhängig sein. Deutschland ist schließlich ein Rechtsstaat."

Die Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaften gehen bei Diensteanbietern und Netzbetreibern häufig ins Leere. Zahlreiche Netzbetreiber / Diensteanbieter speichern die Verkehrsdaten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr. Bei Internet-Flatrates besteht im übrigen auf der Basis der datenschutzrechtlichen Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes grundsätzlich auch nur eine Speicherbefugnis von sieben Tagen.

Merk forderte:
"Wir brauchen daher dringend eine neue gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung. Denn nur eine Verpflichtung der Anbieter zur Speicherung der Verkehrsdaten ermöglicht einen Zugriff auf die Verkehrsdaten von Straftätern. Täter, die sich die Anonymität des Internets zunutze machen, können wir ohne Speicherungspflicht nicht ermitteln. Damit fehlt bei der Bekämpfung von Kinderpornografie ein wirksames Instrument. Denn nur bei einer Speicherung können wir dynamische IP-Adressen dem Inhaber des Anschlusses, von dem aus Straftaten begangen werden, zuordnen."

Merk weiter sagte weiter:
"Mir ist auch nicht klar, warum die Bundesjustizministerin jetzt mit dem Kompromissvorschlag eines Quick-Freeze-Verfahrens kommt. Dass dieses Verfahren keine sachgerechte Alternative ist, hat im Übrigen schon das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der genannten Entscheidung ausdrücklich festgestellt. (*)
Denn auch damit können keine Daten erfasst werden, die von den Netzbetreibern/Diensteanbietern nicht gespeichert sind. Was nicht gespeichert ist, kann auch nicht im Wege des Quick-Freeze gesichert werden."

(*) vgl. BVerfG vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. - (Rn. 208):
"Der Gesetzgeber darf eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten auch als erforderlich beurteilen. Weniger einschneidende Mittel, die ebenso weit reichende Aufklärungsmaßnahmen ermöglichen, sind nicht ersichtlich. Eine vergleichbar effektive Aufklärungsmöglichkeit liegt insbesondere nicht im sogenannten Quick-Freezing-Verfahren, bei dem an die Stelle der anlasslos-generellen Speicherung der Telekommunikationsdaten eine Speicherung nur im Einzelfall und erst zu dem Zeitpunkt angeordnet wird, zu dem dazu etwa wegen eines bestimmten Tatverdachts konkreter Anlass besteht. Ein solches Verfahren, das Daten aus der Zeit vor der Anordnung ihrer Speicherung nur erfassen kann, soweit sie noch vorhanden sind, ist nicht ebenso wirksam wie eine kontinuierliche Speicherung, die das Vorhandensein eines vollständigen Datenbestandes für die letzten sechs Monate gewährleistet."
(Bayerisches Justizministerium: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Künstliche Intelligenz: Was für Unternehmen gilt

    Seit Sonntag, 2. Februar 2025 sind weitere Regelungen der europäischen KI-Verordnung (AI Act) in Kraft. Dabei handelt es sich zum einen um Verbote von bestimmten KI-Praktiken wie Social-Scoring-Systemen, manipulative KI-Techniken oder Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Zum anderen greifen Vorgaben für KI-Kompetenzanforderungen von Beschäftigten.

  • AI Act: Doppelarbeit & Unsicherheiten vermeiden

    Ab dem 2. Februar 2025 verbietet der AI Act Manipulation durch KI, Social Scoring und biometrische Fernidentifikation in Echtzeit - ein entscheidender Schritt für Ethik und Verbraucherschutz. Die EU setzt damit ein klares Zeichen für einen einheitlichen Rechtsrahmen, der auf Ethik, Diversität und Datensicherheit basiert.

  • EU AI Act setzt weltweit Maßstäbe

    Anlässlich des Europäischen Datenschutztags am 28. Januar 2025 betonte der BvD-Ausschuss Künstliche Intelligenz die Bedeutung des EU AI Acts als wegweisende Regulierung für den verantwortungsvollen Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI).

  • Auswirkungen von Risk Exposure auf Compliance

    Mit der DSGVO, DORA und der derzeit in der Luft hängenden NIS2 werden immer mehr Vorschriften und Richtlinien eingeführt, die Unternehmen beachten müssen. Dies hat dazu geführt, dass einige Unternehmen der Meinung sind, dass die Einhaltung der Vorschriften eher eine Belastung als ein Anfang zur Verbesserung ihrer Sicherheitsmaßnahmen ist.

  • NIS2-Umsetzung nicht vor Herbst 2025?

    Gegen Deutschland wurde wegen bisher nicht erfolgten Umsetzung der NIS2-Richtlinie sowie der Richtlinie über die Resilienz kritischer Infrastrukturen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Angesichts der Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess in den vergangenen Jahren kommt das nicht wirklich überraschend - ist doch inzwischen mit einer NIS2-Umsetzung nicht vor Herbst nächsten Jahres zu rechnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen