Das Ende des Safe-Harbor-Abkommens
Kritiker in der EU waren von Anfang an der Meinung, dass sich die EU-Kommission mit dem Safe-Harbor-Pakt zu sehr den USA beugt
Safe Harbor: US-amerikanische Unternehmen erklären sich einverstanden, die sieben Safe-Harbor-Prinzipien einzuhalten (Informationspflicht, Wahlmöglichkeit, Weitergabe, Zugangsrecht, Sicherheit, Datenintegrität und Durchsetzung), die in etwa den Grundprinzipien der EU-Datenschutzrichtlinie entsprechen
Von David Lin, Varonis
(11.12.15) - Haben Sie schon einmal vom Safe-Harbor-Abkommen zwischen der EU und den USA gehört? Ich meine, bevor Sie die ganzen beängstigenden Schlagzeilen gelesen haben... Das dachte ich mir... Das hier ist einer der seltenen Fälle, in denen mir Nachforschungen zu den schier undurchschaubaren Bereichen internationaler Datenschutzgesetze geholfen haben, ein großes Medienthema zu verstehen. Ich habe mich vor einigen Jahren mit Safe Harbor beschäftigt, also lange bevor es auf den Titelseiten landete.
Seltsam, aber wahr: Fakten zum Safe-Harbor-Abkommen
Sicher erinnern Sie sich an die EU-Datenschutzrichtlinie, über die wir schon häufiger in unserem Blog berichtet haben. Das Gesetz aus dem Jahr 1995 regelt den Schutz der Privatsphäre von Verbrauchern bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Diese Datenschutzrichtlinie ist der Grund, warum die USA überhaupt ein Safe-Harbor-Abkommen brauchten.
Als die Regulierung der Verbraucherdaten in der EU beschlossen wurde, stand gleichzeitig ein anderes Problem im Raum. Was passiert, wenn ein für die Verarbeitung Verantwortlicher in der EU – also eine Organisation, die Daten sammelt – diese personenbezogenen Daten in ein anderes Land überträgt, wo weniger strenge Datenschutzgesetze gelten?
Das betraf hauptsächlich in der EU tätige multinationale Konzerne, die Daten in die USA oder andere Länder weiterleiten wollten.
Die EU sah sich deshalb gezwungen, eine Regelung zu finden – wer will, kann dazu Kapitel IV der Datenschutzrichtlinie lesen –, um zu verhindern, dass diese Unternehmen das Gesetz einfach umgehen. Die EU-Regulierungsbehörden legten also fest, dass Daten nur in solche "Drittländer" übertragen werden dürfen, die "ein angemessenes Schutzniveau gewährleisten".
Wenig überraschend, dass die USA die hohen Anforderungen der europäischen Datensicherheitsstandards nicht erfüllt haben.
Ebenso wenig überraschend ist allerdings, dass für die USA eine Ausnahme gemacht wurde. In Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Handelsministerium (Department of Commerce) erarbeitete die EU-Kommission das so genannte Safe-Harbor-Abkommen.
Hier die wichtigsten Punkte des Abkommens, das 1998 in den USA implementiert und im Jahr 2000 durch die EU bestätigt worden ist:
>> US-amerikanische Unternehmen erklären sich einverstanden, die sieben Safe-Harbor-Prinzipien einzuhalten (Informationspflicht, Wahlmöglichkeit, Weitergabe, Zugangsrecht, Sicherheit, Datenintegrität und Durchsetzung), die in etwa den Grundprinzipien der EU-Datenschutzrichtlinie entsprechen.
>> US-amerikanische Unternehmen haben dabei die Möglichkeit zur "Selbst-Zertifizierung". Dafür senden sie einfach jedes Jahr einen Standardbrief an das US-Handelsministerium. Anschließend erhalten sie ein entsprechendes Emblem (siehe Abbildung oben).
>> US-amerikanische Unternehmen verpflichten sich, Mechanismen zur Streitschlichtung einzuführen um Beschwerden zu bearbeiten.
>> Für die Umsetzung des Abkommens auf US-Seite ist die Federal Trade Commission zuständig, da sie am ehesten einer EU-Datenschutzbehörde entspricht.
>> Das Safe-Harbor-Abkommen ist zugegebenermaßen ein seltsames Konstrukt. Die USA sind das einzige Land der Erde, das einen Test mit einer Leistung bestand, mit der jedes andere Land durchgefallen wäre – nämlich mit unzureichenden nationalen Datenschutzgesetzen und Praktiken zu ihrer Durchsetzung.
Ach ja, und noch etwas: Das Safe-Harbor-Programm ist vollkommen freiwillig! Solange Niederlassungen von US-Unternehmen irgendeinen Standardvermerk in ihren Verträgen mit Datenverarbeitern verwenden, können sie Daten legal in die USA übermitteln. Normalerweise werden Beschwerden gegen sie in der EU bearbeitet. Die rund 4.000 US-Firmen, die sich für das Safe-Harbor-Programm registriert haben (siehe diese Liste) haben den Vorteil, dass Rechtsstreitigkeiten vor einem US-amerikanischen Gericht verhandelt werden.
Im Laufe der Jahre hat die EU der Federal Trade Commission vorgeworfen das Abkommen nicht ausreichend umzusetzen. Kritiker in der EU waren von Anfang an der Meinung, dass sich die EU-Kommission mit dem Safe-Harbor-Pakt zu sehr den USA beugt.
Alles hat ein Ende
Anfang Oktober erklärte der Europäische Gerichtshof die Safe-Harbor-Regelung für ungültig. Grund war die Klage des österreichischen Jurastudenten Maximilian Schrems gegen Facebook.
Aufgrund der Enthüllungen von Edward Snowden war Schrems der Meinung, dass seine in die USA weitergeleiteten Facebook-Daten von der NSA gelesen werden könnten und dies gegen EU-Datenschutzgesetze verstoße.
Der Fall ging bis zum Europäischen Gerichtshof. Nach Ansicht der Richter ist das Safe-Harbor-Abkommen aufgrund der nicht ausreichend strengen Datenschutzgesetze in den USA unzureichend.
Anwaltskanzleien geben unterschiedliche Einschätzungen dazu ab, was Firmen, die am Safe-Harbor-Programm teilnehmen, tun können, um die europäische Datenschutzrichtlinie weiterhin einzuhalten.
Die Medien haben die Schlagzeile, dass der Safe-Harbor-Pakt gekippt wurde, jedoch maßlos aufgebauscht. Es war von Anfang an kein wirklich überzeugendes oder effektives Programm. Wir werden es nicht vermissen – außer Sie sind ein großes US-amerikanisches Social-Media-Unternehmen.
Auf EU-Datenschutzrecht spezialisierte Anwälte haben mir erklärt, dass es ein viel wichtigeres Compliance-Problem im Zusammenhang mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung der EU gibt, die voraussichtlich 2017 in Kraft treten wird. Vergessen Sie Safe Harbor! Schnee von gestern. Konzentrieren Sie sich lieber auf das Konzept der "Extraterritorialität" in der neuen Regelung. (Varonis: ra)
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