Aut idem und Non-Compliance-Gefahr
Arzneimittelrabattverträge: Hoher Beratungsaufwand rechtfertige Senkung des Kassenabschlags
Ärzte würden von den Kassen bedrängt, keine Aut-idem-Kreuze zu setzen
(22.03.10) - Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) würde den Kassenabschlag gern per Gesetz auf 2,30 Euro festlegen lassen. Denn der Beratungsaufwand durch die Rabattverträge sei rückläufig und die Akzeptanz bei den Patienten groß, so vdek-Chef Thomas Ballast im Onlineportal Apotheke adhoc. Die Apothekengewerkschaft "Adexa" hat unter den aktiven Mitgliedern eine Umfrage durchgeführt, die zu einer ganz anderen Bewertung kommt.
Der Aufwand ist nach wie vor sehr hoch, so die einhellige Meinung – dafür sorgen unter anderem laufende Änderungen und neue Verträge. Die Ärzte, so eine Approbierte aus Baden-Württemberg, würden von den Kassen bedrängt, keine Aut-idem-Kreuze zu setzen, und von den einzelnen Pharmafirmen, dies doch zu tun.
"Die Folge: Mal Kreuze, mal keine - und wir in der Apotheke müssen es erklären bzw. mit der Praxis telefonieren." Der Begriff "aut idem" ("oder ein gleiches") ist ein medizinisch/pharmazeutischer Fachausdruck. Er berechtigt den Apotheker, ein wirkstoffgleiches Arzneimittel entsprechend definierter Bedingungen auszuhändigen.
Bei Lieferschwierigkeiten reicht das Spektrum von "täglich" bis "zweimal wöchentlich". Vor Weihnachten gab es eine besondere Häufung. Wenn sich durch Fusionen von Krankenkassen die Rabattpartner änderten, gäbe es bei den neuen Rabattpartnern besonders häufig Lieferschwierigkeiten. Insgesamt werde es dadurch immer schwieriger mit der Lagerhaltung, und Arzneimittel müssten sehr oft neu bestellt werden, so eine Pharmazieingenieurin aus Chemnitz.
Rückfragen bei Ärzten erfolgen in manchen Apotheken im Schnitt zweimal wöchentlich, in anderen ist mehrmals täglich ein Anruf bei Arztpraxen nötig. Die Telefonate sind aber "leider zu selten erfolgreich, da die meisten Ärzte von ihrem Recht auf das Aut-idem-Kreuz keinen Gebrauch machen, weil sie irrtümlicherweise dadurch Komplikationen befürchten", so eine Approbierte aus Dortmund.
Meistens werde gleich am Empfang versucht, den Anruf abzuwimmeln oder gesagt, dass grundsätzlich kein "Kreuz" gemacht werde. Dabei werden die Aut-idem-Kreuze vom Apothekenpersonal "geliebt", heißt es aus Bremen, im Gegensatz zu den "verhassten" Hilfsmittelrezepten.
Rückfragen von Apothekenmitarbeitern bei den Kassen sind im Zusammenhang mit den Rabattverträgen eher selten – anders ist das bei Zuzahlungen und vor allem beim Thema Hilfsmittellieferverträge, wo es derzeit häufiger zu Rückfragen kommt. Allerdings würde etwa jeder zehnte Patient wegen der Austauschmedikation mit seiner Kasse telefonieren, so eine PTA aus Hessen.
Der Beratungsaufwand ist deutlich erhöht, gerade bei älteren, multimorbiden Patienten und bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Nicht selten wechseln Ärzte das verschriebene Präparat, ohne dem Patienten etwas zu sagen. Die Aufklärung findet dann in der Apotheke statt.
Probleme mit der Compliance werden im Kundengespräch nach wie vor mehrmals täglich deutlich – hier gibt es sogar eine Zunahme, berichten die Aktiven aus Bremen. "Patienten trauen den "anderen" Arzneimitteln nicht und nehmen sie oft nicht aus Angst vor Nebenwirkungen. Oder sie nehmen von der alten Schachtel und von der neuen, weil sie nicht mehr wissen, dass es das gleiche ist. Teilweise sind die Namen auch sehr verschieden, da es inzwischen auch Rabattverträge mit Originalherstellern gibt."
Fazit einer Approbierten: "Die Belieferung eines Rezeptes dauert seit den Rabattverträgen deutlich länger. Die Diskussion über Firmen und Kreuze ist oft für die Patienten so lästig, dass sie für die Anwendungshinweise oder Dosierungen gar kein offenes Ohr mehr haben. Sie wollen dann nur noch weg." Ein anderes Mitglied zieht folgendes Resümee: "Als Apothekerin fühle ich mich in der Ausübung meines Heilberufs eingeschränkt und diskriminiert."
"Man verbringt zu viel Zeit mit dem Computer, zu wenig mit dem Patienten", schreibt eine bayerische Approbierte. "Der Personalbedarf muss endlich dem Mehraufwand angepasst werden, und der ist nach wie vor immens. Mit einer Absenkung des Kassenabschlags um 60 Cent pro Verordnung wäre das möglich – zum Wohle der Patienten", heißt es aus der Landesgruppe Bremen.
Entgegen der vdek-Meinung gibt es in den Apotheken also noch keine Entwarnung, was die Rabattverträge angeht. Sowohl die Patienten als auch die Apothekenangestellten sind nach wie vor genervt. Und für den Erfolg der Arzneimitteltherapie bedeutet der Austausch häufig ein Risiko. Das hat auch eine Studie des Marktforschungsunternehmens IMS Health im Auftrag des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) ergeben. (Adexa: ra)
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