EU stärkt Recht auf Unschuldsvermutung
Mindestvorschriften sollen eine bessere Beachtung des Rechts auf ein faires Strafverfahren sicherstellen
Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass Verdächtige und beschuldigte Personen im Falle einer Verletzung ihrer in der Richtlinie festgelegten Rechte über einen wirksamen Rechtsbehelf verfügen
(17.03.16) - Der Rat der Europäischen Union hat eine Richtlinie zur Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren angenommen. Sie enthält Mindestvorschriften, die eine bessere Beachtung des Rechts auf ein faires Strafverfahren sicherstellen sollen. Die Richtlinie ergänzt somit den geltenden Rechtsrahmen, nämlich die Europäische Menschenrechtskonvention und die Grundrechtecharta. Sie soll bewirken, dass die Justizbehörden der Mitgliedstaaten einander stärker vertrauen, und auf diese Weise die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen in Strafsachen erleichtern.
Nach der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Verdächtige und beschuldigte Personen als unschuldig gelten, bis ihre Schuld rechtsförmlich nachgewiesen wurde. In Verbindung mit diesem Grundsatz sollen zwei weitere Rechte garantiert werden: das Aussageverweigerungsrecht und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Zudem haben sich die Mitgliedstaaten an Folgendes zu halten: Verdächtige und beschuldigte Personen dürfen vor Verkündung des endgültigen Urteils nicht durch den Einsatz von physischen Zwangsmaßnahmen so dargestellt werden, als seien sie schuldig, und die Beweislast liegt bei der Strafverfolgungsbehörde, wobei begründete Zweifel an der Schuld dem Beschuldigten zugute kommen müssen. Die Richtlinie regelt überdies das Recht, in der Verhandlung anwesend zu sein.
Des Weiteren müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Verdächtige und beschuldigte Personen im Falle einer Verletzung ihrer in der Richtlinie festgelegten Rechte über einen wirksamen Rechtsbehelf verfügen.
Nach Veröffentlichung der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um entsprechende Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen.
Hintergrundinformationen
Die Kommission hat ihren Vorschlag am 27. November 2013 unterbreitet. Dieser war Teil eines ganzen Pakets, das die Kommission damals vorlegte und das zudem folgende Texte umfasste:
>> einen Vorschlag für eine Richtlinie über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder,
>> einen Vorschlag für eine Richtlinie über das Recht auf vorläufige Prozesskostenhilfe für Bürger, die einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden, und für diejenigen, gegen die ein Europäischer Haftbefehl erlassen wurde,
>> eine Empfehlung über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen sowie
>> eine Empfehlung zum Recht auf Prozesskostenhilfe in Strafverfahren für Verdächtige oder Beschuldigte.
Maßgeblich für die Arbeiten, die seit 2009 in der Europäischen Union stattgefunden haben, um die Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren zu stärken, ist der Fahrplan, den der Rat am 30. November 2009 verabschiedet hat. Es handelt sich um einen Stufenplan für die Einführung eines umfassenden Katalogs von Verfahrensrechten für Verdächtige oder Beschuldigte in Strafverfahren. Der Europäische Rat hatte ihn in das Stockholmer Programm aufgenommen, das ausdrücklich eine Maßnahme zur Gewährleistung der Unschuldsvermutung vorsieht.
Drei Maßnahmen sind bereits auf Grundlage des Fahrplans verabschiedet worden: die Richtlinie 2010/64/EU über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren, die Richtlinie 2012/13/EU über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren und die Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs.
Im Dezember 2015 haben Rat und Europäisches Parlament eine Einigung über den Vorschlag für eine Richtlinie über Verfahrensgarantien für Kinder erzielt. Derzeit wird der Text von den Rechts- und Sprachsachverständigen überarbeitet. Er soll demnächst förmlich verabschiedet werden. (Rat der Europäischen Union: ra)
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