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Risikofeld: Compliance-Probleme der Zulieferer


Sicherstellung der Transparenz und Compliance innerhalb des Zuliefernetzwerks
Je nach Branche finden heute zwischen 20 und 80 Prozent der Wertschöpfung außerhalb der Unternehmensgrenzen statt

Autor Jürgen Kunz
Autor Jürgen Kunz Ein Code of Conduct für Zulieferer, der rechtliche Risiken mit Geschäftspartner verhindert und Standards entlang der gesamten Lieferkette schafft, ist ein zentrales Instrument, Bild: KPMG

Von Jürgen Kunz, Partner und Sven T. Marlinghaus, Partner und Head of Supply Chain Management & Procurement Germany, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

(07.01.14) - Mit geringer werdender Wertschöpfungstiefe verändert sich auch die Perspektive auf die Themen Risikomanagement und Compliance. Der Blick muss über die Unternehmensgrenzen gerichtet werden und entsprechende Systeme und Prozesse so ausgerichtet sein, dass sie das gesamte Zuliefernetzwerk im Auge behalten. Ansonsten sind schwerwiegende straf- und zivilrechtliche Konsequenzen sowie Reputationsschäden die Folge.

Das Prinzip der Zurechnung, bei dem ein Unternehmen für Verstöße seiner Zulieferer haftet, setzt sich weltweit immer stärker durch. Beispiele dafür sind Börsenregelungen wie die LBMA (London Bullion Market Association), das Antikorruptionsgesetz UK Bribery Act, und der US Dodd-Frank-Act, der alle an die SEC (US-Börsenaufsicht) berichtenden Unternehmen verpflichtet, detailliert Rechenschaft über die Verwendung und Herkunft sogenannter Konfliktmineralien abzulegen. Auch Änderungen des Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) sowie neue und veränderte branchenspezifische Gesetze und Kodizes lassen ähnliche Entwicklungen erwarten. Parallel dazu verändert sich auch die Wahrnehmung der Öffentlichkeit: Insbesondere ökologische, ethische und arbeitsrechtliche Verstöße der Zulieferer können zu massiven Reputationsverlusten der Unternehmen führen, wie jüngst die Katastrophe in den Textilfabriken in Bangladesch gezeigt hat.

In der Konsequenz beurteilen auch Investoren und Analysten Unternehmen nicht länger allein anhand ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und der internen Compliance-Systeme, sondern auch im Hinblick auf die Effizienz und Effektivität der auf die Supply Chain ausgerichteten Kontrollmechanismen, die häufig erhebliche Schwächen aufweisen. Zielführende Ansätze und effektive Lösungen für diese Herausforderungen sind oftmals im Management der Wertströme vorhanden – in der Regel aber nicht mit betroffenen Funktionen wie Risk, Legal oder Finance & Accounting vernetzt.

Compliance jenseits der Unternehmensgrenzen
Je nach Branche finden heute zwischen 20 und 80 Prozent der Wertschöpfung außerhalb der Unternehmensgrenzen statt. Dennoch fokussieren sich die Monitoring- und Kontrollsysteme nach wie vor sehr stark auf das eigene Unternehmen und weisen teilweise signifikante Schwachstellen im Hinblick auf die Sicherstellung der Transparenz und Compliance innerhalb des Zuliefernetzwerks. Dem Einkauf und der Logistik kommt daher als Schnittstelle zur Lieferantenseite des externen Wertschöpfungsnetzwerks eine besondere Bedeutung zu. Unkenntnis und Gleichgültigkeit gegenüber Lieferanten, der Herkunft von Produkten sowie gegenüber den immer komplexeren Produktionsbedingungen in der Supply Chain sind heute nicht mehr vertretbar. Deshalb ist es wichtig, die notwendigen Kompetenzen und die Compliance-Strategie abteilungsübergreifend und bezogen auf alle Standorte zu verzahnen. Der Einkauf muss sich dabei mit Fragen zur Transparenz des Beschaffungsprozesses, Vorgaben zur Lieferantenauswahl und aktuellen rechtlichen Vorgaben in Musterverträgen (z.B. Anti-Korruptionsklauseln) beschäftigen, ebenso einen standardisieren Prozess zur Auftragsvergabe, Kontrolle von Rechnungen und zur Freigabe von Zahlungen sicherstellen.

Ein Code of Conduct für Zulieferer, der rechtliche Risiken mit Geschäftspartner verhindert und Standards entlang der gesamten Lieferkette schafft, ist dabei ein zentrales Instrument. Darin sollten alle wichtigen Klauseln, beispielsweise zur Vermeidung von Kinderarbeit, oder zum Umweltschutz enthalten sein, zu deren Einhaltung sich die Lieferanten vertraglich verpflichten. Zudem sollte ein solches Regelwerk Maßgaben zur Selbstüberprüfung des Lieferanten zur Einhaltung der Klauseln einfordern. Da Papier jedoch bekanntlich geduldig ist, sollten beide Seiten den Code of Conduct als rechtlich bindendes Dokument ernst nehmen. Dazu sollten sie festhalten, dass der Kunde die Einhaltung der Vorgaben überprüfen darf und im Falle von Verstößen ein Kündigungsrecht besitzt. Haben beide Parteien eigene Compliance-Kodizes, die sie um jeden Preis durchsetzen wollen, sind Konflikte vorprogrammiert. Diese lassen sich allerdings z.B. mit den vom BDI oder BME entwickelten Formulierungshilfen für eine gegenseitige Anerkennung von Verhaltenskodizes lösen oder von vornherein vermeiden.

Bei alledem sollte immer die partnerschaftliche Beziehung zum Lieferanten im Vordergrund stehen – keinesfalls darf der Eindruck entstehen, dass Überprüfungen dem Ausspähen von Informationen dienen. Wichtig ist auch, alle Geschäftspartner ausreichend über die Compliance-Vorgaben zu informieren. Dies kann über Informationsmaterialien und/oder entsprechender Informationen im Internet geschehen. Zusätzlich sind präventive Compliance-Schulungsmaßnahmen sinnvoll. Diese können als Online-Training oder Präsenzschulung gestaltet sein.

Autor Sven T. Marlinghaus
Autor Sven T. Marlinghaus Das Compliance-Management-System: Um den entstanden Verpflichtungen und Risiken in der Wertschöpfungskette gerecht zu werden, bedarf es entsprechender Organisationsstrukturen und Maßnahmen, Bild: KPMG


Das Compliance-Management-System
Um den entstanden Verpflichtungen und Risiken in der Wertschöpfungskette gerecht zu werden, bedarf es entsprechender Organisationsstrukturen und Maßnahmen. Durch ein wirksames Compliance-Management-System (CMS) wird den Anforderungen Rechnung getragen. Es identifiziert neue Risiken aus aufgedeckten Schwachstellen und überwacht bzw. verbessert permanent alle Compliance-Maßnahmen.

Folgende Ziele sollte ein CMS verfolgen:

• Orientierungs-, Sicherheits- und Beratungsfunktion
Klare Strukturen und Prozessen schaffen, die das rechts- und regelkonforme Verhalten aller Mitarbeiter fördern und ermöglichen; insbesondere Sicherheit in einem immer komplexeren Regelungsumfeld erzeugen

• Proaktive Risikosteuerung
Erkennen, managen und überwachen von Compliance-Risiken; insbesondere Compliance-Verstöße aufdecken und vorab definierte Maßnahmen nachverfolgen

• Schutzfunktion
Folgen von Non-Compliance für Unternehmen und Organe reduzieren und vermeiden, insbesondere wirtschaftlich schädigende Handlungen, zivil- und strafrechtliche Konsequenzen, finanzielle Schäden und Reputationsschäden

• Effizienzsteigerung
Bereits bestehende Compliance-"Inseln" identifizieren und koordinieren

• Reputationsfunktion
Compliance Management kann das Vertrauen der Geschäftspartner, der Öffentlichkeit und sonstiger Stakeholder sichern

Die Maßnahmen des Compliance-Programms dienen sowohl der Prävention als auch zur Aufdeckung von Fehlverhalten und Schwachstellen. Sie sind auf die Verhinderung von Regelverstößen gerichtet und erkennen etwa durch Einrichten eines Hinweisgeberverfahrens potentielle Compliance-Verstöße und reagieren auf erkannte Risiken und Verstöße. Darüber hinaus kann ein wirksames Compliance-Programm zu einer adäquaten Kommunikation an die zuständigen internen und externen Stellen beitragen und eine Ursachenanalyse ermöglichen.

Ein zukunftsweisendes und Sicherheit bietendes Compliance-System ist jedoch nicht allein darauf ausgelegt, Anforderungen und Regularien zu verschriftlichen: Denn einerseits geht es darum, unternehmens- und abteilungsübergreifende Prozesse und Strukturen zu etablieren und ein gemeinsames Verständnis für das Thema zu entwickeln. Dabei sind auch der Einsatz übergeordneter IT-gestützter Compliance-Tools und die Zentralisierung des Compliance-Management der Tochtergesellschaften von großer Relevanz.

Andererseits muss sichergestellt werden, dass die eigenen Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Compliance des Zuliefernetzwerks voll erfüllt ist, wofür die Unterschrift des Zulieferers unter entsprechenden Vereinbarungen und Dokumenten nicht ausreichend ist. Eine nachhaltige Lösung bietet eine umfassende und testierte Prüfung des Compliance Management-Systems (CMS) des Zulieferers durch externe Experten. Hierfür bietet beispielsweise der in 2011 vom Institut der Wirtschaftsprüfer veröffentlichte, branchenunabhängige Prüfungsstandard (PS) 980 die Grundlage, indem es die Bestandteile eines CMS sowie ein Rahmenwerk für dessen Prüfung definiert.

Von Compliance- zu Performancemanagement
Die kritische Rolle eines die gesamte Wertschöpfungskette fokussierenden Compliance Managements hat auch Implikationen für das übergeordnete Performance Management des Unternehmens und insbesondere für die Gestaltung globaler Wertschöpfungsnetzwerke: So werden etwa die Kosten für das Compliance-Monitoring und die zunehmenden Auswirkungen von Compliance-Risiken zu wesentlichen Faktoren bei einer Total-Cost-Betrachtung des Supplier Networks. Die Entwicklung und Implementierung integrierter Performance Managementsysteme, die alle aus der Compliance-Perspektive relevanten Faktoren berücksichtigen, werden deshalb in den kommenden Jahren zu den wichtigsten Aufgaben der Einkaufs- und Supply Chain Management-Abteilungen gehören. (KPMG: ra)

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