Unternehmensübernahmen & Goodwill


Studie: Erstmals rückläufiger Goodwill börsennotierter Unternehmen in Deutschland
Rückgang nur teilweise durch Abschreibungen begründet



Zum ersten Mal seit 2004 ist der Gesamtbetrag des von deutschen börsennotierten Unternehmen ausgewiesenen Goodwill im Jahr 2017 um 11 Mrd. auf 363 Mrd. Euro gefallen. Seitdem 2004 die planmäßige Abschreibung des Goodwill abgeschafft wurde, ist dieser bis 2016 stetig von 143 Mrd. auf 374 Mrd. Euro gestiegen. Lediglich 4,8 Mrd. Euro dieses Rückgangs sind Folge von Wertberichtigungen wegen unzureichender Ertragskraft der Bilanzierer. Größere Bedeutung hatten hingegen Wechselkursveränderungen, welche sich im aus Auslandsinvestments entstandenen Goodwill auswirken. Insbesondere die 15-prozentige Abwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro im Laufe des Jahres 2017 führte zu einem Abschmelzen des Goodwill deutscher US-Investitionen, so beispielsweise bei SAP um 2,2 Mrd. und bei Merck um 1,4 Mrd. Euro.

Goodwill entsteht bei Unternehmensübernahmen als Differenzbetrag aus Kaufpreis und Zeitwert des erworbenen Nettovermögens. Ursächlich schlug sich somit auch die Zurückhaltung deutscher Unternehmen bei Mergers & Acquisitions im Jahr 2017, insbesondere das Ausbleiben großer Akquisitionen, in einem entsprechend geringen Zugang von Goodwill nieder. "2018 zeigt wieder zunehmende M&A-Aktivitäten, und insgesamt ist der Rückgang des Goodwill 2017 keinesfalls als Umkehr des bisherigen Trends zu interpretieren", so Hartmut Paulus, Partner und Leiter des Bereichs Corporate Finance bei BDO in Deutschland.

Goodwill in Relation zu Börsenwert der Unternehmen auf historisch niedrigem Niveau
Relativ zur Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen war das Goodwill-Niveau Ende 2017 mit 9,6 Prozent sogar niedriger als 2004, dem Jahr der Abschaffung der planmäßigen Abschreibungen. Seitdem diese Quote 2008 mit rund 27 Prozent ihren bisherigen Höhepunkt erreichte, hat sich die Situation kontinuierlich entspannt, weil die insgesamt bilanzierten Goodwillbeträge nur noch moderat stiegen oder sich rückläufig entwickelten und zugleich die Aktienkurse bis Ende 2017 stetig zugelegt hatten.

Mit der Goodwill-Quote von 9,6 Prozent des Börsenwerts liegen die deutschen Unternehmen deutlich unter dem Niveau der US-amerikanischen und auch der europäischen Unternehmen, deren Quoten sich auf 15,6 bzw. 16,9 Prozent belaufen. Bemerkenswert ist, dass sich bei den US-Unternehmen die Quote seit 2014 von 12,6 auf 15,6 Prozent erhöhte – kennzeichnend für die oftmals sehr aggressive Akquisitionsstrategie der US-Unternehmen. Deren Goodwillbeträge erhöhten sich seit 2013 um 63 Prozent, die der deutschen Unternehmen nur um 24 Prozent.

Goodwill in deutschen Bilanzen hat im internationalen Vergleich geringe Bedeutung
Der Anteil des Goodwill am Gesamtvermögen beträgt für deutsche Unternehmen, die Finanzbranche ausgenommen, lediglich 9,4 Prozent. Vergleichsweise höher und in den letzten Jahren mit kontinuierlich ansteigender Tendenz lag diese Quote für europäische Unternehmen bei 17,7 und bei US-amerikanischen Unternehmen sogar bei 19,1 Prozent. Dies dokumentiert den bei deutschen Unternehmen vergleichsweise geringen Einfluss von Unternehmenserwerben auf die Entwicklung des Betriebsvermögens.

Während sich die Quote für die deutschen Unternehmen seit 2012 um weniger als einen Prozentpunkt erhöhte, ist bei den US-amerikanischen Unternehmen ein Anstieg um 2,6 Prozentpunkte zu beobachten.

Nur geringe Abschreibungen auf bilanzierten Goodwill
Die Abschreibungen deutscher Unternehmen auf den bilanzierten Goodwill von 4,8 Mrd. Euro im Jahr 2017 leicht oberhalb des Durchschnitts der Jahre seit 2005 von 4,4 Mrd. Euro. Mit 1,3 Prozent des insgesamt bei den Unternehmen bilanzierten Goodwill liegt die Quote sogar unterhalb des langjährigen Durchschnitts, der seit 2005 1,8 Prozent beträgt.

Wie in den letzten Jahren repräsentieren die drei Unternehmen mit den höchsten Abschreibungen (Deutsche Telekom EUR 2.071 Mio., McKesson Europe EUR 991 Mio., RWE EUR 479 Mio.) annähernd drei Viertel (73 Prozent) der gesamten Abschreibungen.

Positive Wachstumsprognosen und ein unverändertes Niedrigzinsumfeld sind zentrale unterstützende Faktoren bei der Bestätigung der Werthaltigkeit des Goodwill. Dies erklärt, dass nicht in der Breite der Unternehmen Wertberichtigungen des Goodwill zu verzeichnen waren, sondern diese vielmehr primär auf Branchenkrisen oder im Einzelfall fehlgeschlagene Investitionsentscheidungen zurückzuführen waren.

Hohe Bedeutung des Goodwill in Telekommunikation/Medien- und IT-Branche
Unternehmen der Telekommunikation/Medien- und der IT-Branche führen mit einem Goodwill-Anteil von 18,9 bzw. 14 Prozent des bilanzierten Gesamtvermögens das Feld an. In beiden Branchen ist der Goodwill seit 2013 deutlich angestiegen. Die Goodwill-Quote der Unternehmen der Branche Telekommunikation/Medien liegt damit annähernd doppelt so hoch wie die aller deutschen börsennotierten Unternehmen.

Nicht überraschend entstammen die Unternehmen mit der höchsten Goodwill-Quote diesen Branchen: 1&1 Drillisch 61,9 Prozent, Tele Columbus 54,4 Prozent, SAP 50,1 Prozent. "Auffallend ist jedoch", so Hartmut Paulus, "dass die Unternehmen mit den höchsten Goodwill-Quoten noch vor zwei Jahren fast ausschließlich dem DAX entstammten, heute aber die Zusammensetzung von weniger großen Unternehmen geprägt ist. Aufgrund des weniger diversifizierten Geschäftsmodells sind diese erheblich höheren Abschreibungsrisiken ausgesetzt"

Dabei überschreitet der ausgewiesene Goodwill in vielen Fällen das bilanzielle Eigenkapital erheblich, teilweise um das Vielfache: Fyber N.V. 969 Prozent, UNITEDLABELS 495,3 Prozent, Siemens Healthineers 243 Prozent. "In der Gesamtbetrachtung unserer Analysen wird deutlich", so Hartmut Paulus, "dass hinsichtlich der Goodwill-Intensität weniger ein Problem in der Breite der Unternehmen existiert, als dass vielmehr einige Unternehmen mit besonders hohen Goodwillbeträgen einem Abwertungsrisiko ausgesetzt sind".

Ausblick
Zum Jahresende 2017 befand sich die ganz überwiegende Mehrzahl der deutschen Unternehmen in bester Verfassung. Die Gewinne bewegten sich auf Rekordniveau. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld, insbesondere positive Wachstumsprognosen, und ein unverändert historisch niedriges Zinsniveau, sind begünstigende Faktoren bei der Beurteilung der Werthaltigkeit des Goodwill.

Seitdem ist die Entwicklung durch das Auftreten zahlreicher Risikofaktoren geprägt: die politische und insbesondere die wirtschaftspolitische Lage hat sich in verschiedenen Regionen der Welt eingetrübt, das Zinsniveau in den USA hat sich erheblich nach oben bewegt. Zahlreiche Unternehmen mussten im Verlauf des Jahres ihre Gewinnprognosen, teils mehrfach, nach unten korrigieren. Dies ist auch an den zwischenzeitlich deutlich gefallen Aktienkursen abzulesen. Insofern scheint die nach langen Jahren des kontinuierlichen Aufschwungs erwartete Marktkorrektur nun im Gange zu sein. "Auf Sicht ist in der Breite mit einem deutlichen Anstieg von Goodwill-Abschreibungen zu rechnen" resümiert Hartmut Paulus.
(BDO: ra)

eingetragen: 30.12.18
Newsletterlauf: 14.02.19

BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>



Meldungen: Studien

  • Gefahren von strategischer Korruption

    Transparency International hat den Korruptionswahrnehmungsindex 2024 (Corruption Perceptions Index, CPI) veröffentlicht. Der jährlich erscheinende Index ist der weltweit bekannteste Korruptionsindikator. Er umfasst 180 Staaten und Gebiete und bewertet den Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption. Der Meta-Index beruht auf der Einschätzung von Experten sowie Führungskräften.

  • Budgets für Datenschutz 2025 werden sinken

    Mehr als zwei von fünf (45 Prozent) Datenschutzbeauftragten in Europa glauben, dass das Datenschutzbudget ihrer Organisation unterfinanziert ist. Dies bedeutet einen Anstieg von 41 Prozent im Jahr 2024. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) erwartet zudem, dass die Budgets im Jahr 2025 weiter sinken werden. Das geht aus einer neuen Studie von ISACA hervor, dem weltweit führenden Berufsverband, der Einzelpersonen und Organisationen bei ihrem Streben nach Digital Trust unterstützt.

  • Compliance-Regulierungsdruck nimmt weltweit zu

    Sphera hat ihren Supply Chain Risk Report 2025 veröffentlicht. Dieser Bericht umfasst eine eingehende Analyse der dringendsten Risiken und aufkommenden Chancen, die die globalen Lieferketten verändern. Er bietet Führungskräften aus den Bereichen Beschaffung, Lieferkette und Nachhaltigkeit handlungsrelevante Einblicke, um die komplexen Herausforderungen zu meistern, mit denen sich Unternehmen angesichts neuer gesetzlicher Bestimmungen, wirtschaftlicher Unbeständigkeit und erhöhter ökologischer und sozialer Verantwortung auseinandersetzen müssen.

  • Digitale Steuer-Transformation

    Eine von Vertex veröffentlichte Studie zeigt, dass Fachkräftemangel und Qualifikationsdefizite in Steuerteams Unternehmen auf ihrem Weg zu einer erfolgreichen digitalen Steuer-Transformation behindern können. Die Studie "Global Tax Transformation" befragte 610 Fachleute in Europa und den USA, um die aktuelle Situation in den Unternehmen und die Einstellung der Fachleute zur Transformation in ihrer Organisation zu verstehen.

  • NIS2-Richtlinie & wie es um die Vorbereitung steht

    Eine aktuelle Veeam-Studie zur NIS2-Richtlinie zeichnet ein ernüchterndes Bild der IT-Sicherheitslage in deutschen Unternehmen. Während sich 70 Prozent der befragten Firmen gut auf die neue EU-Richtlinie vorbereitet fühlen, sind nur 37 Prozent von ihnen nach eigener Angabe tatsächlich konform zur NIS2. Diese eklatante Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Realität ist bezeichnend für den oftmals leider noch zu laxen Umgang vieler Organisationen mit Cyber-Sicherheit und vor allem im KRITIS-Bereich bedenklich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen