Von Pierer weg - Siemens frei - Kleinfeld stark
Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer wird heute seinen Rücktritt als Siemens Aufsichtsratschef verkünden
Von Pierer wird seinen Posten am 25. April 2007 niederlegen - Gerhard Cromme, jetziger Aufsichtsratsvorsitzender von ThyssenKrupp, wird sein Nachfolger
(20.04.07) – Die flotten Jungs der "Bild"-Zeitung waren tatsächlich mal wieder die ersten Journalisten, die davon Wind bekommen haben: Unter der Schlagzeile: "Siemens-Affäre: Aufsichtsratschef von Pierer geht" berichtet die "Bild", dass von Pierer am heutigen Freitag seinen Rücktritt als Siemens-Aufsichtsratsvorsitzender bekannt geben wird.
"Bild" stützt sich bei ihrer Berichterstattung auf unternehmensnahe Kreise. Danach soll nicht der noch vorgestern vom "ManagerMagazin" favorisierte Jürgen Radomski als Nachfolger von Pierer das Siemens-Kontrollgremium leiten, sondern wider Erwarten Gerhard Cromme, jetziger Aufsichtsratsvorsitzender von ThyssenKrupp.
Der frühere ThyssenKrupp-Chef Cromme (64), laut eines Berichts der Süddeutschen Zeitung (SZ) schon lange als Wunschkandidat für die Nachfolge des jetzigen Siemens-Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich von Pierer vorgesehen, hatte es nach SZ-Erkenntnissen noch am 11. April 2007 kategorisch abgelehnt, von Pierer zu beerben. Cromme hatte den Job als Fulltime-Aufgabe bezeichnet und durchklingen lassen, dass sie ihm zu stressig sei.
Offensichtlich zieht von Pierer nun die Konsequenzen aus der Korruptionsaffäre. Der Gegenwind blies zum Schluss heftig: Von Pierer sah sich von Gegnern umzingelt: Sie saßen im Aufsichtsrat, in der Politik und der IG Metall und - was wohl noch schwerer wog – auch innerhalb der Investoren.
Nun darf man gespannt sein, ob von Pierer auch Manns genug ist, die Gesamtverantwortung für die Korruptions- und Kartellaffären des Konzerns zu übernehmen. Von Pierer selbst hatte stets stereotyp wiederholt, von den Korruptionen, die zumeist in seine Amtszeit als Siemens-Vorstandschef fielen, nichts gewusst zu habe. Dies stieß und stößt allgemein auf Unverständnis.
Ganz offen wurde darüber gelästert, dass eine Bananenrepublik dann wohl transparenter sei als der Siemens-Vorstand, an dem vorbei man mal eben 400 Millionen Euro in Schwarze Kassen lotsen könne (siehe Interview mit Bayerns IG Metall-Chef Werner Neugebauer).
Am späten Abend des 19.04. bestätigte die Siemens AG dann in einer Adhoc-Meldung die Indiskretion der "Bild":
"Pierer schafft Voraussetzung für personelle Neuausrichtung Siemens "
Prof. Dr. Heinrich v. Pierer, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Siemens AG, stellt mit Beginn der Sitzung des Aufsichtsrats am 25. April 2007 sein Amt zur Verfügung. Dem Aufsichtsrat wird vorgeschlagen, Dr. Gerhard Cromme für den Rest der laufenden Amtsperiode bis zur Hauptversammlung der Siemens AG am 24. Januar 2008 zum Vorsitzenden des Gremiums zu wählen. Für Pierer rückt der als "Ersatzmitglied" gewählte Prof. Michael Mirow nach, der bis 2002 in der Siemens-Zentrale für die strategische Unternehmensentwicklung zuständig war. Auf der nächsten Hauptversammlung steht nach Ablauf von fünf Jahren turnusgemäß die Neuwahl aller Vertreter der Anteilseigner des Aufsichtsrats auf der Tagesordnung.
"Eine persönliche Verantwortlichkeit mit Blick auf die laufenden Ermittlungen war nicht Grundlage meiner Entscheidung"
"Ich habe immer die Überzeugung vertreten", sagte Pierer, "dass die Pflicht gegenüber dem Unternehmen und seinen weit mehr als 400.000 Mitarbeitern in aller Welt Vorrang vor eigenen Interessen haben muss. Eine persönliche Verantwortlichkeit mit Blick auf die laufenden Ermittlungen war nicht Grundlage meiner Entscheidung."
"Siemens ist trotz einer hervorragenden wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens aufgrund von teilweise offensichtlichen, teilweise behaupteten Verfehlungen einer Reihe von Führungskräften und Mitarbeitern in eine prekäre Situation geraten. Aufsichtsrat und Vorstand haben Ende letzten Jahres den Anstoß für eine umfassende und unabhängige Prüfung der Vorgänge gegeben. Die eingeleiteten Maßnahmen werden seitdem konsequent abgearbeitet,"so Pierer.
"Alleiniger Anlass und Beweggrund für meine heutige Entscheidung ist das Interesse von Siemens. Mein Ziel ist es, den Erfolg des Unternehmens nachhaltig zu unterstützen und zu fördern. Durch die beeindruckenden wirtschaftlichen Erfolge weltweit fällt mir diese Entscheidung viel leichter. Ich gehe davon aus, dass die Neubesetzung des Aufsichtsratsvorsitzes auch einen Beitrag leisten wird, unser Unternehmen allmählich wieder aus den Schlagzeilen und in ruhigeres Fahrwasser zu bringen."
Der Franke Heinrich von Pierer (66) ist Jurist und Volkswirt. Er kam 1969 zur Siemens AG und führte das Unternehmen von 1992 bis Anfang 2005 als Vorstandsvorsitzender. Sein Verdienst ist es, den Konzern global aufgestellt zu haben. Als Dr. Klaus Kleinfeld seine Nachfolge antrat, wechselte von Pierer als Vorsitzender in den Aufsichtsrat. Von Pierer ist immer noch Berater der Bundesregierung zum Beispiel als Chef des "Rats für Innovation und Wachstum". Zuletzt war von der Opposition in Berlin heftig von Pierers Rücktritt als Merkel-Berater gefordert worden.
Mit dem Rücktritt von Heinrich von Pierer gilt Vorstandsvorsitzender Klaus Kleinfeld als stärkster Mann im Siemens-Konzern. Heiß erwartet wird, wie er die VDO-Abspaltung ohne seinen Ziehvater von Pierer managen wird.
Lesen Sie auch das Essay von Dr. Thomas Middelhoff:
Gute Governance: Deutschland braucht professionelle Aufsichtsräte - Im Filz der Deutschland AG
(Bild, Siemens: ra)
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