Niedersachsen: Datenschutzfreie Regierung?


Niedersachsen sieht Datenschutzaufwand als Bürokratie und will "Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen von zusätzlichen Bürokratiekosten"
DVD: "Die Benennung eines Datenschutzbeauftragten ist nicht Bürokratie, sondern Selbstschutz"



Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e. V. (DVD) hat mit größtem Befremden einen Bundesrats-Antrag der Niedersächsischen Landesregierung zur Kenntnis genommen, in dem diese fordert, im Interesse der "Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen von zusätzlichen Bürokratiekosten" die Pflicht zur Benennung von Datenschutzbeauftragten aufzuweichen und eingetragene Vereine mit überwiegend ehrenamtlich Tätigen von dieser Pflicht möglicherweise völlig auszunehmen.

Außerdem sollen die Fristen zur Benachrichtigung von Datenschutzverletzungen verlängert, die Abmahnmöglichkeit von Datenschutzverstößen ausgeschlossen sowie die Nutzung von Echtdaten für "Erprobungs- und Testzwecke" generell erlaubt werden (BR-Drucksache. 144/19 vom 03.04.2019).

Angesichts dieses Antrags stellt sich die DVD die Frage, ob die niedersächsische Landesregierung bereits im Informationszeitalter angekommen ist: Seit dem Wirksamwerden der europaweit geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 startet sie einen Angriff auf den Datenschutz nach dem nächsten: So erließ sie ein Landesdatenschutzrecht, das die hochsensible Datenverarbeitung durch Strafverfolger von der Datenschutzkontrolle "befreit", was unzweifelhaft gegen deutsches Verfassungsrecht sowie gegen Europarecht verstößt.

Mit der aktuellen Initiative will die Landesregierung das Datenschutzrecht ins vorherige Jahrhundert zurückversetzen. Tatsächlich gilt der derzeit gültige Vorrang der Selbstkontrolle beim Datenschutz in Deutschland schon seit Jahrzehnten und hat sich bewährt. Es gibt wohl keine mittelständischen Unternehmen und keine Vereine, die heute nicht im Internet präsent sind und mindestens deshalb Grundwissen über den Datenschutz vorhalten müssen. Wenn dort keine Datenschutzbeauftragten beratend und überwachend tätig werden, gibt es erfahrungsgemäß nur selten die notwendige Kompetenz.

Frank Spaeing, Vorsitzender der DVD: "Die Pflicht abzuschaffen, Datenschutzbeauftragte zu benennen entlastet die KMU und Vereine nur scheinbar. Denn keine der diversen Pflichten, die die DSGVO (zu Recht) Verantwortlichen auferlegt, wird dadurch wegrationalisiert. Einzig die Fachkompetenz, die durch Datenschutzbeauftragte üblicherweise bei Verantwortlichen Einzug hält, verschwindet. Zudem gab es die meisten Pflichten, die durch die DSGVO jetzt so viel Prominenz erfahren haben, schon seit vielen Jahren. Nur wurden sie geflissentlich durch die Verantwortlichen ignoriert und auch durch die drastisch unterbesetzten Aufsichtsbehörden regelmäßig nicht im nötigen Umfang geahndet. Die Landesregierung schreibt im Entwurf zu Recht, dass zu viel Rechtsunsicherheit besteht. Den Verantwortlichen nun auch noch die Kompetenz, die sie durch Datenschutzbeauftragte bekommen können, wegzunehmen, ist aber der falsche Weg. Besser wäre es, die Aufsichtsbehörden so auszustatten, dass sie wirksam in der Breite unterstützen können."

Riko Pieper, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DVD,sagte: "Die Benennung eines Datenschutzbeauftragten ist nicht Bürokratie, sondern Selbstschutz. Diese Aufgabe kann von einem Mitarbeiter oder einem Ehrenamtlichen wahrgenommen werden; die nötigen Kompetenzen können im Rahmen von ohnehin nötigen Fortbildungen erworben werden. Ohne sie begibt sich ein Vorstand oder eine Unternehmensleitung in ein unkalkulierbares Existenzrisiko."

Werner Hülsmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DVD, ergänzt: "Der Niedersachsen-Antrag zeugt von einer erschreckenden Grundrechte-Ignoranz der aktuellen Landesregierung. Sie hat offenbar noch nicht gemerkt, dass angesichts der zunehmenden Digitalisierung in Verwaltung, Wirtschaft und im Alltag Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen. Diese sind im bestehenden Datenschutzrecht vorgesehen und erweisen sich weltweit als Vorbild. Die Landesregierung will offenbar, dass Deutschland bei der Digitalisierung weiter den Anschluss verliert. Dazu darf man es nicht kommen lassen. Nur wenn die Bevölkerung darauf vertrauen kann, dass ihre Daten bei den Unternehmen in guten Händen sind – und dazu ist die Umsetzung des Datenschutzes erforderlich, ist eine ausreichende Akzeptanz der Digitalisierung zu erwarten."
(DVD: ra)

eingetragen: 17.04.19
Newsletterlauf: 03.06.19

DVD: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Künstliche Intelligenz: Was für Unternehmen gilt

    Seit Sonntag, 2. Februar 2025 sind weitere Regelungen der europäischen KI-Verordnung (AI Act) in Kraft. Dabei handelt es sich zum einen um Verbote von bestimmten KI-Praktiken wie Social-Scoring-Systemen, manipulative KI-Techniken oder Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Zum anderen greifen Vorgaben für KI-Kompetenzanforderungen von Beschäftigten.

  • AI Act: Doppelarbeit & Unsicherheiten vermeiden

    Ab dem 2. Februar 2025 verbietet der AI Act Manipulation durch KI, Social Scoring und biometrische Fernidentifikation in Echtzeit - ein entscheidender Schritt für Ethik und Verbraucherschutz. Die EU setzt damit ein klares Zeichen für einen einheitlichen Rechtsrahmen, der auf Ethik, Diversität und Datensicherheit basiert.

  • EU AI Act setzt weltweit Maßstäbe

    Anlässlich des Europäischen Datenschutztags am 28. Januar 2025 betonte der BvD-Ausschuss Künstliche Intelligenz die Bedeutung des EU AI Acts als wegweisende Regulierung für den verantwortungsvollen Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI).

  • Auswirkungen von Risk Exposure auf Compliance

    Mit der DSGVO, DORA und der derzeit in der Luft hängenden NIS2 werden immer mehr Vorschriften und Richtlinien eingeführt, die Unternehmen beachten müssen. Dies hat dazu geführt, dass einige Unternehmen der Meinung sind, dass die Einhaltung der Vorschriften eher eine Belastung als ein Anfang zur Verbesserung ihrer Sicherheitsmaßnahmen ist.

  • NIS2-Umsetzung nicht vor Herbst 2025?

    Gegen Deutschland wurde wegen bisher nicht erfolgten Umsetzung der NIS2-Richtlinie sowie der Richtlinie über die Resilienz kritischer Infrastrukturen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Angesichts der Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess in den vergangenen Jahren kommt das nicht wirklich überraschend - ist doch inzwischen mit einer NIS2-Umsetzung nicht vor Herbst nächsten Jahres zu rechnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen