Meldung rechtswidriger Inhalte
Melde- und Löschpflicht für Hass und Hetze im Netz
Bayern und Rheinland-Pfalz fordern mehr Verantwortung von sozialen Netzwerken - Rückschritte des Digital Services Act gegenüber dem deutschen NetzDG müssen kompensiert werden
Morddrohungen, Beleidigungen, Volksverhetzung: Hass und Hetze haben im Netz ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Sie vergiften das gesellschaftliche Klima, unterdrücken die Meinungsfreiheit und gefährden die Demokratie. Deutschland hat mit dem im Oktober 2017 in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) reagiert. Hiernach müssen soziale Netzwerke rechtswidrige Inhalte zeitnah löschen (§ 3 NetzDG) und seit 1. Februar 2022 beim Bundeskriminalamt (BKA) melden (§ 3a NetzDG). Da die Bundesregierung mit 150.000 zusätzlichen Ermittlungsverfahren im Jahr rechnet, wurden beim BKA erhebliche personelle und technische Ressourcen geschaffen.
Das Verwaltungsgericht Köln hat jedoch mit seinen Entscheidungen im Eilrechtsschutz vom 1. März 2022 u. a. festgestellt, dass Google und Meta nicht zur Meldung rechtswidriger Inhalte an das BKA verpflichtet sind. Der Vorsitzende der 93. Justizministerkonferenz und bayerische Justizminister Georg Eisenreich: "Damit sind die Meldepflichten nach § 3a NetzDG faktisch außer Vollzug gesetzt. Das erschwert eine effektive Strafverfolgung von Hass im Netz erheblich."
Am 23. April wurde auf europäischer Ebene eine politische Einigung zum "Digital Services Act" (DSA) gefunden – dem künftigen europäischen Regelwerk für Internet-Plattformen. Wegen des Vorrangs des Unionsrechts würde der DSA die Vorschriften im deutschen Recht, insbesondere das NetzDG, weitgehend ablösen, wenn Rat und Parlament dieser Einigung förmlich zustimmen.
Bayern und Rheinland-Pfalz bringen dazu einen Antrag bei der 93. Justizministerkonferenz (1./2. Juni) ein. Eisenreich: "Der DSA kann im weltweiten Kampf gegen Hass und Hetze helfen. Er enthält wichtige Fortschritte. Aber: Der DSA führt in seiner jetzigen Fassung auch zu klaren Rückschritten gegenüber dem Schutzniveau des deutschen NetzDG – vor allem beim schnellen Löschen und Melden strafbarer Inhalte. Das ist nicht akzeptabel. Wenn der DSA das NetzDG ersetzen soll, dann muss das ein Fortschritt und kein Rückschritt sein. Wir fordern den Bund auf zu prüfen, mit welchen Maßnahmen Rückschritte gegenüber dem NetzDG kompensiert werden können."
Minister Eisenreich weiter: "Das Inkrafttreten des DSA ist absehbar. Die Zeit bis dahin muss genutzt werden. Beim BKA wurden für die im Februar 2022 in Kraft getretene Meldepflicht der Plattformen für strafbare Inhalte nach § 3a NetzDG neue Ressourcen für den Kampf gegen strafbare Inhalte im Netz geschaffen. Der Bund ist gefordert, diese auch einzusetzen. Das BKA ist bereit. Die Bundesregierung muss prüfen, wie man die Ressourcen für den Kampf gegen Hate Speech bestmöglich nutzen kann, beispielsweise durch Online-Streifengänge. Auch der DSA wird eine Vorschrift zur Meldung von Straftaten beinhalten. Diese bleibt vom Umfang her zwar hinter dem NetzDG zurück, die auf der Grundlage des nationalen Rechts geschaffenen Strukturen und die hiermit gesammelten Erfahrungen können aber auch für die Zeit ab Geltung des DSA genutzt werden. Es besteht Handlungsbedarf: Die aktuellen Erfahrungen mit strafbarer Online-Propaganda zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zeigen: Die großen sozialen Netzwerke müssen mehr Verantwortung bei der Bekämpfung strafbarer Inhalte auf ihren Internetseiten übernehmen. Dafür braucht es klare Regeln aus Brüssel oder Berlin. Dafür zu sorgen, ist Aufgabe der Bundesregierung."
Justizminister Eisenreich sieht beim DSA insbesondere bei den folgenden Punkten deutliche Rückschritte:
>> Löschen strafbarer Inhalte: Der DSA in seiner jetzigen Fassung sieht keine generelle gesetzliche und sanktionsbewehrte Löschpflicht vor.
Eisenreich: "Das heißt: Selbst wenn Plattformen strafbare Inhalte systematisch nicht löschen, droht ihnen – anders als nach dem NetzDG – beim DSA kein Bußgeld. Das ist ein klarer Rückschritt."
>> Verfolgung der Täter: Plattformen müssen bestimmte strafbare Inhalte den Strafverfolgungsbehörden zwar melden. Nicht erfasst sind jedoch – anders als im NetzDG – Straftaten gegen die öffentliche Ordnung wie etwa Volksverhetzung, Propagandadelikte und Gewaltdarstellungen.
Der Minister abschließend: "Der DSA ist eine große Chance für Europa. Die Bundesregierung muss eine klare Strategie zur effektiven Bekämpfung strafbarer Online-Inhalte vorlegen, damit eine Unterschreitung des Schutzniveaus des NetzDG verhindert wird." (Bayerisches Justizministerium: ra)
eingetragen: 30.05.22
Newsletterlauf: 27.07.22
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