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Länderübergreifende Geltung und Schutzgarantien


Journalistenschutz: EU-Parlament stimmt für EU-Regeln gegen missbräuchliche Klagen
Vorschriften gelten in Fällen, die mehr als einen EU-Mitgliedstaat betreffen - Opfer sollen Entschädigung für psychische Schäden und Rufschädigung erhalten - Empfehlungen zum Umgang mit missbräuchlichen Klagen in den Mitgliedstaaten




Das EU-Parlament will Journalisten und Aktivisten in der EU besser vor unbegründeten und missbräuchlichen Klagen schützen, mit denen sie zum Schweigen gebracht werden sollen. Der im Plenum angenommene Gesetzesentwurf soll Journalistinnen und Journalisten, Medienorganisationen, Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Aktivistinnen und Aktivisten, Forschende und Kunstschaffende in der EU vor strategischen Klagen gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit (SLAPPs) schützen, die darauf abzielen, sie einzuschüchtern und zu bestrafen. Die Abgeordneten nahmen mit 498 zu 33 Stimmen bei 105 Enthaltungen ihre Verhandlungsposition zu neuen Vorschriften an, die Menschen schützen sollen, die sich bei ihrer Arbeit mit Themen von öffentlichem Interesse wie den Grundrechten, der Tätigkeit von Amtsträgern oder Korruptionsvorwürfen beschäftigen.

Die neuen Regeln sollen in länderübergreifenden Fällen gelten, wenn der Beklagte, der Kläger und das Gericht nicht im selben Land ansässig sind oder wenn die Beteiligung der Öffentlichkeit – sei mithilfe eines Presseartikels, eines Beitrags in den sozialen Medien, eines Videos, einer Forschungsarbeit oder eines Kunstwerks – für mehr als einen Mitgliedstaat von Bedeutung ist und die entsprechende Handlung elektronisch abgerufen werden kann.

Nach dem Richtlinienentwurf soll es Schutzvorkehrungen für Opfer missbräuchlicher Klagen geben. Es soll ihnen zum Beispiel möglich sein, die vorzeitige Einstellung eines Verfahrens zu beantragen. Die Kläger müssen dann nachweisen, dass ihr Fall nicht unbegründet ist. Der Kläger müsste außerdem die gesamten Verfahrenskosten, einschließlich der Kosten für die Rechtsvertretung des Beklagten, tragen und mit Sanktionen rechnen. Das Opfer der missbräuchlichen Klage kann in einem solchen Fall Entschädigung verlangen, zum Beispiel für psychische Schäden oder Rufschädigung. Damit Kläger nicht den für sie günstigsten Gerichtsstand wählen können, d. h. ein einzelstaatliches Gericht, das sich am ehesten auf ihre Seite stellt, sollen Verleumdungsklagen nur vor dem Gericht des Mitgliedstaates zulässig sein, in dem die Beklagten ihren Wohnsitz haben. Die Mitgliedstaaten sollten SLAPP-Urteile von Drittstaaten gegen Personen und Unternehmen mit Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet nicht anerkennen und es den Betroffenen ermöglichen, vor dem nationalen Gericht entschädigt zu werden.

Unterstützung und Schulungen in den Mitgliedstaaten
Die Abgeordneten fordern die EU-Mitgliedstaaten auf, zentrale Anlaufstellen einzurichten, bei denen Opfer missbräuchlicher Klagen Informationen und Ratschläge einholen können. Die Behörden der Mitgliedstaaten sollten den Opfern außerdem finanzielle, rechtliche und psychologische Unterstützung leisten. Die EU-Staaten haben dafür zu sorgen, dass Juristinnen und Juristen angemessen im Umgang mit strategischen Klagen geschult werden und dass ihre Berufsverbände Regelungen einführen, die ihre Mitglieder davon abhalten, missbräuchliche Klagen einzureichen. Das Parlament fordert ferner, dass die Mitgliedstaaten sachdienliche Daten – insbesondere zu Gerichtsentscheidungen – erheben und dass die Kommission ein EU-Register zu strategischen Klagen einrichtet.

Berichterstatter Tiemo Wölken (S&D, Deutschland) erklärte nach der Abstimmung im Plenum: "Missbräuchliche Klagen halten kritische Stimmen davon ab, Themen von öffentlichem Interesse ans Licht zu bringen. Journalisten und Aktivisten sind Eckpfeiler unserer Demokratien, und sie sollten in der Lage sein, ohne Einschüchterung zu arbeiten. Mit dieser Richtlinie wollen wir sicherstellen, dass sie in der gesamten EU geschützt sind, dass die Opfer finanzielle und psychologische Unterstützung erhalten und dass grenzüberschreitende Fälle umfassender definiert werden. Unsere Gerichte dürfen keine Spielwiese für die Reichen und Mächtigen sein".

Hintergrundinformationen
Das Parlament setzt sich seit langem für die Stärkung der Medienfreiheit ein. Angesichts der immer weiter um sich greifenden strategischen Klagen hat es in mehreren Entschließungen Angriffe auf Journalisten und Menschenrechtsverteidiger angeprangert und gefordert, sie besser zu schützen. Nach Angaben des Bündnisses gegen strategische Klagen in Europa (Coalition against SLAPPs in Europe, CASE) erreichte die Zahl der strategischen Klagen in Europa im Jahr 2020 mit 114 Fällen ihren Höhepunkt.

Mit dieser Gesetzgebung reagieren die Abgeordneten auf die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger aus den Schlussfolgerungen der Konferenz zur Zukunft Europas zur Bekämpfung von Desinformation und Propaganda in Vorschlag 23, zur Entwicklung einer wirksameren und einheitlichen Politik gegenüber autokratischen und hybriden Regimen und zur Entwicklung von Partnerschaften mit Organisationen der Zivilgesellschaft in Vorschlag 24, zur Einführung von Rechtsvorschriften gegen die Bedrohung der Unabhängigkeit der Medien in Vorschlag 27 und zur strikten Durchsetzung der EU-Wettbewerbsregeln im Mediensektor in Vorschlag 27.
(EU-Parlament: ra)

eingetragen: 31.07.23
Newsletterlauf: 18.09.23


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