Benchmarks sind manipulationsanfällig
Finanzmarkt-Compliance: Manipulation marktrelevanter Benchmarks - Rat nimmt strengere Vorschriften an
Die jüngsten Fälle von Manipulationen bei Referenzzinssätzen wie LIBOR und EURIBOR haben gezeigt, wie wichtig Benchmarks sind und wo ihre Schwachstellen liegen
Am 17. Mai hat der Rat neue Vorschriften angenommen, die für eine größere Genauigkeit und Integrität der Benchmarks für Finanzinstrumente sorgen sollen. Mit der Verordnung soll das Vertrauen in als Finanz-Benchmarks verwendete Indizes wiederhergestellt werden, nachdem es in den letzten Jahren zu Skandalen wegen Manipulationen gekommen war. Die Benchmarks sollen robuster und zuverlässiger werden, um so das Vertrauen in die Finanzmärkte zu stärken.
Benchmark-Manipulation
Die jüngsten Fälle von Manipulationen bei Referenzzinssätzen wie LIBOR und EURIBOR haben gezeigt, wie wichtig Benchmarks sind und wo ihre Schwachstellen liegen. Bei zahlreichen Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten hängt die Preisbildung von der Genauigkeit bestimmter Benchmarks ab. Zweifel an der Integrität von Indizes, die als Benchmarks verwendet werden, können das Marktvertrauen untergraben, Verbrauchern und Anlegern Verluste bescheren und Verzerrungen der Realwirtschaft zur Folge haben.
Ziele
Benchmarks sind manipulationsanfällig, wenn Interessenkonflikte und Ermessensspielräume bestehen und diese keiner angemessenen Überwachung unterliegen. Mit der Verordnung werden folgende Ziele verfolgt:
>> Verbesserung von Unternehmensführung und Kontrolle in Bezug auf den Benchmark-Prozess, wobei insbesondere sicherzustellen ist, dass die Administratoren Interessenkonflikte vermeiden oder sie zumindest angemessen steuern;
>> Verbesserung der von den Benchmark-Administratoren verwendeten Qualität der Eingabedaten und Methoden;
>> Gewährleistung einer angemessenen Kontrolle der Benchmark-Kontributoren und der von ihnen bereitgestellten Daten, um insbesondere Interessenkonflikte zu vermeiden;
>> Schutz der Verbraucher und Anleger, indem für mehr Transparenz und angemessene Regressansprüche gesorgt wird.
Die Verordnung
Mit der Verordnung wird ein rechtsverbindlicher Verhaltenskodex für (Daten-)Kontributoren eingeführt, der die Verwendung robuster Methoden sowie eine ausreichende Menge zuverlässiger Daten verlangt. Insbesondere wird gefordert, transaktionsbasierte Ist-Daten zu verwenden, wenn immer dies möglich ist. Es können aber auch andere Daten verwendet werden, wenn die Transaktionsdaten nicht ausreichen.
Der Anwendungsbereich der Verordnung ist weit gefasst, wobei jedoch als kritisch erachtete Benchmarks strengeren Regeln unterworfen werden sollen; dazu gehört auch, dass die jeweils zuständige Behörde das Beitragen von Eingabedaten anordnen kann. Die Verordnung findet keine Anwendung auf die Bereitstellung von Benchmarks von Zentralbanken und – unter gewissen Umständen – von zentralen Gegenparteien und Behörden.
Die Benchmark-Administratoren müssen eine Zulassung beantragen und unterliegen der Aufsicht durch die zuständige Behörde des Landes, in dem sie angesiedelt sind. Hält sich ein Administrator nicht an die Bestimmungen der Verordnung, so kann die zuständige Behörde die Zulassung entziehen oder aussetzen. Von den Administratoren wird verlangt, dass sie über angemessene Regelungen zur Unternehmensführung und entsprechende Kontrollen verfügen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) wird die Überwachung der Benchmark-Administratoren durch die zuständigen nationalen Behörden koordinieren. Was kritische Benchmarks anbelangt, so wird ein Kollegium aus nationalen Aufsichtsbehörden einschließlich der ESMA eingesetzt, das grundlegende Entscheidungen trifft.
Drei Kategorien von Benchmarks
Benchmarks unterliegen Anforderungen entsprechend ihrer Größe und Art und müssen gleichzeitig einem Kernbestand von Mindestanforderungen entsprechen, die im Einklang mit den international vereinbarten Grundsätzen der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organisation of Securities Commissions – IOSCO) stehen.
>> Kritische Benchmarks: Es handelt sich dabei um Benchmarks, die als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte oder zur Bestimmung der Wertentwicklung von Investmentfonds im Gesamtwert von mindestens 500 Mrd. € auf der Grundlage der gesamten Laufzeiten der Benchmarks genutzt werden; oder aber um Benchmarks, die auf Eingaben von Kontributoren beruhen, die hauptsächlich in einem Mitgliedstaat ansässig sind und in diesem Mitgliedstaat als kritisch gelten. Benchmarks im Wert von mindestens 400 Mrd. € können ebenfalls als kritisch angesehen werden, wenn sie keine oder nur sehr wenige geeignete marktbasierte Substitute haben oder wenn ihr Fehlen die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung von Haushalten und Unternehmen wesentlich beeinträchtigen würde.
>> Signifikante Benchmarks werden als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte oder zur Bestimmung der Wertentwicklung von Investmentfonds im Gesamtwert von mindestens 50 Mrd. Euro auf der Grundlage der gesamten Laufzeiten der Benchmarks über einen Zeitraum von sechs Monaten genutzt. Benchmarks unterhalb dieser Schwelle können hochgestuft werden, wenn sie signifikante Auswirkungen auf die Märkte sowie keine oder nur sehr wenige geeignete marktbasierte Substitute haben.
>> Nicht signifikante Benchmarks unterliegen einer weniger strengen Regulierung nach dem "comply or explain"-Prinzip (also der verpflichtenden Begründung von Abweichungen), z.B. allgemeinen Grundsätzen im Einklang mit den international vereinbarten Grundsätzen der IOSCO.
Gesonderte Regelungen
Besondere Regelungen gelten jedoch für Benchmarks in Bezug auf Rohstoffe, Zinssätze und regulierte Daten:
>> Rohstoff-Benchmarks von mehr als 100 Mio. € unterliegen den von der IOSCO ausgegebenen Grundsätzen der Ölpreismeldestellen (Principles for Oil Price Reporting Agencies – PRA) vom 5. Oktober 2012. Diese Grundsätze dienen in Bezug auf die Regulierungsanforderungen an Benchmarks als Weltstandard. Sie wurden von der G20 im Jahr 2012 gebilligt und erstrecken sich auf die Bereiche Strukturen der Unternehmensführung, Kontrollen, Integrität und Konfliktmanagement.
>> Referenzzinssätze, die stärker Interessenkonflikten und der Datenmanipulation ausgesetzt sind, unterliegen zusätzlichen Anforderungen in Bezug auf Eingabedaten und Kontributoren.
>> Benchmarks für regulierte Daten sind von bestimmten Anforderungen ausgenommen, da die Art von Daten, die bei der Bestimmung dieser Benchmarks verwendet wird, weniger der Manipulation und Interessenkonflikten ausgesetzt ist.
Regelung für Drittländer
Aus einem Nicht-EU-Staat stammende Benchmarks werden von beaufsichtigten Unternehmen in der EU aufgrund von Regelungen der "Anerkennung" oder "Billigung" verwendet, basierend auf der Einhaltung der IOSCO-Grundsätze.
Darüber hinaus erleichtert eine Regelung der teilweisen Übereinstimmung die Übereinstimmung im Hinblick auf Drittländer, die in absehbarer Zukunft nicht die Absicht haben, eine umfassende Regelung für alle Arten von Benchmarks einzuführen, die aber besondere Vorschriften für bestimmte Arten von Benchmarks oder Benchmark-Administratoren – z.B. bestimmte Referenzzinssätze – eingeführt haben oder eventuell einführen werden. (Europäischer Rat: ra)
eingetragen: 23.05.16
Home & Newsletterlauf: 15.06.16
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