Aufrechterhaltung der Medienvielfalt
Fusionskontrolle: Kommission genehmigt geplante Übernahme von BSkyB durch News Corp
Die Ergebnisse greifen der laufenden Untersuchung seitens der zuständigen britischen Behörden nicht vor, in der geprüft wird, ob das geplante Rechtsgeschäft mit der britischen Auslegung des Grundsatzes der Medienvielfalt vereinbar ist
(04.01.11) - Die Europäische Kommission hat dem in den USA ansässigen, weltweit tätigen Medienkonglomerat News Corporation nach der EU-Fusionskontrollverordnung grünes Licht für dessen Übernahmeangebot für BSkyB, den größten Pay-TV-Anbieter in Großbritannien und Irland, erteilt.
Die Kommission kam zu dem Schluss, dass das Vorhaben den wirksamen Wettbewerb weder im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) noch in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindern wird. Die Kommission hat sich in ihrer Prüfung ausschließlich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten der geplanten Übernahme befasst.
Die Ergebnisse greifen in keiner Weise der laufenden Untersuchung seitens der zuständigen britischen Behörden vor, in der geprüft wird, ob das geplante Rechtsgeschäft mit der britischen Auslegung des Grundsatzes der Medienvielfalt vereinbar ist, und die sich somit von der wettbewerbsrechtlichen Prüfung der Kommission unterscheidet. Das Vereinigte Königreich kann weiterhin frei entscheiden, ob es im Sinne von Artikel 21 der EU-Fusionskontrollverordnung geeignete Maßnahmen zum Schutz seiner berechtigten Interessen an der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt ergreifen will.
"Dieser Zusammenschluss wird dem Wettbewerb im Vereinigten Königreich ganz bestimmt nicht abträglich sein", sagte Kommissionsvizepräsident und EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. "Die Folgen für die britische Medienlandschaft stehen auf einem anderen Blatt und müssen von den britischen Behörden geprüft werden."
Die geplante Übernahme
Dieses Rechtsgeschäft beinhalt den Zusammenschluss des im Vereinigten Königreich und in Irland führenden Pay-TV-Anbieters BSkyB mit der News Corporation (abgekürzt News Corp), mit einem der sechs führenden Filmstudios in Hollywood (20th Century Fox), einem Fernsehsender (z. B. Fox oder National Geographic), einem führenden Zeitungsverlag im Vereinigten Königreich und Irland (z. B. The Sun oder The Times), einem führenden Pay-TV-Anbieter in Italien (Sky Italia) sowie in Deutschland und Österreich (Sky Deutschland). News Corp gab am 15. Juni 2010 bekannt, dass der Medienkonzern die verbleibenden 60,9 Prozent der BSkyB-Aktien, die sich noch nicht in seinem Besitz befinden, erwerben wolle. Am 3. November 2010 meldete sie die geplante Übernahme bei der Kommission zur Genehmigung an.
News Corp und BSkyB sind im Vereinigten Königreich und in Irland im Wesentlichen auf unterschiedlichen Märkten vertreten und nur als Großanbieter von Pay-TV-Basisprogrammen und als Anbieter von Online-Werbeflächen und TV-Werbung begrenzt Konkurrenten.
Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass sich der derzeitige Anteil von BSkyB am Markt für Pay-TV-Basisprogramme im Vereinigten Königreich und in Irland durch den Zusammenschluss nur wenig erhöhen würde. Auf dem Markt für Online- und Fernsehwerbung haben die Parteien des Zusammenschlusses insgesamt nur einen kleinen Marktanteil. Deshalb ist das Rechtsgeschäft nach Auffassung der Kommission in Bezug auf mögliche horizontale Beschränkungen auf dem Markt wettbewerbsrechtlich unbedenklich.
Da die beteiligten Unternehmen hauptsächlich auf verschiedenen Ebenen des Marktes tätig sind, hat die Kommission vor allem geprüft, ob aus dem geplanten Zusammenschluss wettbewerbswidrige Auswirkungen aufgrund vertikal verbundener oder verwandter Tätigkeiten im Bereich audiovisuelle Medien, im Zeitungswesen oder in der Werbebranche erwachsen könnten.
Audiovisuelle Medien
Die Kommission hat untersucht, ob News Corp aufgrund des geplanten Zusammenschlusses in der Lage wäre, BSkyB-Wettbewerbern den Zugang zu Fernsehinhalten von hohem Mehrwert, sogenannten Premium-Filminhalten, zu verwehren oder erheblich einzuschränken. Den Untersuchungsergebnissen zufolge würde News Corp auf dem Markt nicht über die erforderliche Marktmacht für die Lizenzvergabe von Übertragungsrechten für Premium-Filme verfügen, so dass den Wettbewerbern von BSkyB weiterhin mehrere Bezugsquellen für ein gleichermaßen attraktives Filmangebot zur Verfügung stehen würden.
Auch wenn aufgrund der Marktuntersuchung erhebliche wettbewerbsrechtliche Bedenken bezüglich der Exklusivverträge von BSkyB mit allen sechs führenden Hollywood-Filmstudios für Premium-Filme für das erste Pay-TV-Fenster bestehen, so dürfte der geplante Zusammenschluss die derzeitige Situation auf dem Markt, mit der momentan die britische Wettbewerbsbehörde nach dem jüngsten Beschluss der britischen Aufsichtsbehörde OFCOM befasst ist, nicht weiter verschlechtern.
Außerdem hat die Kommission untersucht, ob durch den geplanten Zusammenschluss das Risiko bestehen könnte, dass Wettbewerber von News Corp bei der Lizenzvergabe für Premium-Filme und Fernsehprogramme sowie im Großhandel für Pay-TV-Basisprogramme vom BSkyB-Pay-Programmangebot ausgeschlossen werden könnten. Die Untersuchung ergab, dass die Premium-Filminhalte und Fernsehprogramme sowie die Pay-TV-Basisprogramme nur einen geringen Teil des Programmpakets von Sky ausmachen und BSkyB weiterhin den Anreiz hätte, Inhalte von Wettbewerbern der News Corp zu erwerben, um seinen Endkunden die attraktivsten Programmpakete anbieten zu können.
Da BSkyB nach dem geplanten Zusammenschluss Teil derselbe Gruppe wie Sky Italia und Sky Deutschland wäre, hat die Kommission geprüft, ob das Unternehmen nach dem Zusammenschluss über mehr Verhandlungsmacht gegenüber Lizenzinhabern verfügen würde, indem es zum Schaden seiner Pay-TV-Konkurrenten Premium-Inhalte für mehrere Gebiete gleichzeitig erwirbt. Der Untersuchung zufolge ist es unwahrscheinlich, dass das zusammengeschlossene Unternehmen von den Lizenzinhabern verlangen könnte, ihre Lizenzvergabepraxis (nach nationalen Gebieten oder nach Sprachen) dahingehend zu ändern, dass Verhandlungen in mehreren Ländern (z. B. Deutschland, Österreich, Italien, Vereinigtes Königreich und Irland) gleichzeitig geführt werden.
Zeitungsbranche
Die Kommission hat untersucht, ob das zusammengeschlossene Unternehmen in der Lage wäre, den Markt gegenüber konkurrierenden Zeitungsverlagen abzuschotten, indem es gemischte Abonnements für Sky und die Printmedien der News Corp online oder für Tablet-PCs anbietet. Die Marktuntersuchung bezüglich einer möglichen Kopplung (sogenanntes bundling) mit Abonnements für Printmedien ergab, dass der Preis nur ein, aber nicht der wichtigste Faktor für die Entscheidung der Leser für eine bestimmte Zeitung und ihre Kundentreue ist. Bislang hat es eine solche Kopplung noch nicht gegeben. Für Boulevardzeitungen wie The Sun gibt es ohnehin keine Abonnements für die Print-Ausgabe. Die generell niedrigen Abonnentenzahlen für Tageszeitungen (6 Prozent für alle britische Zeitungen) und 25 Prozent bis 33 Prozent bei anspruchsvolleren Zeitungen deuten darauf hin, dass ein Abonnement-Konzept den Großteil der Leserschaft nicht ansprechen würde.
In Bezug auf eine Kopplung an Online-Nachrichten ist festzuhalten, dass – mit Ausnahme der meisten Zeitungen von News Corp – der Großteil der Online-Zeitungsausgaben sowie andere Nachrichtenquellen derzeit kostenlos zugänglich sind und sich dies in der nächsten Zukunft auch nicht wesentlich ändern wird. Aus diesen Gründen hat die Kommission ausgeschlossen, dass das geplante Rechtsgeschäft wettbewerbsrechtliche Probleme für die Zeitungsbranche nach sich ziehen könnte.
Werbebranche
Die Kommission ist wettbewerbsrechtlichen Bedenken nachgegangen, dass das zusammengeschlossene Unternehmen es möglicherweise entweder ablehnen könnte, Anzeigen von BSkyB-Konkurrenten in Zeitungen der News Corp aufzunehmen, oder aber derart hohe Preise verlangen könnte, dass es der Konkurrenz erschwert würde, Abonnenten oder Zuschauer zu gewinnen.
Die Untersuchung ergab, dass es genügend andere Möglichkeiten für die Platzierung von Werbung in anderen Printmedien gibt. Zudem würde sich eine Weigerung der News Corp kaum auf die Abonnentenzahlen auf dem Pay-TV-Markt auswirken.
Den Untersuchungsergebnissen zufolge ist es unwahrscheinlich, dass das zusammengeschlossene Unternehmen in der Lage wäre, eine Werbeschaltung in gedruckten Zeitungen von News Corp an eine Werbeschaltung in BSkyB-Fernsehsendern zu koppeln, da weder News Corp noch BSkyB über die für derartige Kopplungsgeschäfte erforderliche Marktmacht verfügt.
Medienvielfalt – Prüfung durch die britische Wettbewerbsbehörde und Artikel 21 der EU-Fusionskontrollverordnung
Für die wettbewerbsrechtliche Prüfung der Auswirkungen des geplanten Zusammenschlusses auf den Wettbewerb auf den verschiedenen betroffenen Märkten ist ausschließlich die Kommission zuständig. Nach Artikel 21 der EU-Fusionskontrollverordnung können die Mitgliedstaaten jedoch geeignete Maßnahmen (einschließlich des Verbots geplanter Rechtsgeschäfte) zum Schutz anderer berechtigter Interessen (u. a. der Medienvielfalt) ergreifen.
Zweck und Rechtsgrundlage für die wettbewerbsrechtliche Prüfung und die Prüfung im Hinblick auf den Schutz der Medienvielfalt sind nicht identisch. Die Wettbewerbsvorschriften konzentrieren sich im Wesentlichen darauf, ob das geplante Rechtsgeschäft zu höheren Verbraucherpreisen führen oder Innovation behindern könnte. Mit einer Prüfung, ob ein Rechtsgeschäft mit dem Grundsatz der Medienvielfalt vereinbar ist, wird der zentralen Rolle der Medien in einer Demokratie Rechnung getragen. Sie verfolgt einen breiteren Ansatz und prüft unter anderem, ob die Kontrolle über Medienunternehmen auf eine hinreichend große Zahl und Bandbreite von Personen verteilt ist.
Am 4. November 2010 veröffentlichte der britische Minister für Unternehmen, Innovation und Qualifikation eine Erklärung zum Beitritt zum EU-Prüfverfahren (European Intervention Notice). In dieser Erklärung werden die britischen Behörden aufgefordert zu prüfen, ob der geplante Zusammenschluss gegen das im Allgemeininteresse liegende Gebot der binnenpluralistischen Zusammensetzung von Aufsichtsorganen von Medienunternehmen verstößt oder verstoßen könnte. Die Ergebnisse müssen zum 31. Dezember 2010 vorgelegt werden.
Die Kommission hat sich in ihrer Untersuchung ausschließlich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten der geplanten Übernahme befasst. Die heutige Positiventscheidung der Kommission berührt in keiner Weise die laufende Untersuchung der britischen Behörden, bei der der Schutz der Medienvielfalt im Mittelpunkt steht. (Europäische Kommission: ra)
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