Geschlechtergleichstellung in Vorstandsetagen
EU-Justizkommissarin Viviane Reding drängt auf höheren Frauenanteil in den Vorstandsetagen europäischer Unternehmen
Finnland, Schweden, Niederlande und Dänemark haben bereits Corporate-Governance-Kodizes und/oder freiwillige Vorgaben eingeführt, die zu einem höheren Frauenanteil in den Vorstandsetagen geführt haben
(07.03.11) - Europas Unternehmenslandschaft ist noch immer männlich dominiert: nur jedes zehnte Vorstandsmitglied in Europas größten Unternehmen ist eine Frau, und in 97 Prozent der Fälle ist der Vorstandsvorsitzende männlich. Studien haben ergeben, dass Unternehmen mit einer höheren Zahl an weiblichen Führungskräften besser abschneiden als solche mit "rein männlich" besetzten Vorständen. Darauf weist die EU-Kommissarin Viviane Reding hin.
Sie erzielen höhere Betriebsergebnisse, sind attraktivere Arbeitgeber für junge Talente und haben ein besseres Kundenverständnis. Nicht nur für Europas Unternehmen ist das Potenzial der Arbeitnehmerinnen unverzichtbar – auch Wirtschaft und Gesellschaft profitieren davon. Frauen stellen 60 Prozent der Universitätsabgänger, sind aber in Entscheidungspositionen weiterhin unterrepräsentiert.
Auf einem speziell zu diesem Thema einberufenen Gipfel in Brüssel traf die Vizepräsidentin der EU-Kommission Viviane Reding die Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende von börsennotierten Unternehmen aus zehn europäischen Ländern. Vizepräsidentin Reding leitete das Treffen gemeinsam mit Gertrude Tumpel-Gugerell, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank. Auf dem Programm standen Diskussionen darüber, wie erreicht werden kann, dass mehr Frauen in die Vorstandsetagen einziehen und ob eine deutliche Veränderung der Situation eher über Selbstverpflichtungen oder auf dem Verordnungsweg erreichbar ist.
Das Treffen zwischen der Kommission und den Führungskräften und Sozialpartnern soll der erste Schritt sein, um ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis in den Vorstandsetagen und den leitenden Positionen der größten europäischen Unternehmen zu erreichen. Dieses Thema stand zum ersten Mal im September 2010 auf der Tagesordnung, als die Europäische Kommission in ihrer auf Vorschlag von Vizepräsidentin Reding hin erstellten Strategie zur Chancengleichheit erklärte, "die Möglichkeit gezielter Initiativen zur Verbesserung des Geschlechtergleichgewichts in Entscheidungsprozessen prüfen" zu wollen.
Mittels eines Meinungsaustausches mit Unternehmen und Sozialpartnern auf der Grundlage von jetzt veröffentlichten neuen Zahlen möchte die Kommission in Erfahrung bringen, welche Maßnahmen sie getroffen haben oder in naher Zukunft treffen wollen, um das Gleichgewicht der Geschlechter in den Leitungsgremien zu verbessern. Über die nächsten zwölf Monate wird die Europäische Kommission den Fortschritt genau beobachten, danach wird sie entscheiden, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.
"Ich möchte eine klare Botschaft an die europäischen Unternehmen richten: Frauen sind ein Gewinn", sagte die für Justiz zuständige Kommissarin Reding. "Wir müssen alle Talente unserer Gesellschaft nutzen, damit die europäische Wirtschaft erfolgreich ist. Deshalb ist der Dialog zwischen der Kommission und den Sozialpartnern so wichtig. Ich glaube, dass Selbstverpflichtungen schon etwas ändern könnten, wenn sie glaubwürdig sind und in ganz Europa Wirkung zeigen. Ich werde das Thema in einem Jahr noch einmal aufgreifen. Wenn die Selbstverpflichtungen wirkungslos sind, werde ich weitere Maßnahmen auf EU-Ebene ergreifen."
Der neue Bericht über das Geschlechtergleichgewicht in Führungspositionen (Gender Balance in Business Leadership) kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen im Durchschnitt 12 Prozent der Vorstandsmitglieder der größten börsennotierten Unternehmen in der EU und lediglich 3 Prozent der Vorstandsvorsitzenden stellen (siehe Anhang). Die Zahlen sind je nach Land unterschiedlich, von 26 Prozent weiblichen Vorstandsmitgliedern in Schweden und Finnland bis zu 2 Prozent in Malta.
Obwohl das Ziel eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses (ein Mindestanteil von 40 Prozent Frauen bzw. Männern) in Europa nur langsam erreicht wird, gibt es in einigen Ländern Fortschritte. Finnland, Schweden, die Niederlande und Dänemark haben Corporate-Governance-Kodizes und/oder freiwillige Vorgaben eingeführt, die zu einem höheren Frauenanteil in den Vorstandsetagen geführt haben. In Norwegen sind bereits gesetzliche Quoten vorhanden, in Frankreich und Spanien hat man diese soeben beschlossen. In den Niederlanden, Italien und Belgien wird eine Einführung diskutiert.
Hintergrund
Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen ist eines der Ziele der "Charta für Frauen", die von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Vizepräsidentin Reding im März 2010 initiiert wurde. Im September 2010 nahm die Kommission zur Bekräftigung ihres Engagements eine Strategie zur Chancengleichheit für die nächsten fünf Jahre an, in der gezielte Initiativen für mehr Frauen in Entscheidungspositionen in der Wirtschaft enthalten sind.
Es gibt sowohl wirtschaftliche als auch unternehmensinterne Gründe für ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis in den Leitungsgremien von Unternehmen. Mehr Frauen (59 Prozent) als Männer (41 Prozent) erwerben in Europa heutzutage einen Universitätsabschluss, auf der Karriereleiter fallen sie jedoch hinter die Männer zurück. Das bedeutet, dass das Arbeitskräftepotenzial für die Wirtschaft nicht voll genutzt wird.
Gleichzeitig können Unternehmen von mehr Frauen in Führungspositionen profitieren. Eine Reihe von Studien weist auf Zusammenhänge zwischen Geschlechtergleichgewicht und hervorragenden Leistungen in den Bereichen Kreativität, Innovation, Rechnungslegung, Audit und interne Revision hin. Frauenfreundliche Unternehmen sind auch attraktiver für Kundinnen und potenzielle talentierte neue Mitarbeiterinnen.
Im Geschlechtergleichstellungsbericht für 2010 wird betont, dass zwar überall positive Trends erkennbar sind, der Fortschritt jedoch zu gering ist. Der Unterschied in der EU-weiten Beschäftigungsquote zwischen Frauen und Männern hat sich 2009/2010 von 13,3 Prozent auf 12,9 Prozent verringert, und die Frauenbeschäftigungsquote beträgt nun 62,5 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ist jedoch sowohl bei Männern als auch bei Frauen durch die Krise gestiegen. Frauen üben mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Teilzeitbeschäftigung aus als Männer.
Zusätzlich bewältigen die Frauen noch immer den Großteil der Betreuungsaufgaben. Die Arbeitsmarktbeteiligung von Müttern ist um 11,5 Prozent geringer als bei Frauen ohne Kinder, während die Beteiligungsquote von Vätern um 8,5 Prozent höher ist als bei kinderlosen Männern. Die Probleme bei der Vereinbarung von Beruf, Familie und Privatleben sind einer von vielen Gründen für die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede: Frauen verdienen EU-weit durchschnittlich 17,5 Prozent weniger als Männer, und der Lohnunterschied hat sich in den letzten Jahren nicht verringert.
Weitere Informationen
Berichte zur Geschlechtergleichstellung und Führungspositionen in Unternehmen:
http://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=6562&langId=en
Datenbank über Frauen und Männer in Entscheidungspositionen:
http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=764&langId=de
Gleichstellung der Geschlechter in der EU:
http://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=418
(Europäische Kommission: ra)
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