Justizministerin Merk riskiert Verfassungsbruch
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: "Dass die bayerische Justizministerin sehenden Auges einen Verfassungsbruch riskiert, ist ein einmaliger Vorgang"
Beate Merk: "Wer so massive Vorwürfe erhebt, sollte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erst einmal lesen"
(03.03.08) - Zu den Plänen der bayerischen Justizministerin, eine Änderung der Strafprozessordnung zur Einführung der Online-Durchsuchung auf den Weg zu bringen, erklärt die bayerische FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
"Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil betont, dass eine Online-Durchsuchung nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut möglich ist. Nur wenn Leib, Leben und Freiheit oder der Staat in seinen existentiellen Grundlagen gefährdet ist, kann nach dem Karlsruher Richterspruch eine Online-Durchsuchung durchgeführt werden.
Wenn Frau Merk jetzt keine zwei Tage nach dem Karlsruher Richterspruch mit einem Schnellschuss vorprescht, zeigt das die geringe Achtung der bayerischen Justizministerin vor dem Bundesverfassungsgericht. Alle Juristen sind sich einig, dass die Auswirkungen des neu geschaffenen Grundrechts umfassend auf die bestehenden Gesetze und anstehenden Gesetzgebungsvorhaben geprüft werden müssen. Das gilt auch für den Bereich der Strafverfolgung.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil Rechtsgeschichte geschrieben. Eine heimliche Ausforschung von Computern stellt einen besonders tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Dass die bayerische Justizministerin sehenden Auges einen Verfassungsbruch riskiert, ist ein einmaliger Vorgang."
Bayerns Justizministerin Beate Merk hat den Vorwurf der FDP-Landesvorsitzenden Sabine Leutheusser Schnarrenberger, die Forderung Merks nach einer Online-Durchsuchung auch zu Zwecken der Strafverfolgung, etwa in Fällen der Kinderpornographie, stelle einen "Verfassungsbruch" dar, entschieden zurückgewiesen.
"Wer so massive Vorwürfe erhebt, sollte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erst einmal lesen", sagte Merk. "Ich weise auf Randziffer 207 des Urteils hin, wo das Bundesverfassungsgericht feststellt, dass Eingriffe in das neue Computer-Grundrecht nicht nur zur Abwehr von Gefahren zulässig sein können, sondern auch zu Zwecken der Strafverfolgung. Dass diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts der FDP, die die Online-Durchsuchung bisher per se für Teufelszeug gehalten hat, nicht gefällt, ist mir klar - dennoch steht es eben in der Entscheidung drin. Deshalb bleibe ich selbstverständlich dabei: Um Fälle schwerster Kriminalität, etwa im Terrorismusbereich oder bei Kinderpornographie, aufzudecken, die Täter bestrafen und damit weitere Taten verhindern zu können, brauchen wir die Möglichkeit zur Online-Durchsuchung auch in der Strafprozessordnung. Ich werde dazu in kürzester Zeit einen Vorschlag vorlegen." (FDP: ra)
Das Urteil im Wortlaut: siehe http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20080227_1bvr037007.html
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