Korrekturen beim Mutterschutz angemahnt
Compliance und Arbeitsrecht: Regelung plant, dass durch eine freiwillige Einverständniserklärung von schwangeren und stillenden Frauen das geltende Verbot von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit aufgehoben werden kann
Unterteilung in "unverantwortbare" und "verantwortbare Gefährdungen" von Schwangeren und Stillenden am Arbeitsplatz im Gesetzestext
Die geplante Ausweitung des Mutterschutzes stößt bei Arbeitnehmerverbänden trotz Änderungswünschen auf prinzipielle Zustimmung. Den Arbeitgeberverbänden geht der von Bundesfamilienministerin vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuregelung des Mutterschutzrechtes (18/8963) jedoch zu weit. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses über die Gesetzesvorlage am Montag deutlich.
Petra Müller-Knöß vom Vorstand der IG Metall und Anja vom Weusthoff vom DGB-Bundesvorstand begrüßten die geplante Gesetzesnovelle ausdrücklich. Die geplante Regelung, dass durch eine freiwillige Einverständniserklärung von schwangeren und stillenden Frauen das geltende Verbot von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit aufgehoben werden kann, lehnten sie entschieden ab. Dies sei eine Absenkung des Schutzes für die Frauen, argumentierten die beiden Gewerkschaftsvertreterinnen. Es müsse befürchtet werden, dass die betroffenen Frauen auf Druck der Arbeitgeber und aus Angst um ihren Arbeitsplatz ihre Einwilligung eben nicht freiwillig erteilen würden.
Kritisch beurteilte Petra Müller-Knöß zudem die Unterteilung in "unverantwortbare" und "verantwortbare Gefährdungen" von Schwangeren und Stillenden am Arbeitsplatz im Gesetzestext. Das Mutterschutzgesetz sei eines der wichtigsten Bestandteile des Arbeitsschutzrechtes. Das Arbeitsschutzgesetz kenne eine solche Differenzierung aber nicht, die Begriffe müssten deshalb gestrichen werden, argumentierte die Vertreterin der IG Metall. Elke Roos, Richterin am Bundessozialgericht mahnte an, dass der Begriff "unverantwortbare Gefährdung", um die Grenze für ein Beschäftigungsverbot zu markieren, zu "vage" definiert sei. Nach Ansicht von Isabel Rothe, Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, ist der Begriff "unverantwortbare Gefährdung" zwar prinzipiell geeignet, um dem erhöhten Schutzanliegen im Mutterschutz Rechnung zu tragen, allerdings müsse er zum Beispiel untergesetzlich in einer Verordnung konkretisiert werden.
Kerstin Plack von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände kritisierte hingegen, dass der Gesetzentwurf für Betriebe zu zusätzlichen bürokratischen und finanziellen Belastungen führe, Rechtsunsicherheit schaffe und beschäftigungshemmend wirke. Zudem gehe er weit über die europäische Mutterschutzrichtlinie hinaus. Ein wirksamer Mutterschutz sei auch den Unternehmen ein wichtiges Anliegen, sagte Plack. Allerdings müsse Mutterschutz auch für alle Betriebsgrößen verhältnismäßig sein. Deshalb sei die Regelung, nach der Betriebe eine Gefährdungsbeurteilung für jede Tätigkeit vornehmen müssen, unabhängig davon, ob diese von einer Frau oder einem Mann, ausgeübt werde, abzulehnen.
Marianne Weg vom Deutschen Juristinnenbund kritisierte, dass der Gesetzentwurf dem Problem von psychischen Belastungen von Schwangeren nicht gerecht werde und weit hinter wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie dem gesellschaftlichen Konsens zurückbleibe. Psychische Belastungen müssten naturwissenschaftlich-technischen Gefährdungen gleichgestellt werden, forderte Weg.
Katrin van Riesen von der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen lobte, dass mit der Gesetzesnovelle zukünftig auch Studentinnen, Schülerinnen und Praktikantinnen unter den gesetzlichen Mutterschutz fallen sollen. Zugleich monierte sie, dass Studentinnen jedoch auch weiterhin vom Mutterschaftsgeld ausgeschlossen würden. Zudem würden Bafög-Empfängerinnen im Fall einer Schwangerschaft nur für die Dauer von drei Monaten gefördert. Es sei deshalb eine Ausweitung der Bafög-Förderung und eine Erhöhung des Mutterschaftsgeldes für geringfügig Beschäftigte anzustreben. (Deutscher Bundestag: ra)
eingetragen: 08.10.16
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