Änderung des Vereinsgesetzes umstritten


Die Verschärfung des Vereinsgesetz: Der Staatsrechtler Professor Ulrich Battis bewertete den Gesetzentwurf als "untauglichen Versuch"
Das Ziel, bestimmte Kennzeichen aus der Öffentlichkeit zu "verbannen", könne mit dem Entwurf nicht erreicht werden



Der Gesetzentwurf der Deutschen Bundesregierung zur Verschärfung des Vereinsgesetzes (18/9758) stößt bei Experten auf kontroverse Einschätzungen. Dies wurde bei einer öffentlichen Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses zu der Vorlage deutlich. Wie die Regierung darin ausführt, können Vereinigungen insbesondere im Bereich krimineller Rockergruppierungen einen "Deckmantel für vielfältige Formen der schweren und organisierten Kriminalität wie zum Beispiel Menschenhandel und Drogengeschäfte bieten". Dem solle durch eine Verschärfung des Vereinsgesetzes entgegengetreten werden. Nach dem Gesetzentwurf sollen Kennzeichen verbotener Vereinigungen sowie solche, die mit denen eines bereits verbotenen Vereins im Zusammenhang stehen, von anderen Gruppierungen im Bundesgebiet nicht mehr weiter genutzt werden.

Michael Ahlsdorf von der Redaktion "Bikers News" kritisierte, er halte den Gesetzentwurf "nicht für besonders sinnhaft". Bei einem Verbot der Abzeichen werde man einen "Wust an Codes haben, an Zahlen, an Ziffern, an Farben". Das Spezialistenwissen der Polizei reiche seiner Ansicht nach nicht aus, um anschließend die Rocker und ihre Klientel erkennen zu können. Auch gebe es rechtsstaatliche Bedenken, fügte Ahlsdorf hinzu und verwies auf die Unschuldsvermutung. "Da ist nicht jeder von denen kriminell", betonte Ahlsdorf. Die Gesetzesänderung könne auch verfassungswidrig sein, weil "Unschuldige in Kollektivhaft genommen werden".

Der Staatsrechtler Professor Ulrich Battis bewertete den Gesetzentwurf als "untauglichen Versuch". Das Ziel, bestimmte Kennzeichen aus der Öffentlichkeit zu "verbannen", könne mit dem Entwurf nicht erreicht werden. Auch gehe es um Eingriffe in Grundrechte. "Da sollte man von vornherein einen klaren Eingriffstatbestand haben - und daran fehlt es hier", sagte Battis.

Kathrin Groh, Professorin für öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München, sagte, auch sie sehe einige verfassungsrechtliche Probleme, halte diese Probleme aber nicht für unlösbar. "Verfassungsrechtlich einigermaßen wasserdicht" sei es, "die Originalkennzeichen verbotener Vereinigung mit einer Strafbewehrung zu verbieten und auch Kennzeichen, die diesen Originalkennzeichen zum Verwechseln ähnlich sehen". Das neue Kennzeichenverbot werde indes vom Vereinsverbot entkoppelt, weil Kennzeichen verboten würden, die von erlaubten Vereinen als Identitätszeichen benutzt werden und sich etwa durch Ortszusätze von den Kennzeichen verbotener Vereinigungen unterscheiden. Dieser Eingriff in die Vereinigungsfreiheit bedürfe guter Rechtfertigungsgründe.

Daniel Heinke vom Landeskriminalamt Bremen betonte, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sei aus strategischer Perspektive der Kriminalitätsbekämpfung "uneingeschränkt zuzustimmen". Die Gesetzesänderung werde sich in erster Linie auf das öffentliche Auftreten von Anhängern sogenannter "Outlaw Motorcycle Gangs" (OMCG) auswirken. Diese "überwiegend kriminellen Rockergruppierungen" stellten eine ernstzunehmende Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Kennzeichnend für sie sei unter anderem ein öffentliches Auftreten, das darauf abziele, gewaltbereit und einschüchternd zu wirken. Dabei komme dem Tragen gemeinsamer Kleidung beziehungsweise Abzeichen eine besondere Bedeutung zu.

Thomas Jungbluth vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, hob hervor, dass ein Vereinsverbot auch das Entfernen der Kennzeichen und Symbole des verbotenen Vereins nach sich ziehen müsse, um das Verbot effektiv durchzusetzen. Für OMCG spielten Kennzeichen und Symbole eine entscheidende Rolle. Er halte es für folgerichtig, das Vereinsrecht anzupassen, um auch das Verwenden der zentralen Symbole der OMCG unter Strafe zu stellen. Dabei würden nicht die Mitglieder regionaler Ableger kriminalisiert, sondern das öffentliche Präsentieren der entscheidenden Symbole und Kennzeichen von OMCG unter Strafe gestellt.

Professor Michael Knape von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht sagte, die jetzige Änderung sei ein "Schritt in die absolut richtige Richtung". Damit werde Normenklarheit geschaffen sowie die Voraussetzung, dass die Polizei "auf niedriger Einschreitschwelle konsequent gegen Rocker einschreiten kann" und auch "nicht große Probleme in der Beweisführung hat hinsichtlich der Frage, ob denn der Verein verboten ist". Knape verwies zugleich darauf, dass das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu den wesentlichen Aspekten gehöre, die die Polizei zu beachten habe. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 18.01.17
Home & Newsletterlauf: 08.02.17


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Risikostrukturausgleich der Krankenkassen

    Verschiedene gesetzliche Initiativen der vergangenen Jahre zielen nach Angaben der Bundesregierung darauf ab, unzulässige Einflussnahmen auf die Datengrundlagen des Risikostrukturausgleichs (RSA) der Krankenkassen zu verhindern und die Manipulationsresistenz des RSA zu stärken. Zuletzt sei mit dem "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" (GKV-FKG) 2020 die sogenannte Manipulationsbremse eingeführt worden, heißt es in der Antwort (20/14678) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/14442) der Unionsfraktion.

  • Souveräne Dateninfrastruktur

    Die Bundesregierung strebt eine effiziente, wirtschafts- und innovationsfreundliche Umsetzungsstruktur der europäischen KI-Verordnung an, die knappe Ressourcen klug einsetzt. Das antwortet die Bundesregierung (20/14421) der AfD-Fraktion auf eine Kleine Anfrage (20/14109).

  • FDP legt Gesetzentwurf für flexibleres Stromsystem

    Die FDP-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes (20/14705) zur "Integration von Photovoltaik- und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Strommarkt und zur Vermeidung solarstrombedingter Netznotfall-Maßnahmen" vorgelegt. Er soll einerseits der Umsetzung der "Wachstumsinitiative der damaligen Bundesregierung vom Juli 2024 dienen.

  • Fairer Wettbewerb im digitalen Sektor

    Bis zum 5. Dezember 2024 haben die Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur (BNetzA) 747 Eingänge von Beschwerden erreicht. Bereinigt um Irrläufer und Spam seien 703 konkrete Beschwerden zu möglichen Verstößen gegen den Digital Services Act (DSA) eingelegt worden.

  • Provisionsverbot noch nicht absehbar

    Ob beziehungsweise inwieweit im Zuge der nationalen Umsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie national Maßnahmen ergriffen werden könnten, um Provisionen für den Abschluss von Versicherungsverträgen zu verbieten oder zu deckeln, ist noch nicht absehbar. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14411) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (20/14172) weiter mitteilt, haben die Trilogverhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht begonnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen