Bericht zum Lebensversicherungsgesetz


Compliance im Versicherungswesen: Zinszusatzreserven der Versicherungsbranche
Die Lebensversicherungsbranche befindet sich seit Jahren in einer tiefen Krise, die für einzelne Unternehmen – nach eigenen Aussagen der Branche – existenzbedrohende Ausmaße annehmen kann




Kunden von Lebensversicherungen sollen die von den Unternehmen garantierten Leistungen auch zuverlässig erhalten. Auf dieses Ziel müsse die Regulierung ausgerichtet werden, schreibt die Deutsche Bundesregierung in einer Antwort (18/13596) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/13419). Gegenwärtig würden aber alle Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, heißt es in der Antwort weiter, in der die Bundesregierung ankündigt, dem Finanzausschuss des Bundestages frühzeitig im Jahr 2018 einen Evaluierungsbericht zum Lebensversicherungsreformgesetz zur Verfügung zu stellen. Es sei dann auch beabsichtigt, Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Regulierung vorzustellen.

Vorbemerkung der Fragesteller
Die Lebensversicherungsbranche befindet sich seit Jahren in einer tiefen Krise, die für einzelne Unternehmen – nach eigenen Aussagen der Branche – existenzbedrohende Ausmaße annehmen kann. Grundproblem der Lebensversicherer sind ihre Zinsgarantien, für die Rückstellungen gebildet werden müssen. Bei der Berechnung der Rückstellungen geht es um die Frage, wie viel Geld man bei konservativer Verzinsung beiseitelegen müsste, um den einst garantierten Betrag auszahlen zu können.

Müssten Versicherer, so wie andere Unternehmen, ihre Rückstellungen mit den heutigen Marktzinsen berechnen, würden ihnen laut der Ratingagentur ASSEKURATA Assekuranz-Rating-Agentur GmbH mehr als 200 Mrd. Euro fehlen. Eine enorme Summe, die sie angesichts ihres dünnen Eigenkapitalpuffers (16 Mrd. Euro, nur 1,5 Prozent ihrer Bilanzsumme) überfordern würde. Auch die Bundesbank bestätigt, dass unter Berücksichtigung aller stillen Lasten und Reserven 64 Prozent die Versicherer ihre regulatorischen Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllen könnten. 30 Prozent der Unternehmen könnten bei einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld die Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden nicht mehr erfüllen.

Als zentraler Baustein der Rettungsmaßnahmen wurde im Jahr 2011 ohne Einbindung des Deutschen Bundestages mittels einer einfachen Verordnung die sogenannte Zinszusatzreserve eingeführt. Mit ihr wurden die Versicherer verpflichtet, ihre Garantieversprechen mit einem marktnäheren Zins zu berechnen. Hintergrund ist, dass Lebensversicherer hohe Schulden bei ihren Kunden eingehen. Diese vertrauen ihnen Geld über Jahrzehnte an. Dafür versprechen die Unternehmen eine Mindestrendite. Es gibt also einen definierten Auszahlungsbetrag, dessen Fälligkeit viele Jahre nach dem Vertragsschluss liegt. Anders aber als ein klassischer Kredit, der mit der vollen Summe bilanziert werden muss, darf man bei Versicherungsverträgen den zukünftig zu zahlenden Betrag „abzinsen“. Das heißt der Versicherer kann von dem Betrag den er als Schuld gegenüber dem Versicherten in der Bilanz deklarieren muss noch die erwarteten Zinsen und Zinseszinsen abziehen. Umso höher der Zinssatz, desto weniger Kapital muss man heute fiktiv beiseite legen. Dieses fiktive Kapital nennt man Rückstellung. Eine Rückstellung wird auf der Passivseite der Bilanz, also als Schuld bilanziert.

Die Zinszusatzreserve wurde nötig, da es im deutschen Recht die Vorschrift gibt, dass Lebensversicherer ihre Verpflichtungen anhand des von ihnen selbst gewählten Garantiezinses abzinsen dürfen. Wenn der Garantiezins nun aber höher ist als der mittelfristig vom Unternehmen erzielbare Zins, so sind die Rückstellungen der Unternehmen zu niedrig. Dies sollte über die Zinszusatzreserven ausgeglichen werden. Diese müssen die Unternehmen bilden, sobald ein Referenzzinssatz (ein gleitender Durchschnitt der Marktzinsen in den letzten zehn Jahren) unter den vom jeweiligen Versicherungsunternehmen durchschnittlich garantierten Zins fällt. Obwohl sie diesen Referenzzins nicht für die volle Laufzeit ihrer Verträge anzusetzen brauchen, geht es um etwa 200 Mrd. Euro zusätzliche Rückstellungen. Den Versicherern wurde eine lange Übergangsperiode gewährt. Sechs Jahre nach Einführung haben sie inzwischen 45 Mrd. Euro angespart.
(Deutsche Bundesregierung: ra)

eingetragen: 24.10.17
Home & Newsletterlauf: 13.11.17


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