MiFID II-Repetitorium: Anlegerschutz kommt zu kurz
Von der MiFID über das FRUG zur Anwendungspraxis: Was bleibt vom versprochenen Anlegerschutz?
Anlegerschutz erfährt durch das FRUG keinen wesentlichen Fortschritt - Positiv ist Verpflichtung der Finanzdienstleister und Banken zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen
(22.06.07) – MiFID steht weiterhin stark in der Kritik – erst Recht nach der deutschen Umsetzung durch die FRUG (Finanzmarktrichtlinienumsetzungsgesetz). Die Finanzdienstleister monieren den ungeheuren finanziellen Aufwand, der sich durch die Umsetzung der MiFID ergibt, Vermittler kritisieren die Offenlegung ihrer Provisionen und in der Öffentlichkeit wird grundlegend bezweifelt, ob MiFID und FRUG wesentliche Vorteile für den Schutz der Anleger bringen. In einer exklusiven Stellungnahme für Compliance-Magazin.de erläutert Dr. Gerhard Schick, MDB von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Mitglied des Finanzausschusses (seit Februar 2007 Obmann), die wesentlichen Kritikpunkte seiner Partei in Bezug auf die Umsetzung der MiFID durch FRUG unter Berücksichtigung der bestehenden Rechtslage wie sie in WpHG & Co festgelegt ist.
Seine Kernpunkte sind:
>> die MiFID erzwingt zu recht Verbesserungen in den Bereichen Markttransparenz, Beratung und Kundeninformation
>> die Vorteile für die Anlegerinnen und Anleger werden ab November 2007 aber wahrscheinlich nur marginal sein
>> der Gesetzesentwurf der Bundesregierung wird dem Anspruch eines umfassenden Anlegerschutzes, wie ihn die Richtlinie formuliert, nicht gerecht
>> FRUG: positive Neuerungen, welche die Richtlinienumsetzung im Bereich des Anlegerschutzes bewirken könnte, werden durch entgegenstehende Vorschriften des deutschen Rechts konterkariert
>> in der Kritik: Freie Vermittler müssen im Gegensatz zum gebundenen Berater einer Bank geringere Pflichten erfüllen und unterliegen keiner Kontrolle durch die Finanzaufsicht
>> selbst bei Formulierungsfragen des FRUG, die vermeintlich von untergeordneter Bedeutung sind, zeigt die Bundesregierung eine nachlässige Haltung zur Anlegerschutzthematik
>> wenn Daten in der Sphäre des Finanzdienstleisters aus aufsichtsrechtlichen Gründen vorliegen, ist nicht einsehbar, warum im Klagefall die Anleger beweispflichtig sein sollen
>> als wesentliches Hindernis eines effektiven Anlegerschutzes ist zunächst die nachteilige Verjährungsregelung zu nennen
>> noch nicht absehbare Probleme werden sich aus der unterschiedlichen Umsetzung der Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) und der Versicherungsvermittler-Richtlinie (VVR) für den Vertrieb von Versicherungsprodukten und anderen Finanzprodukten ergeben
Kommentar von Dr. Gerhard Schick im Original
Das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) hat am 11. Mai 2007 den Bundesrat passiert und damit die letzte legislative Hürde genommen. Die Politik hat damit ihren Beitrag zur Harmonisierung des europäischen Finanzmarktes geleistet. Allerdings ist das abstrakte Regelwerk des FRUG nur bedingt geeignet, der Finanzbranche eine konkrete Richtschnur an die Hand zu geben, um die neuen Vorgaben zu implementieren. Die entscheidenden Detailfragen werden letztlich durch die Rechtsverordnungen des Bundesfinanzministeriums vorgegeben. Zusätzlich richten sich die Blicke nach Brüssel, wo der Ausschuss der EU-Wertpapierregulierungsbehörden (Committee of European Securities Regulators, CESR) im Zuge des Level 3 Verfahrens nach Lamfalussy sukzessive Empfehlungen für die unterschiedlichen Regelungsbereiche der MiFID publiziert. Diese dienen einer Konvergenz der Aufsicht durch die jeweiligen Mitgliedstaaten und stellen damit die maßgebliche Orientierung für die beaufsichtigten Finanzinstitute dar. Dieser ausgedehnte Entstehungsprozess von der anfänglichen EU-Richtlinie bis zur angewendeten Rechtspraxis lässt aus der Anlegerperspektive ein beunruhigendes Gefälle im Schutzniveau erkennen:
Während die Europäische Kommission die Stärkung des Anlegerschutzes in ihrem Richtlinienvorschlag noch zum maßgeblichen Grundpfeiler funktionierender Finanzmärkte erklärt, steht nun am Ende des Umsetzungsprozesses zu befürchten, dass die Vorteile für die Anlegerinnen und Anleger ab November 2007 marginal sein werden.
Der Weg zur Abschwächung hehrer Anlegerschutzziele
Was sich zwischenzeitlich ereignet hatte, war eine nationale Umsetzung der europäischen Vorgaben, bei denen die Bundesregierung stets ihren Duktus einer 1:1-Umsetzung europäischer Richtlinien stur verfolgte. Gemäß Koalitionsvertrag hatte man sich darauf verständigt, bei Umsetzungsbemühungen nicht über die Vorgaben der EU hinauszugehen, um Nachteile für die deutsche Finanzwirtschaft zu vermeiden. Darf das aber im Umkehrschluss heißen, dass man dafür bei den anlegerfreundlichen Regelungen Abstriche macht?
Ein zentrales Anliegen der europäischen Richtlinie war es, den Anlegerschutz zu stärken. Nur transparente und integre Märkte können das Vertrauen der Anleger gewinnen, die wiederum durch ihre Investitionen die Liquidität am Finanzmarkt gewährleisten. Soweit die ausdrückliche Botschaft aus Brüssel.
Aber nicht nur vor dem Hintergrund funktionierender Kapitalmärkte kommt dem Anlegerschutz maßgebliche Bedeutung zu. Gerade in Deutschland werden die Bürgerinnen und Bürger zunehmend aufgefordert, private Altersvorsorge zu betreiben. Dabei geht der Trend weg vom Sparkonto hin zu komplexen und beratungsintensiven Kapitalmarktprodukten, sodass auch im Lichte dieser Entwicklung ein effektiver Schutz der Verbraucher bei Finanzdienstleistungen unerlässlich ist.
Die MiFID erzwingt deshalb zu recht Verbesserungen in den Bereichen Markttransparenz, Beratung und Kundeninformation. So werden beispielsweise konkretisierte Wohlverhaltensregeln für die Finanzdienstleister, festgesetzte Bedingungen zum Abschluss von Berufshaftpflichtversicherungen sowie eine Verpflichtung zur Offenlegung von bestimmten Kosten und Provisionen beim Erwerb von Finanzprodukten eingeführt. Auch haben Börsen und andere private Handelsplattformen künftig weitreichende Vor- und Nachhandelstransparenz zumindest in Bezug auf Aktien zu beachten. Das fördert den Wettbewerb zwischen den Anbietern und senkt Transaktionskosten für die Anleger. Positiv aus Verbrauchersicht ist zudem eine Verpflichtung der Finanzdienstleister und Banken zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen (sog. Best-Execution-Regelung). Damit profitieren die Anlegerinnen und Anleger vom breiten Angebot der verfügbaren Handelsplätze.
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung wird dem Anspruch eines umfassenden Anlegerschutzes, wie ihn die Richtlinie formuliert, indes nicht gerecht.
Fakultative Regelungsoptionen der Richtlinie werden bei der Umsetzung zu Lasten der Anlegerinnen und Anleger entschieden. Positive Neuerungen, welche die Richtlinienumsetzung im Bereich des Anlegerschutzes bewirken könnte, werden durch entgegenstehende Vorschriften des deutschen Rechts konterkariert.
Kritik am Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, FRUG
Obgleich der Basistext der Richtlinie ausreichend Gelegenheiten eröffnete, um den Finanzplatz Deutschland anlegerfreundlich weiterzuentwickeln, blieben diese Chancen weitestgehend ungenutzt:
So ist insbesondere unverständlich, dass geschlossene Fonds ausweislich der Begründung zum FRUG nicht den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes unterfallen sollen. Damit wird die Chance vertan, den so genannten Grauen Kapitalmarkt stärker zu regulieren und einer Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuzuführen. Gerade in diesem Bereich verlieren Anleger jedes Jahr Milliarden durch unseriöse Marktakteure. Hier besteht bislang nur eine ungenügende Prospektpflicht, die lediglich eine Prüfung auf Vollständigkeit, nicht aber des Inhalts zur Folge hat. Dabei wären gerade hier Wohlverhaltenspflichten bei der Anlageberatung und Vermittlung, Informationspflichten zu Risiken, Provisionen oder sonstigen Kosten, Anforderungen an die Sachkunde des Vermittlers sowie Regelungen zur Berufshaftpflicht dringend notwendig. Stattdessen sehen sich Anleger auf den jeweiligen Märkten unterschiedlichen Schutzniveaus gegenüber, je nachdem um welches Finanzprodukt es sich handelt und auf welchem Weg es vertrieben wird.
Zudem beschränkt sich die Bundesregierung bei der Ausklammerung von geschlossenen Fonds auf eine formale Argumentation. Sie stellt darauf ab, dass geschlossene Fonds nicht mit Aktien vergleichbar seien, sie insbesondere nach anderen rechtlichen Vorschriften übertragen würden. Eine solche Vorgabe ist in der europäischen Richtlinie aber gar nicht enthalten. Vielmehr kommt es auf die Handelbarkeit des Finanzproduktes an. Gerade für geschlossene Fonds haben sich in der Vergangenheit Handelsplätze, wie die Börse Hamburg, etabliert. Das Kriterium der Handelbarkeit ist daher erfüllt. Wenn die Bundesregierung in ihrer steten Mahnung einer 1:1-Umsetzung der Richtlinie konsequent wäre, hätte sie die geschlossenen Fonds in das FRUG einbeziehen müssen.
Letztlich muss eine umfassendere Regulierung und mehr Transparenz im Bereich der geschlossenen Fonds auch im Interesse der Fondsbetreiber sein. Nur integre Märkte können langfristig das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger gewinnen und damit einen Anreiz zur Investition bieten. Gleichwohl ist es wichtig, Lösungen zu finden, die für die Unternehmen auch tragbar sind. Eine künftige Einbeziehung geschlossener Fonds könnte etwa großzügigere Übergangsfristen erfordern.
Weiterer Grund zur Kritik ist die im FRUG vorgesehene Bereichsausnahme für ungebundene Vermittler von Investmentfonds. Freie Vermittler müssen im Gegensatz zum gebundenen Berater einer Bank geringere Pflichten erfüllen und unterliegen keiner Kontrolle durch die Finanzaufsicht. Das führt zu dem absurden Ergebnis, dass der Kunde je nach Vertriebsweg ein unterschiedliches Schutzniveau genießt. Sind dem Anleger aufgrund der MiFID künftig Provisionen und andere Kosten offenzulegen, so gilt dies paradoxerweise ausgerechnet dort nicht, wo Vermittler regelmäßig in Finanzstrukturvertriebe eingebunden sind und maßgeblich durch Provisionszahlungen gesteuert werden. Eine Einbeziehung unter die Regeln des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und jene des Kreditwesensgesetzes (KWG) wäre daher deutlich angezeigt. Die MiFID hatte den Mitgliedstaaten diese Möglichkeit in Art. 3 der Richtlinie auch explizit eröffnet.
Selbst bei Formulierungsfragen des FRUG, die vermeintlich von untergeordneter Bedeutung sind, zeigt die Bundesregierung eine nachlässige Haltung zur Anlegerschutzthematik. Die Finanzinstrumente, die den Kunden angeboten werden, sind heutzutage hoch komplexer Natur. Insofern wurden die Explorationspflichten der Berater ausgeweitet und konkretisiert. Die Berater müssen umfassende Informationen über die Finanzmarkterfahrungen der Kunden einholen und selbst den jeweiligen Beruf erfragen. Erhalten die Berater keine Antworten oder kommen sie nach eingehender Prüfung zu dem Entschluss, dass ein bestimmtes Finanzprodukt für den Kunden nicht angemessen ist, so ist der Kunde laut Basistext der Richtlinie zu "warnen". Im FRUG hingegen ist im entsprechenden Paragrafen davon die Rede, dass der Kunde darauf "hinzuweisen" oder zu "informieren" ist. Zwischen "warnen" und "hinweisen" besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied in der Wahrnehmung der Dringlichkeit. Diese Kritik in den Beratungen zur Sprache gebracht, hieß es seitens der Regierung nur, das Wertpapierhandelsgesetz kenne die Begrifflichkeit "warnen" nicht. Vor dem Hintergrund dass der Kunde hier auf Risiken aufmerksam gemacht werden soll, die ihn gegebenenfalls um sein mühsam Erspartes bringen können, ist das eine kaum nachvollziehbare Begründung. Ein weiterer Schritt weg vom ursprünglichen Richtlinientext und hin zur Verwässerung des Anlegerschutzgedankens.
Kritik an der bestehenden Rechtslage, WpHG & Co
Nicht nur dass die Bundesregierung die in der Richtlinie veranlagten Potentiale zu stärkerem Anlegerschutz stiefmütterlich behandelt hat. Auch wurden die bereits bestehenden Hindernisse des nationalen Rechts nicht abgebaut, so dass die Anlegerinnen und Anleger beim FRUG gleich zweifach das Nachsehen haben.
Als wesentliches Hindernis eines effektiven Anlegerschutzes ist zunächst die nachteilige Verjährungsregelung zu nennen, die in Fällen zu beachten ist, in denen der Anleger Schadensersatz fordert, weil er von seiner Bank falsch beraten wurde. Die verjährungsrechtliche Spezialnorm des § 37 a WpHG hat hier zur Folge, dass der Anspruch geschädigter Anleger verjähren kann, noch bevor diese auch nur Kenntnis von ihren Ansprüchen erlangt haben. Grund hierfür ist die von den üblichen Verjährungsregelungen des BGB abweichende Bestimmung des Fristbeginns. Nach den allgemeinen Verjährungsregeln markiert die subjektive Kenntnis des Anspruchsinhabers von den anspruchsbegründenden Tatsachen den Fristbeginn. Wissen folglich Anlegerinnen und Anleger um ihren Anspruch – also dass die Bank falsch beraten hat und ihnen daraus ein Schaden entstanden ist – und unternehmen drei Jahre lang nichts, um ihr Recht geltend zu machen, dann ist es im Sinne der Rechtssicherheit, dass ihnen bei einer späteren Klage die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden kann. Sie können somit ihren Anspruch dann nicht mehr gerichtlich durchsetzen.
Hingegen legt § 37 a WpHG eine rein objektive Anknüpfung für den Fristbeginn fest, indem die dreijährige Frist bereits ab der Entstehung des Anspruchs zu laufen beginnt. Damit läuft die Frist von 3 Jahren ab Erwerb des Finanzproduktes und nicht erst wenn die Anleger von dem Umstand einer Falschberatung Kenntnis erlangen oder hätten erlangen können. Diese Regelung ist aber insbesondere bei Kapitalanlagen völlig inadäquat. Die Anleger können häufig erst nach langer Zeit feststellen, ob eine Anlageempfehlung oder -beratung falsch war und daraus ein Schaden resultierte oder ob die Werteinbuße ihrer Anlage lediglich auf Marktgegebenheiten zurückzuführen ist, auf deren Unwägbarkeiten im Rahmen der Beratung hingewiesen wurde. Mit der Streichung der Spezialnorm § 37 a WpHG wird der Rückgriff auf die Verjährungsregelungen des Allgemeinen Teils des BGB eröffnet.
§ 37 a WpHG wurde 1998 eingeführt, weil die damals 30 Jahre betragende Regelverjährungsfrist des BGB für die beratenden Wertpapierunternehmen als unangemessenes Risiko erachtet wurde. Seit der Schuldrechtsmodernisierung 2001 ist dieses Hauptmotiv jedoch entfallen, da die Regelverjährung auf drei Jahre verkürzt wurde. Die Norm des § 37 a WpHG hat ihre Daseinsberechtigung verloren. Es schadet nunmehr eher dem Ansehen des Finanzplatzes Deutschland, wenn berechtigten Ansprüchen der Anleger seitens der Finanzinstitute mit der Verjährungseinrede begegnet wird. Auch würde die Angleichung an die zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften des BGB keine ewig drohende Haftung der Finanzinstitute nach sich ziehen, denn die Verjährung tritt jedenfalls zehn Jahre nach Anspruchsentstehung unabhängig von der Kenntnis der Anleger ein. Das Risiko bliebe für die Finanzinstitute folglich kalkulierbar.
Aber selbst wenn Ansprüche noch nicht verjährt sind, haben Anleger bisher kaum Erfolg beim Einfordern ihrer Rechte. Denn gemäß der üblichen Beweisregel sind sie als Kläger vor Gericht für ihr Vorbringen beweispflichtig. Gleichwohl ist es allgemein im Zivilverfahrensrecht ebenso anerkannt, dass sich die Beweispflichtigkeit an den Sphären der Informationszugänglichkeit der involvierten Personen orientieren kann - letztlich also daran, wer den leichteren Zugriff auf beweisrelevantes Material hat.
Das FRUG verpflichtet die Finanzdienstleister aber bereits zur umfassenden Dokumentation ihrer Kundenexploration und -beratung. Diese Dokumentation soll seitens der Finanzdienstleister vorgehalten werden, um etwaigen Kontrollen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Beurteilungsgrundlage zu dienen. Hierdurch ist es den kontrollierten Unternehmen möglich, gegenüber der BaFin die Einhaltung ihrer Beratungs- und Sorgfaltspflichten zu belegen. Wenn diese Daten aber ohnehin in der Sphäre des Finanzdienstleisters aus aufsichtsrechtlichen Gründen vorliegen, ist nicht einsehbar, warum im Klagefall die Anleger beweispflichtig sein sollen. Vielmehr wäre es aus Anlegerschutzgesichtspunkten und auch im Lichte des Regelungsauftrages der MiFID geboten gewesen, die Dokumentations- und Darlegungspflicht der Wertpapierdienstleister auf den Zivilprozess auszuweiten. Den betroffenen Unternehmen entstünde dadurch weder ein zusätzlicher Kostenaufwand noch zusätzliche Bürokratie. In den parlamentarischen Beratungen wurde aber auf diesen Aspekt mit keinem Wort eingegangen, so dass neue Pflichtentatbestände der Finanzbranche im FRUG keinerlei Konsequenzen nach sich ziehen. Denn kommt es zu einer schuldhaften Verletzung seitens eines Wertpapierdienstleisters wird es für die Anleger nach wie vor schwierig sein, diese Verletzung und den daraus resultierenden Schaden im Prozess geltend zu machen.
Zu diesen vorstehenden Kritikpunkten gesellt sich ein weiterer von übergeordneter Bedeutung: Noch nicht absehbare Probleme werden sich aus der unterschiedlichen Umsetzung der Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) und der Versicherungsvermittler-Richtlinie (VVR) für den Vertrieb von Versicherungsprodukten und anderen Finanzprodukten ergeben. Diese Produkte treten zunehmend in Konkurrenz, beispielsweise bei der Altersvorsorge. Sie werden auch häufig bereits aus einer Hand angeboten. Sowohl Versicherungen als auch Finanzprodukte und die entsprechenden Dienstleister unterliegen zudem der Allfinanzaufsicht der BaFin. Vor diesem Hintergrund ist es aber den Kundinnen und Kunden nur schwer begreiflich und auch ein logischer Bruch in der Gesetzgebung, dass teilweise divergierende Vorschriften existieren. Langfristig muss es daher ein Anliegen des deutschen Gesetzgebers sein, die Anlageberatung, -verwaltung und -vermittlung beider Produktsegmente in einem einheitlichen Regelwerk zu vereinen, wie dies beispielsweise in Großbritannien bereits der Fall ist.
Was bleibt also unter dem Strich
Abschließend bleibt zu hoffen, dass sich am Ende nicht die provokative These bewahrheitet, welche kürzlich von dem bekannten Anlegerschutzanwalt Andreas Tilp auf dem 58. Deutschen Anwaltstag geäußert wurde: Jener sprach nämlich davon, dass man aus Anlegersicht über jede Bereichsausnahme, die das FRUG von der MiFID vorsieht, dankbar sein müsse. Andernfalls wäre man im Anwendungsbereich des viel restriktiveren WpHG. Dieses Sonderrecht sei unter anderem wegen der kurzen Verjährungsnorm des § 37 a WpHG viel nachteiliger für den Anleger als eine Behandlung nach den allgemeinen Zivilrechtsvorschriften.
Die These war letztlich zugespitzt formuliert, sollte polarisieren und zum Widerspruch einladen. Doch die zuhörenden Fachleute blieben still. Auch diese Reaktion verdeutlicht, dass die Einschätzung geteilt wird, dass der Anlegerschutz durch das FRUG keinen wesentlichen Fortschritt erfährt.
Umso mehr werden wir Grünen uns weiterhin für einen umfassenden Anlegerschutz engagieren. Unser Leitbild sind dabei mündige Anlegerinnen und Anleger, denen durch verständliche Informationen in angemessenem Umfang zu einer selbständigen Entscheidungsfindung verholfen wird. Das ist der Grundstein für eine eigenständige private Altersvorsorge, bei der es kein böses Erwachen gibt. Zudem muss dieser Typus Anleger auch im Interesse des Finanzmarktes liegen, zumal nur der informierte Anleger in das beste Angebot investiert, dadurch Wettbewerb zwischen den Anbietern intensiviert und die Kapitalallokation am Markt optimiert.
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ra)
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Biografie
Dr. Gerhard Schick, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MdB
Dr. Gerhard Schick (Jahrgang 1972) ist promovierter Volkswirt. Berufliche Stationen vor dem Bundestagsmandat waren das Walter-Eucken-Institut in Freiburg im Breisgau, die Stiftung Marktwirtschaft in Berlin und die Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh.
Politische Laufbahn
Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen seit 1996, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen seit 2001, ein Jahr später Mitglied des Verhandlungsteams für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD, 2005 schließlich die Bundestagskandidatur auf der baden-württembergischen Landesliste der Grünen.
Seit Oktober 2005 ist Dr. Schick Mitglied des Deutschen Bundestages (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen).
Weitere Funktionen:
Mitglied des Finanzausschusses (seit Februar 2007 Obmann)
stellvertretendes Mitglied in den Ausschüssen
>> für Wirtschaft und Technologie
>> für die Angelegenheit der Europäischen Union