Kosten in Millionenhöhe für die Internetbranche
eco und SpaceNet forcieren Grundsatzentscheidung: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen europäische Grundrechte
"Es ist an der Zeit für eine neue Grundsatzentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung", sagt Prof. Dr. Matthias Bäcker, Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Verfasser der Klageschrift
Der Internet Provider SpaceNet will, unterstützt von eco, gerichtlich feststellen lassen, dass er nicht verpflichtet ist, die Regelungen der neuen Vorratsdatenspeicherung zu befolgen. Deshalb hat er Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Ziel dieser Klage ist insbesondere, durch die Vorlage grundlegender Rechtsfragen eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, die in letzter Konsequenz nur der Europäische Gerichtshof (EuGH) treffen kann.
Das Gesetz zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ist im Dezember vergangenen Jahres in Kraft getreten. Damit wurde eines der unpopulärsten netzpolitischen Vorhaben des letzten Jahres zwar formell abgeschlossen, viele rechtliche Fragen sind aber nach wie vor heftig umstritten. Neben der Verletzung von Bürgerrechten greift das Instrument auch in die grundrechtlich garantierten Freiheiten der Unternehmen ein. SpaceNet und eco sind überzeugt davon, dass die Vorratsdatenspeicherung sowohl die Berufsfreiheit als auch die unternehmerische Freiheit verletzt.
eco und SpaceNet forcieren Grundsatzentscheidung
"Es ist an der Zeit für eine neue Grundsatzentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung", sagt Prof. Dr. Matthias Bäcker, Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Verfasser der Klageschrift.
Denn unklar ist nach dem Urteil des Gerichtshofs bis heute, ob die anlasslose Datenspeicherung - wie sie nun das deutsche Recht vorsieht - durch strenge materielle und prozedurale Anforderungen an die Datenverwertung kompensiert werden kann.
"Die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung wird sich jetzt sowohl am Grundgesetz als auch an den Unionsgrundrechten messen lassen müssen. Ich bin davon überzeugt, in der aktuellen Fassung widerspricht das Gesetz den Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens und informationelle Selbstbestimmung, außerdem ist es ein rechtswidriger Eingriff in die unternehmerische Freiheit und Berufsfreiheit der betroffenen Internet Provider", sagt Bäcker.
Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen europäische Grundrechte
Der EuGH hat bereits 2014 die anlasslose Speicherung aller Kommunikationsdaten ohne Differenzierungen, Einschränkungen oder Ausnahmeregelungen als einen klaren Verstoß gegen europäische Grundrechte bewertet. Zudem stellt das Urteil hohe Anforderungen an den Schutz von Berufsgeheimnisträgern.
Diesen Schutz sieht Sebastian von Bomhard, Vorstand der SpaceNet AG, durch die deutschen Regeln nach wie vor nicht gewährleistet: "Das Gesetz verpflichtet uns, alle Verbindungsdaten unserer Kunden vorzuhalten und Polizei, Staatsanwaltschaft oder Verfassungsschutz darüber Auskunft zu geben. Das ist ein Vertrauensbruch, zu dem wir genötigt werden sollen. Dabei ist es auch egal, ob es sich um Seelsorger, Journalisten, Rechtsanwälte oder Mediziner handelt - es beschädigt in jedem Fall unsere Geschäfts- und Kundenbeziehungen."
Kosten in Millionenhöhe für die Internetbranche
Darüber hinaus sind immense Investitionen für die Internetprovider nötig, um überhaupt die technischen Voraussetzungen für die umfassende Datenspeicherung zu schaffen. Sebastian v. Bomhard ergänzt: "Viele dieser Kosten sind nicht linear, treffen also kleinere Anbieter relativ stärker als große, was einen völlig unnötigen Eingriff in den Markt darstellt." Außerdem stehen die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen der Vorratsdatenspeicherung. Zum einen ändert sich die Aufklärungsquote kaum, zum anderen wurden die Daten bisher auch hauptsächlich für die Aufklärung von Diebstahl- und Betrugsdelikten verwendet.
"Die Bundesregierung hat mit der Vorratsdatenspeicherung ein Gesetz erlassen, das viele Verlierer hervorbringen wird, ohne das damit ein Mehrwert für Sicherheit und Verbrechensbekämpfung verbunden ist", kritisiert eco Vorstand Politik & Recht, Oliver Süme.
Die betroffenen Unternehmen würden voraussichtlich auf Kosten von geschätzt 600 Millionen Euro sitzen bleiben, die sie für die Einrichtung entsprechender Speicherinfrastruktur investieren werden müssen. "Das ist eine netzpolitische Fehlentscheidung, vor der eco in der Vergangenheit immer wieder gewarnt hat und die vermeidbar gewesen wäre, wenn sich die Bundesregierung sorgfältiger mit den Einwänden der Wirtschaft auseinandergesetzt hätte." Deshalb, so Süme, sei es für den Verband der Internetwirtschaft ein besonderes Anliegen, die Klage der SpaceNet AG mit allen Kräften zu unterstützen. (eco: ra)
eingetragen: 24.05.16
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