Statement: AI Act: Klarer Kurs statt Aufschub


Trotz immer lauter werdender Forderungen nach einer Verschiebung hält die EU-Kommission am Zeitplan für den AI Act fest – und sendet damit ein klares Signal
Europa hat die Chance, sich als Testmarkt für vertrauenswürdige KI zu etablieren



Mehr als 110 europäische Unternehmen, darunter Technologieführer wie SAP, ASML und Mistral, haben sich jüngst in einem offenen Brief für einen innovationsfreundlicheren Regulierungsansatz beim AI Act ausgesprochen. Sie kritisieren vor allem die Komplexität der Anforderungen, enge Fristen und mögliche Wettbewerbsnachteile gegenüber weniger regulierten Märkten. Vor diesem Hintergrund kommentiert Guido Hansch, Group Data Protection Officer bei der codecentric AG, die Entscheidung der EU-Kommission, am bisherigen Zeitplan festzuhalten:

"Trotz immer lauter werdender Forderungen nach einer Verschiebung hält die EU-Kommission am Zeitplan für den AI Act fest – und sendet damit ein klares Signal: Europa lässt sich nicht von kurzfristigen Interessen leiten. Während die USA auf Deregulierung setzen und China staatlich kontrollierte Modelle verfolgt, etabliert Europa einen dritten Weg – einen regelbasierten Ansatz, der Innovation mit gesellschaftlicher Verantwortung verbindet.
Die Entscheidung, am ursprünglichen Zeitplan festzuhalten, schafft klare Verhältnisse. Unternehmen und Behörden richten sich nun auf die Umsetzung aus, anstatt auf eine mögliche Verzögerung zu spekulieren. Paradoxerweise dürfte dies zu einer effizienteren Vorbereitung führen. Entscheidend ist nun, die verbleibende Zeit konsequent zu nutzen – für praxisnahe Standards und tragfähige Leitlinien.

Europa hat die Chance, sich als Testmarkt für vertrauenswürdige KI zu etablieren. Wer hier die Anforderungen erfüllt, differenziert sich und verschafft sich so Vorteile. Auch die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung profitiert: Der Einsatz vertrauenswürdiger KI in Bereichen wie Gesundheit, Bildung oder Bürgerdiensten zeigt, wie Technologie dem Gemeinwohl dient. Auch das wird zum Differenzierungsmerkmal – nicht nur auf technischer, sondern auch auf kultureller Ebene. Europa exportiert dabei längst nicht allein KI-Technologie, sondern auch ein Verständnis für ihre verantwortliche Anwendung.

Für die deutsche und europäische Wirtschaft ergeben sich konkrete Chancen, etwa in der Entwicklung von Auditing-Tools, Risikobewertung oder ethischer Systemarchitektur. Wer hier vorangeht, stärkt den Standort und erschließt neue Geschäftsfelder.
Die Debatte um den AI Act sollte kein Gegenspiel zwischen Regulierung und Innovation sein. Der AI Act ist ein Rahmen, der technologische Exzellenz mit demokratischen Werten verbindet. Eine pragmatische Herangehensweise, die sowohl wirtschaftliche Anforderungen als auch den Verbraucherschutz berücksichtigt, wird zum strategischen Vorteil.

Die Entscheidung der EU-Kommission zeigt: Europa ist bereit, diese Balance zu halten. Jetzt liegt es an Unternehmen, Behörden und Zivilgesellschaft, die Umsetzung entschlossen mitzugestalten."

Der Autor
Guido Hansch ist Group Data Protection Officer und im Bereich Recht & Compliance bei der codecentric AG tätig. Seine Schwerpunkte liegen in Compliance Management, Datenschutz und IT-Recht. Zuvor verantwortete er den Bereich "Globaler Datenschutz" in einem international tätigen Konzern. Hansch studierte Rechtswissenschaften in Bonn und Glasgow und tritt regelmäßig als Referent und Fachautor zu datenschutzrechtlichen und Compliance-Themen auf. (codecentric: ra)

eingetragen: 14.07.25

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