Grundrechtsproblematische Massenüberwachung


EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung ist ein Sieg für die Zivilgesellschaft
Eine Speicherung von Verbindungsdaten ist immer ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Menschen – auch wenn nur für einen kurzen Zeitraum gespeichert wird



Der europäische Gerichtshof hat am 20. September 2022 ein historisches Urteil verkündet: Die aktuell in Deutschland geltende Vorratsdatenspeicherung widerspricht den Grundrechten der EU und das entsprechende deutsche Gesetz ist damit null und nichtig.

"Seit zwanzig Jahren beharrte die Politik auf der grundrechtsproblematischen Vorratsdatenspeicherung und lenkte von den echten Problemen ab. So verhinderte die Politik die Einführung notwendiger grundrechtskonformer Maßnahmen", sagt padeluun, Mitgründer und Vorstand von Digitalcourage (padeluun = Pseudonym).

Eine Vorratsdatenspeicherung lässt weitreichende Rückschlüsse auf das Privatleben aller Bürgerinnen und Bürger zu. Denn auch ganz ohne Kenntnis der Gesprächsinhalte können die Verbindungsdaten Rückschlüsse auf die Lebenssituation von Menschen erlauben, Informanten der Presse gefährden oder vertrauliche Beziehungen zu Ärztinnen, Beratungsstellen oder Anwälten offenlegen. Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung erzeugt ein Gefühl des dauernden Überwacht-Werdens. Das darf es in einer Demokratie nicht geben.

Der EuGH stellt in seinem Urteil klar: Eine Speicherung von Verbindungsdaten ist immer ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Menschen – auch wenn nur für einen kurzen Zeitraum gespeichert wird.

Der Erfolg beruht auf viel langfristiger Arbeit der Zivilgesellschaft. Seit 2002 kämpft Digitalcourage (damals FoeBuD) gegen die Vorratsdatenspeicherung: mit einer ganzen Reihe von Großdemos unter dem Motto "Freiheit statt Angst", mit Argumenten, Aufklärung, Kreativität und vielen Aktionen, mit einer ganz breiten Bewegung von Bündnispartnern. Digitalcourage-Gründungsmitglieder Rena Tangens und padeluun waren bereits an der Verfassungsklage des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) beteiligt, die 2010 erfolgreich die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zum ersten Mal zu Fall gebracht hat und führen den Kampf der Zivilgesellschaft gegen diese Form der Massenüberwachung seit nunmehr zwanzig Jahren.

Im Februar 2018 wurde eine aktuell laufende Verfassungsbeschwerde (BVer2683/16) von Digitalcourage vom Bundesverfassungsgericht angenommen. Mehr als 37.000 Menschen haben die Klage mit unterzeichnet und über zwanzig prominente Mitbeschwerdeführer unterstützen sie – neben Rena Tangens und padeluun von Digitalcourage u.a. der Kabarettist Marc-Uwe Kling, der ex-Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, die Schriftstellerin Juli Zeh, der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, der Piraten-Politiker Patrick Breyer und der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall.

Digitalcourage fordert Bundesregierung jetzt auf: Finger weg von anlassloser Speicherung
Justizminister Marco Buschmann sagte in seiner Pressekonferenz zum EuGH-Urteil: "Ein guter Tag für die Bürgerrechte" und würdigte ausdrücklich das Engagement der Zivilgesellschaft. Amtskollegin Innenministerin Nancy Faeser dagegen brachte erneut eine anlasslose Speicherung sämtlicher IP-Adressen ins Spiel.

Digitalcourage fordert von der Bundesregierung, nicht wieder den Geist eines EuGH-Urteils ins Gegenteil zu verkehren.

Wie Verbrechen wirksam bekämpft werden können, insbesondere die von der Innenministerin ins Feld geführte Gewaltkriminalität gegenüber Kindern, hat Digitalcourage bereits 2020 dargelegt. Wirksame und rechtsstaatlich vertretbare Kinderschutz-Maßnahmen wären unter anderem der Ausbau von Präventionsmaßnahmen, ausreichend Personal bei Polizei und Justiz, um unverzüglich die Verfolgung konkreter Anhaltspunkte zu gewährleisten oder eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Ermittlerinnen und Ermittler. (Digitalcourage: ra)

eingetragen: 26.09.22
Newsletterlauf: 23.11.22

Digitalcourage: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Reduktion bürokratischer Hürden war überfällig

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßt, dass die EU-Kommission die Bedeutung des europäischen Verbriefungsmarktes erkannt und konkrete Reformvorschläge vorgelegt hat. Die geplanten Entlastungen bei Sorgfaltspflichten, Reporting und aufsichtlichen Prozessen sind ein Schritt in die richtige Richtung.

  • Haftungsübernahme der Banken & Betrugsproblem

    Die Europäische Union will Betrug eindämmen, bei dem Kundinnen und Kunden von Kriminellen getäuscht und zu Zahlungen verleitet werden. Der Rat hat sich nun auf seine Position zur Änderung des Zahlungsrechts verständigt. Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes und diesjähriger DK-Federführer, betont: "Betrug kann nur wirksam bekämpft werden, wenn alle Beteiligten - Kreditinstitute, Telekommunikationsanbieter und Internetplattformen - ihren Beitrag leisten. Das muss auch der gesetzliche Rahmen widerspiegeln." Denn die Kriminellen entwickelten ihre Betrugsmaschen ständig weiter und nutzen neue Einfallstore über Social Media und andere digitale Kommunikationsmittel. Unerlässlich ist aber auch die Wachsamkeit der Kundinnen und Kunden. "Ohne ihre Mithilfe kann das Problem nicht gelöst werden", so Herkenhoff weiter.

  • Neue EU-Labels zu Langlebigkeit

    Am 20. Juni 2025 trat die neue EU-Ökodesignverordnung in Kraft.?Zugleich gibt es neue EU-Labels zu Langlebigkeit und Reparierbarkeit. Dazu erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: "Die neuen Regelungen zum Ökodesign und entsprechenden Kennzeichen sind ein wichtiger Schritt für mehr Nachhaltigkeit in der digitalen Welt."

  • Finanzsektor muss mitgedacht werden

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) sieht Fortschritte, da sich die EU-Mitgliedsstaaten auf eine allgemeine Ausrichtung zur Omnibus Initiative geeinigt haben. Die ursprünglich von der Europäischen Kommission geplanten Vereinfachungen bei Berichtspflichten im Bereich Sustainable Finance sind ein wichtiger Schritt, um Unternehmen von Bürokratie zu entlasten und Nachhaltigkeit in der Praxis wirksamer zu gestalten.

  • Krisenmanagement & Einlagensicherung

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßt den politischen Kompromiss zur Reform des europäischen Rahmens für Krisenmanagement und Einlagensicherung (CMDI). "Der Kompromiss ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Einlagensicherung kann modernisiert, das europäische Abwicklungsregime gestärkt werden. Doch zentrale Fragen zur Rolle und finanziellen Belastung nationaler Sicherungssysteme bleiben offen", sagt Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des diesjährigen DK-Federführers Bundesverband deutscher Banken."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen