Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung


Vorratsdaten: Gesetzesentwurf sieht Speicherung in bislang unbekanntem Ausmaß vor
eco schlägt Ausklammern der Internetdienste vor - Modifizierung der technischen Speicheranforderungen als Minimallösung - Mindestens 2.500 betroffene Unternehmen: Staat muss Kosten tragen

(09.07.15) - Durch die von der Bundesregierung am 27. Mai 2015 beschlossene Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wird es bei der Umsetzung durch die Anbieter zu deutlich mehr Datenspeicherungen kommen als zu Zeiten der letzten Vorratsdatenspeicherung. Zu diesem Fazit kommt eine neue Stellungnahme von eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. Grund dafür sind hauptsächlich die veränderten technischen Gegebenheiten. Anders als noch vor zehn Jahren reicht heute die IP-Adresse alleine nicht mehr aus um einen bestimmten Anschluss zu identifizieren. Anbieter müssen vielmehr eine neue, riesige Datenbank aufbauen, die neben IP-Adressen auch den so genannten Port, der den genutzten Dienst feststellt, aufzeichnet, sowie den genauen Zeitstempel, der die Nutzung eines Dienstes idealer Weise bis auf die Millisekunde genau festhält.

Damit droht eine lückenlose Aufzeichnung des Verhaltens aller Nutzer im Netz. "Viele der vorgesehenen technischen Vorschriften sind für die Praxis nicht handhabbar und führen gleichzeitig zu erheblichen Konflikten mit Grundrechten", sagt eco Vorstand Politik & Recht Oliver Süme. "Die Bundesregierung könnte einige dieser Konflikte vermeiden, wenn sie die Internetdienste von der Speicherverpflichtung ausklammerte."

Sollte die Bundesregierung trotz erheblicher verfassungsrechtlicher und technischer Bedenken an ihrem Vorhaben der massenhaften Datenspeicherung festhalten, müsste der Gesetzesentwurf zwingend modifiziert werden. Überarbeitungsbedarf sieht eco insbesondere bei den Vorschriften zur technischen Vorgaben zur Speicherung der Daten, sowie den damit verbundenen Sicherheitsbestimmungen.

Unklar ist beispielsweise wie die Anforderung der Datenspeicherung auf vom Internet entkoppelten Datenverarbeitungssystemen funktionieren und Massenabfragen unter Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagenen asymmetrischen Verschlüsselungstechnik realisiert werden sollen.

Das geplante Gesetz birgt ein hohes wirtschaftliches Risiko für die betroffenen Unternehmen, da es hohe Investitionen fordert, gleichzeitig aber mit großer Wahrscheinlichkeit in jetziger Form verfassungsrechtlich keinen Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof haben wird. Schon das deutsche Umsetzungsgesetz, das im März 2010 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde, führte für die deutschen Telekommunikations- und Internetunternehmen zu unnützen Ausgaben in Millionenhöhe. Mit dem jetzt geplanten Gesetz wird sich der Aufwand für die Implementierung der Speicherverpflichtung im Vergleich zur alten Regelung noch erhöhen, da die Unternehmen völlig neue Speicherinfrastrukturen entwickeln müssen. Die Kosten dafür könnten sich nach einer ersten Schätzung von eco auf rund 600 Millionen Euro für die gesamte Branche belaufen.

"Die Strafverfolgung ist eine originär staatliche Aufgabe. Es ist nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung die Kosten dafür komplett auf die Privatwirtschaft abwälzt. Wir fordern eine Kostenerstattung, die deutlich über die im Gesetzesentwurf vorgesehenen engen Entschädigungsbedingungen hinausgeht", sagt Oliver Süme. Anders als die Bundesregierung, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen von lediglich 1.000 betroffenen Unternehmen ausgeht, rechnet eco mit mindestens 2.500 Unternehmen, die die Regelungen werden umsetzen müssen.

Ein Analysepapier zur rechtlichen und technischen Machbarkeit des aktuellen Gesetzesentwurfs, ein Factsheet zur Vorratsdatenspeicherung sowie ein juristisches Hintergrundpapier zum geplanten neuen Gesetz, geben einen umfassenden Überblick zum Thema und stehen zum Download bereit. (eco: ra)

eco: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Künstliche Intelligenz: Was für Unternehmen gilt

    Seit Sonntag, 2. Februar 2025 sind weitere Regelungen der europäischen KI-Verordnung (AI Act) in Kraft. Dabei handelt es sich zum einen um Verbote von bestimmten KI-Praktiken wie Social-Scoring-Systemen, manipulative KI-Techniken oder Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Zum anderen greifen Vorgaben für KI-Kompetenzanforderungen von Beschäftigten.

  • AI Act: Doppelarbeit & Unsicherheiten vermeiden

    Ab dem 2. Februar 2025 verbietet der AI Act Manipulation durch KI, Social Scoring und biometrische Fernidentifikation in Echtzeit - ein entscheidender Schritt für Ethik und Verbraucherschutz. Die EU setzt damit ein klares Zeichen für einen einheitlichen Rechtsrahmen, der auf Ethik, Diversität und Datensicherheit basiert.

  • EU AI Act setzt weltweit Maßstäbe

    Anlässlich des Europäischen Datenschutztags am 28. Januar 2025 betonte der BvD-Ausschuss Künstliche Intelligenz die Bedeutung des EU AI Acts als wegweisende Regulierung für den verantwortungsvollen Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI).

  • Auswirkungen von Risk Exposure auf Compliance

    Mit der DSGVO, DORA und der derzeit in der Luft hängenden NIS2 werden immer mehr Vorschriften und Richtlinien eingeführt, die Unternehmen beachten müssen. Dies hat dazu geführt, dass einige Unternehmen der Meinung sind, dass die Einhaltung der Vorschriften eher eine Belastung als ein Anfang zur Verbesserung ihrer Sicherheitsmaßnahmen ist.

  • NIS2-Umsetzung nicht vor Herbst 2025?

    Gegen Deutschland wurde wegen bisher nicht erfolgten Umsetzung der NIS2-Richtlinie sowie der Richtlinie über die Resilienz kritischer Infrastrukturen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Angesichts der Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess in den vergangenen Jahren kommt das nicht wirklich überraschend - ist doch inzwischen mit einer NIS2-Umsetzung nicht vor Herbst nächsten Jahres zu rechnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen