Nutzung von Mautdaten zur Strafverfolgung


"Eilmarsch in den Überwachungsstaat darf im Interesse der grundgesetzlich geschützten Freiheit der Bürger von staatlicher Überwachung nicht Realität werden"
Datenschutzbeauftragter Dr. Karl Michael Betzl zu den Forderungen nach Nutzung der Toll-Collect Daten zur Verbrechensbekämpfung


(22.12.06) - Dr. Karl Michael Betzl, der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, erklärt zu den Forderungen von Innenminister Dr. Beckstein nach Nutzung der Toll-Collect Daten zur Verbrechensbekämpfung:

"Eine Verwendung von Mautdaten für die Strafverfolgung lehne ich ab. Ich befinde mich damit in Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber, der noch im Jahr 2004 das Autobahnmautgesetz dahingehend geändert hat, dass eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme zu anderen Zwecken, wie z.B. Strafverfolgungszwecken, unzulässig ist. Diese datenschutzrechtliche Begrenzung wurde aus gutem Grund eingeführt. Sie darf nicht schon 2 Jahre später wegen noch so bedrückender Einzelfälle aufgeweicht oder gar aufgehoben werden.

Bei der Einführung des Mautsystems war hoch und heilig versichert worden, dass die Mautdaten nur zu Abrechnungszwecken genutzt werden dürfen. Der Staat erwartet von seinen Bürgern Ehrlichkeit und Rechtstreue, und das kann er nur, wenn er selbst verlässlich ist und sein gegebenes Wort einhält.

Solche Einzelfälle dürfen nicht als Vehikel für die Mehrung staatlicher Überwachung missbraucht werden. So schwerwiegend und bedauerlich diese Vorkommnisse auch sind, können sie die Forderung nach Schaffung zusätzlicher staatlicher Überwachungsinfrastruktur, die im Falle der Einführung einer entsprechenden PKW-Maut sämtliche Autofahrer betreffen würde, nicht rechtfertigen. Dabei geht es nicht um 'Täterschutz', sondern um die Begrenzung staatlicher Überwachungsmöglichkeiten auf ein vertretbares Maß. Es geht um einen Ausgleich zwischen informationeller Selbstbestimmung und staatlichen Eingriffsbefugnissen.

Der Umfang staatlicher Überwachungsmaßnahmen und -befugnisse ist in den letzten Jahren stetig gewachsen (z.B. Wohnungs-, Telefon- und Videoüberwachung, Kennzeichenerkennung, Kontenabfragen). Jede technische Neuerung hat zwangsläufig irgendwelche Datenspuren zur Folge, auf deren Nutzung sich alle möglichen Begehrlichkeiten richten und es gibt immer einen spektakulären Kriminalfall, der sich gerade mit diesen speziellen Daten leichter aufklären ließe.

Es hat sich auch gezeigt, dass der Anwendungsbereich von Eingriffsbefugnissen, die zunächst mit dem Schutz vor besonders schwerwiegenden Bedrohungen begründet wurden, später erheblich erweitert wurde. Die Forderungen des Innenministers, die für die Öffentlichkeit vordergründig auf Mordfälle gestützt werden, zielen in Wirklichkeit auf eine Vielzahl von Straftaten, auch auf Vergehen (Straftaten von erheblicher Bedeutung) ab. Die Gefahr einer weiteren Relativierung der Eingriffsschwelle bis hin zu Verkehrsordnungswidrigkeiten ist nicht von der Hand zu weisen. Dieser Eilmarsch in den Überwachungsstaat darf im Interesse der grundgesetzlich geschützten Freiheit der Bürger von staatlicher Überwachung nicht Realität werden."

(Datenschutz Bayern: Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz: ra)



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