Sie sind hier: Home » Markt » Hintergrund

Insolvenzantrag und Insolvenzanfechtung


Insolvenzanfechtung: Haben Insolvenzverwalter das Augenmaß verloren? - Anfechtungsvoraussetzungen dehnbar wie Kaugummi
Bremer Inkasso GmbH: Gesetzesänderung dringend erforderlich

(25.02.13) - Nach geltendem Recht reicht die Insolvenzanfechtung bis zu zehn Jahre vor den Insolvenzantrag zurück; ein hohes Anfechtungsrisiko für jeden Unternehmer, das wirtschaftlich kaum kalkulierbar ist. Manche Insolvenzverwalter verlieren das nötige Augenmaß. Sie interpretieren auch da die für eine Anfechtung erforderlichen Kenntnisse eines Unternehmers von der Absicht seines Kunden, andere Gläubiger benachteiligen zu wollen, hinein, wo gar keine waren.

Beispiel aus der Praxis: Ein Insolvenzverwalter forderte im Oktober 2011 ein Dienstleistungsunternehmen aus der Zeitarbeitsbranche auf, 500 EUR zurückzuzahlen. Der Unternehmer hatte in der Zeit von März bis April 2009 Personal an eine Sanitärtechnikfirma ausgeliehen und hierfür insgesamt rd. 2400 EUR in Rechnung gestellt. Noch im April 2009 wandte sich die Sanitärtechnikfirma an den Unternehmer und bat darum, die Rechnung in Raten von 300 EUR, beginnend ab Mitte Mai 2009, zahlen zu dürfen. Der Unternehmer machte schließlich einen Gegenvorschlag mit Raten von 500 EUR und bat darum, die erste Rate schon am 08.05.2009 zu überweisen. Hiermit erklärte sich die Sanitärtechnikfirma einverstanden. Am 15.05.2009 ging die erste Rate ein; weitere Zahlungen blieben aus. Am 15.07.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Sanitärtechnikfirma eröffnet.

Der Insolvenzverwalter wirft dem Unternehmer nun vor, bei der Annahme der Zahlung in Höhe von 500 EUR den (angeblichen) Vorsatz seines Kunden gekannt zu haben, dadurch die übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Zur Begründung dieser Kenntnis heißt es nur, dem Unternehmer sei ja bekannt gewesen, dass die Schuldnerfirma nur Abschlagszahlungen habe leisten können, und schließlich habe die Schuldnerin die Ratenzahlungen ja auch nicht eingehalten. Statt am 08.05.2009 habe sie nämlich erst am 15.05.2009 (also 7 Tage später) gezahlt.

Anfechtungsvoraussetzungen dehnbar wie Kaugummi: "Außergerichtlich war der Insolvenzverwalter auch durch alle rechtlich zur Verfügung stehenden Argumente nicht dazu zu bewegen, die Insolvenzanfechtung aufzugeben. Inzwischen ging die Klage des Insolvenzverwalters beim zuständigen Amtsgericht ein. Zu solch einer Dreistigkeit fällt mir wirklich nichts mehr ein", so der Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, Bernd Drumann. "Der teilweise unverhältnismäßig weiten Auslegung des Gesetzes durch die Rechtsprechung, auf die Insolvenzverwalter solche Klagen stützen, muss dringend Einhalt geboten werden. Insolvenzverwalter haben dadurch völlig das erforderliche Augenmaß verloren. Unternehmen haben weder Planungs- noch Kalkulations- noch Rechtssicherheit, weil ganz offenbar bei nahezu jeder - nicht in der vereinbarten Zeit - geleisteten Zahlung die 10-Jahres-Kerze nach § 133 InsO (Insolvenzordnung) zu brennen scheint. Das heißt, wenn es bei einer Zahlung auch nur Anhaltspunkte gab, an der gegenwärtigen oder künftigen Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu zweifeln, droht faktisch ein Rückforderungsbegehren, falls binnen 10 Jahren Insolvenzantrag gestellt wird."

Nachbesserung gefordert: "Nach meinen Informationen", so Drumann weiter, "sind erste Verbände mit Lösungsvorschlägen bereits an die Bundesministerin der Justiz herangetreten, um ihre Mitglieder vor noch größerem Schaden zu bewahren." Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V. (BGA) etwa fordert dringend eine Konkretisierung der Anfechtungsvoraussetzungen. Für alle, die am Wirtschaftsleben beteiligt seien, müsse genau vorhersehbar sein, ob eine Anfechtung drohe. "Genau das ist derzeit nicht gewährleistet", stellt Drumann fest. Der BGA ist die Spitzenorganisation des Groß- und Außenhandels. Er vertritt die Interessen von 120.000 Handels- und Dienstleistungsunternehmen in Deutschland. Der BGA steht für 1,2 Millionen Beschäftige in Deutschland und einen, durch die Unternehmen erwirtschafteten Jahresumsatz von 1,3 Billionen EUR. "Die Rechtsunsicherheit für Unternehmer nimmt eher zu statt ab. Nachbesserung ist daher dringend geboten", so der Geschäftsführer abschließend. (Bremer Inkasso: ra)

Bremer Inkasso: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Durchsetzung des Kartellrechts

    Die Europäische Kommission hat die Evaluierungsergebnisse für die EU-Verordnungen, in denen die Verfahren für die Anwendung der EU-Wettbewerbsvorschriften festgelegt sind (Verordnungen 1/2003 und 773/2004), in Form einer Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen veröffentlicht.

  • Halbleiterfertigungsanlage in Dresden

    Die Europäische Kommission hat eine 5 Mrd. EUR schwere deutsche Maßnahme zur Unterstützung der European Semiconductor Manufacturing Company ("ESMC") beim Bau und Betrieb eines Mikrochip-Werks in Dresden nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt.

  • Einfuhren von Elektrofahrzeugen

    Im Rahmen ihrer laufenden Antisubventionsuntersuchung hat die Europäische Kommission den interessierten Parteien heute den Entwurf ihrer Entscheidung zur Einführung endgültiger Ausgleichszölle auf die Einfuhren batteriebetriebener Elektrofahrzeuge aus China offengelegt.

  • Transparenz der Werbung

    Die EU-Kommission hat X von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass es in Bereichen im Zusammenhang mit "Dark Patterns", Transparenz der Werbung sowie Datenzugang für Forschende gegen das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verstößt.

  • Lebensmittel-Lieferdiensten in Europa

    Die Europäische Kommission hat ein förmliches Kartellverfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Delivery Hero und Glovo durch Beteiligung an einem Kartell im Bereich der Online-Bestellung und -Lieferung von Mahlzeiten, Lebensmitteln und sonstigen Verbrauchergütern im Europäischen Wirtschaftsraum ("EWR") gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben. Delivery Hero und Glovo zählen zu den größten Lebensmittel-Lieferdiensten in Europa. Delivery Hero hielt ab Juli 2018 eine Minderheitsbeteiligung an Glovo, bis es im Juli 2022 die alleinige Kontrolle über das Unternehmen erwarb.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen