Sicherheits- und Qualitätsvorschriften
Fragen und Antworten zum Vorschlag für neue Rechtsvorschriften über Blut, Gewebe und Zellen
Die geltenden Rechtsvorschriften über Blut bzw. Gewebe und Zellen sind nun seit fast 20 Jahren in Kraft und damit veraltet
Der Vorschlag für eine Verordnung über die Sicherheit und Qualität von Substanzen menschlichen Ursprungs (Substances of Human Origin – SoHO) ist ein weiterer Baustein der Europäischen Gesundheitsunion. Auf seiner Grundlage können Ressourcen gebündelt und Größenvorteile erzielt werden. Ziel ist es, EU-weit mehr Patientinnen und Patienten Zugang zu benötigten Behandlungen zu ermöglichen, und zwar unabhängig von ihrem Wohnort. Zudem wird er sowohl den grenzüberschreitenden Austausch dieser kritischen Gesundheitstherapien als auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsbehörden erleichtern und die Solidarität stärken; gleichzeitig gewährleistet er einheitlich hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards für alle SoHO.
Die Zahlen sprechen für sich: SoHO-basierte Behandlungen haben einen hohen Stellenwert; auf sie entfallen jedes Jahr eine enorme Anzahl lebensrettender und gesundheitsfördernder Therapien (25 Millionen Blutkonserven etwa in Chirurgie und Traumatologie, 36 000 Stammzelltransplantationen bei Blutkrebs), Therapien der medizinisch unterstützten Fortpflanzung (z. B. 940 000 Zyklen von In-vitro-Fertilisation) und lebensverbessernde Therapien (z. B. 14 500 Hornhauttransplantationen zur Wiederherstellung des Sehvermögens, 2000 Hauttransplantationen bei Verbrennungswunden und anderen Verletzungen).
Was wird von der Kommission angenommen?
Die Kommission legt eine umfassende Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften vor, um die Sicherheit und Qualität von Blut, Geweben und Zellen zu gewährleisten.
Mit dem Vorschlag werden die Sicherheits- und Qualitätsvorschriften nicht nur auf den neuesten Stand gebracht und verschärft, sondern auch auf andere SoHO, wie z. B. Muttermilch, ausgeweitet, die zuvor auf EU-Ebene nicht reguliert waren.
Das Ergebnis ist ein Vorschlag für einen zukunftssicheren und soliden Rahmen, der Spenderinnen und Spender ebenso wie Empfängerinnen und Empfänger, die eine Behandlung in Form einer Transfusion, Transplantation oder von medizinisch unterstützter Fortpflanzung erhalten, aber auch aus Samen- oder Eizellspenden entstandene Nachkommen besser schützt sowie Innovationen in diesem wichtigen Biotechnologiesektor fördert.
Dieser Vorschlag baut auf dem bestehenden Rechtsrahmen auf, der 2002 für Blut bzw. 2004 für Gewebe und Zellen in Kraft trat und parallele Bestimmungen für die Spenderauswahl, das Qualitäts- und Sicherheitsmanagement und die Aufsicht enthielt.
Um die Harmonisierung zu verbessern, ein EU-weit einheitliches Schutzniveau zu gewährleisten und den grenzüberschreitenden Austausch von SoHO-Therapien sowie den Zugang zu ihnen zu vereinfachen, schlägt die Kommission vor, die Richtlinien aufzuheben und sie stattdessen durch eine einzige Verordnung zu ersetzen, die in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen anwendbar ist.
Mit dieser Verordnung werden zwar hohe Sicherheits- und Qualitätsstandards eingeführt, die Mitgliedstaaten können jedoch nach wie vor strengere Anforderungen erlassen, insbesondere um eine Anpassung an die Ausgestaltung der nationalen Gesundheitssysteme zu gewährleisten.
Warum mussten die Rechtsvorschriften für Blut, Gewebe und Zellen aktualisiert werden?
Die geltenden Rechtsvorschriften über Blut bzw. Gewebe und Zellen sind nun seit fast 20 Jahren in Kraft und damit veraltet, und sie entsprechen nicht dem Stand der medizinischen und gesellschaftlichen Entwicklung. In der Zwischenzeit sind neue Bedrohungen durch Infektionskrankheiten entstanden, und die Biotechnologien für die Herstellung von Blut-, Gewebe- und Zellpräparaten zur klinischen Anwendung haben sich erheblich weiterentwickelt.
Die Kommission hat 2019 eine Evaluierung veröffentlicht, aus der hervorging, dass sich Sicherheit und Qualität dank des Rechtsrahmens EU-weit verbessert hatten. Allerdings wurden darin auch fünf Kernbereiche benannt, in denen der Rahmen nicht mehr dem Stand der Technik entspricht.
Auf der Grundlage einer umfassenden Konsultation der Interessenträger zu den Zielen und Inhalten der Überarbeitung sowie unter Berücksichtigung der Lehren aus der COVID-19-Pandemie wurden in der vorgeschlagenen Verordnung Gegenmaßnahmen für jedes dieser Probleme festgelegt.
Mit ihr wird sichergestellt, dass
1) die technischen Vorschriften für Sicherheit und Qualität den sich verändernden Risiken und Technologien Rechnung tragen,
2) Spenderinnen/Spender und Nachkommen geschützt werden,
3) die Aufsichtsanforderungen stärker vereinheitlicht werden,
4) die Innovationstätigkeit gefördert wird und
5) Maßnahmen eingeführt werden, die die Versorgung resilienter machen.
Welches sind die wichtigsten Änderungen gegenüber den geltenden Rechtsvorschriften?
In dem Vorschlag werden Maßnahmen kombiniert, die für Regulierungsbehörden, SoHO-Einrichtungen und Therapien herstellende Einrichtungen sowie Gesundheitsdienstleister in diesem Sektor gelten.
Er umfasst eine Reihe neuer Maßnahmen, mit denen einige Lücken geschlossen werden und die entwickelt wurden, um das Funktionieren des Sektors als Ganzes zu unterstützen:
>> Die vorgeschlagene Verordnung erfasst alle Substanzen menschlichen Ursprungs (mit Ausnahme fester Organe zur Transplantation, die nach wie vor in einer eigenen Richtlinie gesondert geregelt sind). Dazu gehören Blut, Gewebe und Zellen sowie andere Substanzen wie Muttermilch oder Mikrobiota, bei denen ähnliche Sicherheits- und Qualitätsbedenken bestehen. Andere Substanzen menschlichen Ursprungs, die möglicherweise in der Zukunft bei Patientinnen und Patienten angewendet werden, werden automatisch in den Anwendungsbereich dieser Rechtsvorschriften fallen.
>> SoHO müssen nach spezifischen Standards hergestellt und gehandhabt werden, damit gewährleistet ist, dass sie für die Patientinnen und Patienten sicher sind. Diese Standards werden nun über den Schutz der Patientinnen und Patienten hinaus ausgeweitet, damit auch aus medizinisch unterstützter Fortpflanzung entstandene Nachkommen sowie Spenderinnen und Spender – wie 15 Millionen Blutspenderinnen/-spender, über 34 000 Stammzellspenderinnen/-spender und über 39 000 Eizellspenderinnen pro Jahr – geschützt werden.
>> Damit diese Vorschriften immer mit dem wissenschaftlichen Fortschritt Schritt halten, werden sie in erster Linie von in diesem Sektor tätigen wissenschaftlichen Sachverständigengremien ausgearbeitet. Dies bedeutet, dass neue Erkenntnisse schneller als bisher einbezogen und die Sicherheitsanforderungen auf dem neuesten Stand gehalten werden können (z. B. Tests auf Infektionskrankheiten oder auf nicht-infektiöse Krankheiten).
>> Jede Stelle, deren Tätigkeiten für die Sicherheit und Qualität von SoHO relevant sind, muss sich bei ihren zuständigen Behörden registrieren lassen. Umfassen diese Tätigkeiten die Verarbeitung und Lagerung von SoHO, so müssen sie – ähnlich wie bisher – zusätzliche Anforderungen erfüllen, um als SoHO-Betriebsstätte zugelassen und Inspektionen unterzogen zu werden.
>> Einrichtungen, die mit SoHO arbeiten, müssen jährlich Daten über ihre Tätigkeit melden. Ausgehend von diesen Daten werden die Mitgliedstaaten bei Bedarf Maßnahmen zur Erhöhung der Quoten bei der Spendengewinnung ergreifen können. Einrichtungen, die mit kritischen SoHO arbeiten, müssen ihre Behörde im Falle einer plötzlichen Versorgungslücke warnen und über Notfallpläne verfügen.
>> Die Aufsichtsanforderungen werden verhältnismäßig und risikobasiert sein. Auf diese Weise kann der Schutz von Patientinnen und Patienten, Spenderinnen und Spendern sowie Nachkommen verbessert werden, ohne dass die zuständigen Behörden überlastet würden. Zudem wird die Kommission gemeinsame Aufsichtstätigkeiten unterstützen (z. B. bei der Zulassung neuer SoHO-Präparate) sowie Schulungen, IKT-Hilfen und Möglichkeiten für den Austausch bewährter Verfahren anbieten.
Wie stärkt der Vorschlag die EU-Dimension der Politikmaßnahmen in diesem Bereich?
Die EU will Innovation und Forschung fördern und die sektorübergreifende Zusammenarbeit erleichtern. Um die Arbeit von Innovatoren im SoHO-Sektor zu erleichtern, sieht der Rahmen ein EU-weites Verfahren für die Zulassung von SoHO-Präparaten vor. Mit diesem Verfahren werden die derzeit in der Richtlinie über Gewebe und Zellen geltenden Vorschriften für die Zulassung von Herstellungsverfahren auch auf den Bereich Blut ausgeweitet und es wird eine Vorab-Risikobewertung eingeführt, flankiert von Anforderungen an die Erhebung von Daten über klinische Ergebnisse, die in einem angemessenen Verhältnis zu den ermittelten Risiken stehen. Das Konzept wurde im Wege einer Gemeinsamen Aktion von zahlreichen Mitgliedstaaten entwickelt und erprobt.
Der Vorschlag sieht auch die Einrichtung des SoHO-Koordinierungsgremiums als Beratungsinstanz vor, die die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Verordnung unterstützt. Das Koordinierungsgremium wird gemeinsame bewährte Verfahren für Inspektionen und Vigilanz entwickeln, Empfehlungen zur Anwendbarkeit der Verordnung abgeben und die zuständigen Behörden bei der Aufsicht über den Sektor allgemein unterstützen.
Das Gremium wird auch die sektorenübergreifende Kohärenz und die Rechtsklarheit erhöhen, indem es bei eventuell auftretenden regulatorischen Grenzfragen mit Sachverständigengremien und gleichartigen Stellen aus anderen Rechtsrahmen zusammenarbeitet.
Werden im Vorschlag einige Vorschriften aus dem alten Rechtsrahmen beibehalten?
Der Vorschlag enthält einige Bestimmungen, die aus dem alten Rahmen stammen. So bleiben die Mitgliedstaaten etwa uneingeschränkt zuständig für alle organisatorischen und ethischen Entscheidungen betreffend die Bereitstellung SoHO-basierter Behandlungen in ihren Gesundheitssystemen.
Darüber hinaus wurde der Grundsatz der freiwilligen und unentgeltlichen Spende im Vorschlag beibehalten und verbessert.
Wie werden sich diese Rechtsvorschriften auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger auswirken?
Diese neuen Rechtsvorschriften werden den Zugang zu sicheren und bewährten SoHO-Therapien verbessern, die ein grundlegender Bestandteil des Gesundheitssystems in jedem EU-Mitgliedstaat sind.
Wie verfügbar diese Therapien sind, hängt zum einen von der Spendenbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger und zum anderen von den Anstrengungen der überwiegend öffentlichen Blut- und Transplantationseinrichtungen ab, Therapien zu erschwinglichen Preisen herzustellen und anzubieten. Darüber hinaus bringen Wissenschaftszentren fortlaufend Weiterentwicklungen hervor, die sie weitergeben und die den Bürgerinnen und Bürgern in der gesamten EU Zugang zu den neuesten SoHO-Therapien ermöglichen.
Der Vorschlag enthält einen maßgeschneiderten Rechtsrahmen, der auf diese Besonderheiten des Sektors zugeschnitten ist und einen sicheren Zugang zu hochwertigen Therapien auf der Grundlage kontinuierlicher technologischer Weiterentwicklung ermöglicht.
Er verbessert den Schutz aller Bürgerinnen und Bürger, die direkt auf Transfusionen, Transplantationen und unterstützte Fortpflanzung angewiesen sind, sowie derjenigen Bürgerinnen und Bürger, durch deren Spenden diese Behandlungen erst ermöglicht werden. So sind beispielsweise nach der Spende oder dem Empfang bestimmter Arten von SoHO Nachsorgemaßnahmen erforderlich, in einigen Fällen über eine längere Zeit, damit etwaige unerwünschte Reaktionen beobachtet und gemeldet werden können.
Überdies wird die vorgeschlagene Verordnung den Zugang zu innovativen Therapien optimieren, indem sie die Zulassung von einer Vorab-Risikobewertung abhängig macht und so einen hohen Standard bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherstellt.
Durch die verstärkte Harmonisierung wird auch der Zugang verbessert, der Austausch von SoHO zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert und EU-weit werden optimale Behandlungsmöglichkeiten für alle Patientinnen und Patienten gewährleistet. Neue Maßnahmen, die eine Überwachung der Tätigkeitsdaten, die Übermittlung von Versorgungswarnungen an die Behörden und die Ausarbeitung von Notfallplänen erfordern, werden den Mitgliedstaaten dabei helfen, Maßnahmen zu ergreifen, wenn ein Engpass bei kritischen SoHO droht.
Welche Aufgaben werden das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und das Europäische Direktorat für Arzneimittelqualität und Gesundheitsfürsorge (EDQM) übernehmen?
Die Mobilisierung des gemeinsamen europäischen Fachwissens ist für alle Mitgliedstaaten von Nutzen, sodass die Europäische Gesundheitsunion weiter gestärkt wird.
Die technischen Vorschriften müssen sich auf hochwertige und aktuelle Erkenntnisse stützen, damit sie die Sicherheit und Qualität von SoHO und den Schutz von Spenderinnen und Spendern, Empfängerinnen und Empfängern sowie Nachkommen gewährleisten können.
Der Vorschlag baut daher auf dem Fachwissen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und des Europäischen Direktorats für Arzneimittelqualität und Gesundheitsfürsorge (EDQM [Das Europäische Direktorat für Arzneimittelqualität und Gesundheitsversorgung (EDQM) ist ein Direktorat des Europarates, dem 46 Mitgliedstaaten angehören, darunter alle EU-Mitgliedstaaten] des Europarats auf.
Sowohl das ECDC als auch das EDQM verfügen erwiesenermaßen über einschlägiges Fachwissen und geben Leitlinien heraus, wie Spenderinnen und Spender sowie Patientinnen und Patienten, die mit SoHO behandelt wurden, vor übertragbaren Krankheiten (ECDC) oder anderen Risiken betreffend Qualität und Sicherheit (EDQM) geschützt werden können.
Diese Leitlinien werden im Sektor bereits weithin angewandt, nun aber werden sie zum wichtigsten Instrument zur Umsetzung der EU-Standards für Qualität und Sicherheit von SoHO.
Beide Sachverständigengremien werden ihre Fähigkeiten und ihre Erfahrung nutzen, um ihre Leitlinien an den wissenschaftlichen Fortschritt und an sich häufig verändernde Bedrohungen anzupassen. Einrichtungen, die sich für andere fachliche Konzepte entscheiden, können dies tun, sofern sie nachweisen können, dass sie damit gleichwertige Sicherheits- und Qualitätsstandards erreichen wie mit den technischen Leitlinien des ECDC und des EDQM.
Wird der Digitalisierung eine Rolle in diesem neuen Rahmen zukommen?
Ja. Der vorgeschlagenen Verordnung zufolge wird eine SoHO-Plattform der EU eingerichtet, ein zentrales digitales Instrument für Behörden und Interessenträger, mit dem der Datenaustausch und die Verwaltung in diesem Sektor erleichtert werden sollen.
Entwickelt und gehostet wird die Plattform von der Kommission, und sie ist auf ihre Nutzer zugeschnitten: zuständige Behörden, SoHO-Einrichtungen und -Betriebsstätten (einschließlich Gesundheitsdienstleistern), Patientinnen/Patienten, Spenderinnen/Spender und Nachkommen, Sachverständigengremien und die Kommission.
Sie wird als zentrale Anlaufstelle für den Zugang zu Informationen über Registrierungen, Zulassungen und technische Leitlinien fungieren.
Die Plattform wird es – gemäß einer klaren Governance und im Einklang mit dem Datenschutz – auch ermöglichen, Daten über Spenden, klinische Verwendungen und etwaige unterwünschte Reaktionen zu erheben. Sie wird die Kommunikation und Transparenz verbessern, die Effizienz des Sektors erhöhen und verhindern, dass die Mitgliedstaaten jeweils eigene Datenplattformen und Instrumente zur Informationsverbreitung einrichten müssen; gleichzeitig wird der Datenschutz mit Blick auf die Gesundheitsdaten gewahrt.
Was sind die nächsten Schritte?
Der Vorschlag wird nun im Rat und im Europäischen Parlament erörtert werden. Sobald Einigung über den endgültigen Text erzielt wurde und er angenommen ist, tritt er in Kraft, wobei eine zweijährige Übergangszeit gilt, bis die meisten Bestimmungen anwendbar werden, und eine dreijährige Übergangsfrist für einige Sonderbestimmungen.
Die Kommission wird eine Reihe von Rechtsakten zur Durchführung bestimmter Vorschriften, z. B. betreffend die Einfuhr und Rückverfolgbarkeit, erlassen. (Europäische Kommission: ra)
eingetragen: 25.07.22
Newsletterlauf: 06.09.22
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