Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Nutzung der Cloud-Technik durch 75 Prozent


Startschuss für erstes europäisches Datenverarbeitungs-Ökosystem: EU-Kommission genehmigt geplante Beihilfen von bis zu 1,2 Milliarden Euro
Mit dem Beschluss wird bereits das siebte integrierte IPCEI nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt



Die EU- Kommission hat nach den EU-Beihilfevorschriften ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) genehmigt, mit dem Forschung, Entwicklung und erste gewerbliche Nutzung fortgeschrittener Cloud- und Edge-Computing-Technologien bei mehreren Providern in Europa unterstützt werden sollen. Das Vorhaben mit der Bezeichnung IPCEI Next Generation Cloud Infrastructure and Services (IPCEI für Cloud-Infrastruktur und -Dienstleistungen der nächsten Generation, im Folgenden "IPCEI CIS") wurde von sieben Mitgliedstaaten gemeinsam angemeldet: Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Polen, Spanien und Ungarn.

Die Mitgliedstaaten werden bis zu 1,2 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln bereitstellen, wodurch zusätzliche private Investitionen im Umfang von 1,4 Milliarden Euro mobilisiert werden dürften. Im Rahmen dieses IPCEI werden 19 Unternehmen – aus Deutschland die Deutsche Telekom, SAP und Siemens – 19 hochinnovative Vorhaben durchführen.

Kommissar Didier Reynders, zuständig für Wettbewerbspolitik, sagte: "Das IPCEI wird sehr ehrgeizige Forschungsarbeiten beinhalten, die erforderlich sind, um die Einführung innovativer Datenverarbeitungsanwendungen und -dienste zu ermöglichen, die von europäischen Unternehmen, Behörden sowie Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden können. Mit dem heutigen Beschluss haben wir dafür gesorgt, dass das Geld der Steuerzahler sinnvoll für eine gezielte und ausreichende öffentliche Unterstützung ausgegeben wird, damit die ehrgeizigen Ziele des Vorhabens verfolgt werden können."

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, fügte hinzu: "Das genehmigte IPCEI ist von entscheidender Bedeutung, wenn es gilt, bahnbrechende Innovationen im Bereich Cloud- und Edge-Techologien zu erzielen, die die europäischen Anforderungen an Interoperabilität, Datenschutz, Nachhaltigkeit und Cybersicherheit erfüllen. Es wird auch die Technologien und Lösungen bereitstellen, die wir benötigen, um unsere Ziele der Strategie für die digitale Dekade bis 2030 zu erreichen: Nutzung der Cloud-Technik durch 75 Prozent der Unternehmen in der EU und Einrichtung von mehr als 10.000 ortsnahen Großrechnern in ganz Europa. Mit diesem IPCEI wird Europa seinen Innovationsvorsprung bei Datenverarbeitungsdienstleistungen der nächsten Generation ausbauen."

IPCEI CIS
IPCEI CIS ist das erste IPCEI im Bereich Cloud- und Edge-Computing. Gegenstand des Vorhabens ist die Entwicklung des ersten interoperablen und offen zugänglichen europäischen Datenverarbeitungs-Ökosystems, des Multi-Provider-Cloud-to-Edge-Kontinuums. Im Rahmen des Vorhabens werden Datenverarbeitungskapazitäten und Instrumente für die gemeinsame Nutzung von Software und Daten entwickelt, die im Verbund nutzbare, energieeffiziente und zuverlässige über Cloud und Edge-Verbindungen verbreitete Datenverarbeitungstechnologie und damit zusammenhängende Dienstleistungen erlauben. Die durch IPCEI CIS ermöglichte Innovation wird den europäischen Unternehmen sowie den Bürgerinnen und Bürgern ein neues Spektrum an Möglichkeiten eröffnen und den digitalen und den grünen Wandel in Europa voranbringen.

Die teilnehmenden Unternehmen werden eine quelloffene Software entwickeln, die Echtzeitdienste mit geringen Latenzzeiten (einige Millisekunden) über verteilte Rechenressourcen in Nutzernähe ermöglicht, wodurch die Notwendigkeit der Übertragung großer Datenmengen auf zentrale Cloud-Server abnimmt. Die einzelnen Vorhaben decken das gesamte Cloud-Edge-Kontinuum ab, von der Basissoftwareschicht bis hin zu sektorspezifischen Anwendungen.

Die Vorhaben zielen darauf ab, den digitalen und den grünen Wandel zu ermöglichen durch:
i) Bereitstellung von Software, die die Entwicklung der notwendigen infrastrukturspezifischen Kapazitäten für den Aufbau der Basisschichten des Edge-Cloud-Stacks ermöglicht,
ii) Entwicklung einer gemeinsamen Referenzarchitektur als Blaupause für die Einrichtung und den Betrieb eines Cloud-Edge-Systems,
iii) Entwicklung einer Reihe fortgeschrittener Cloud- und Edge- Angebote, die nahtlos in den Netzen unterschiedlicher Netzanbieter eingesetzt werden können, und
iv) Entwicklungsektorspezifischer Lösungen (z. B. im Energie-, Gesundheits- und Meeressektor).

Die Phasen Forschung, Entwicklung und erste gewerbliche Nutzung erstrecken sich auf den Zeitraum 2023 bis 2031, wobei die zeitliche Planung von den einzelnen Vorhaben und beteiligten Unternehmen abhängt. Ein erstes innovatives Ergebnis des IPCEI – eine quelloffene Referenzinfrastruktur – ist gegen Ende 2027 zu erwarten. Mindestens 1000 direkte und indirekte hoch qualifizierte Arbeitsplätze dürften in diesen Phasen geschaffen werden – und deutlich mehr in der Kommerzialisierungsphase.

Beihilferechtliche Würdigung der Kommission
Die Kommission hat das geplante IPCEI nach den EU-Beihilfevorschriften und insbesondere ihrer Mitteilung über wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse aus dem Jahr 2021 (im Folgenden "IPCEI -Mitteilung"), geprüft. Wenn wegen der signifikanten Risiken solcher Vorhaben nicht mit privaten Initiativen zur Förderung bahnbrechender Innovationen zu rechnen ist, können die Mitgliedstaaten gemäß den IPCEI-Vorgaben diesem schwerwiegenden Marktversagen begegnen, indem sie die Finanzierungslücke gemeinsam schließen. Gleichzeitig stellen die IPCEI-Vorgaben sicher, dass die EU-Wirtschaft insgesamt von den geförderten Investitionen profitiert und mögliche Wettbewerbsverzerrungen begrenzt werden.

Die Kommission ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das IPCEI CIS alle in ihrer Mitteilung festgelegten Voraussetzungen erfüllt und mit den Beihilfevorschriften im Einklang steht.

Insbesondere stellte die Kommission Folgendes fest:
>> IPCEI CIS trägt unmittelbar zur Verwirklichung mehrerer – in wichtigen politischen Initiativen der EU wie der digitalen Dekade, dem europäischen Grünen Deal, der Europäischen Datenstrategie und dem Digitalen Kompass 2030
>> verankerter – EU-Ziele bei, mit denen eine digitale, grünere, sicherere, krisenfestere und souveräne Wirtschaft angestrebt wird.
>> Alle 19 Vorhaben, die Teil des IPCEI sind, sind sehr ambitioniert, da sie auf die Entwicklung bahnbrechender Technologien abzielen, die über den aktuellen Stand der Technik auf globaler Ebene hinausgehen und große Fortschritte auf dem Gebiet der Datenverarbeitungstechnologien ermöglichen werden.
>> Das IPCEI birgt erhebliche technologische und finanzielle Risiken. Daher ist eine öffentliche Unterstützung erforderlich, um Anreize für Unternehmen zu schaffen, ihre jeweiligen Vorhaben durchzuführen.

Beihilfen für einzelne Unternehmen sind auf das erforderliche und angemessene Maß beschränkt und bewirken daher keine übermäßige Verfälschung des Wettbewerbs. Die Kommission hat sich insbesondere vergewissert, dass die geplanten Beihilfehöchstbeträge mit den beihilfefähigen Kosten der Vorhaben und den Finanzierungslücken übereinstimmen. Außerdem gibt es einen Rückforderungsmechanismus, da die Unternehmen einen Teil der erhaltenen Beihilfen an die betreffenden Mitgliedstaaten zurückzahlen werden, wenn Vorhaben, die mit hohen Beihilfebeträgen gefördert wurden, sehr erfolgreich sind und zusätzliche Nettoerträge abwerfen.

Dieses IPCEI wird auch erhebliche positive Auswirkungen auf nicht teilnehmende Unternehmen, auf Wettbewerber sowie auf Endnutzer in ganz Europa haben. Die aus dem Vorhaben resultierenden Ergebnisse und Kenntnisse werden von den beteiligten Unternehmen an die europäische Wissenschaftsgemeinschaft und viele andere Unternehmen, auch aus anderen Ländern, weitergegeben.

Die Teilnehmer werden insbesondere
i) über ihre üblichen Praktiken und Geschäftsmodelle im Bereich quelloffener Software hinaus allen Interessenten permissive und nicht restriktive Open-Source-Software-Lizenzen gewähren und einen aktiven Beitrag zur Entwicklung von Open-Source-Gemeinschaften leisten,
ii) Interessenten Zugang zu mindestens 20 Prozent der Kapazität der bei ihren Vorhaben eingesetzten ortsnahen Rechnerkapazitäten und Laboratorien gewähren,
iii) die entwickelten Technologien auf weitere Wirtschaftszweige ausweiten,
iv) gezielte Schulungen durchführen, eigenständige technische Materialien erstellen sowie an Konferenzen, Veröffentlichungen, Partnerschaften mit Universitäten und Forschungseinrichtungen teilnehmen und
v) Lizenzen für Rechte des geistigen Eigentums zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen gewähren.

Mehrere Mitgliedstaaten (Deutschland, Italien, Polen und Spanien) haben ihre Beteiligung am IPCEI CIS in ihre Aufbau- und Resilienzpläne aufgenommen. Damit haben diese Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihre Vorhaben über die Aufbau- und Resilienzfazilität zu finanzieren.

Weitere Informationen über die Höhe der Beihilfen für die einzelnen Teilnehmer werden in der öffentlich zugänglichen Fassung des Kommissionsbeschlusses veröffentlicht, sobald noch offene Vertraulichkeitsfragen mit den Mitgliedstaaten und Dritten geklärt worden sind.

Hintergrund
Die Genehmigung dieses IPCEI durch die Kommission ist Teil der umfassenderen Bemühungen der Kommission, eine digitale, grünere, sicherere, widerstandsfähigere und souveräne europäische Wirtschaft zu gewährleisten.

Mit dem Beschluss wird bereits das siebte integrierte IPCEI nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt. Zum vierten Mal erfolgt die Genehmigung eines IPCEI auf der Grundlage der IPCEI-Mitteilung von 2021. In dieser Mitteilung legte die Kommission fest, unter welchen Voraussetzungen mehrere Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gemeinsam grenzübergreifende Vorhaben unterstützen können, die für die EU von strategischer Bedeutung sind. Die Mitteilung soll die Mitgliedstaaten dazu ermutigen, hochinnovative Vorhaben zu fördern, die einen klaren Beitrag zum Wirtschaftswachstum, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Wettbewerbsfähigkeit leisten.

Die IPCEI-Mitteilung ergänzt andere Beihilfevorschriften wie die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) und den Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation, die die Förderung innovativer Vorhaben ermöglichen und gleichzeitig sicherstellen, dass etwaige Wettbewerbsverzerrungen begrenzt sind. Auf der Grundlage der AGVO können innovative IPCEI-spezifische Vorhaben mit Beihilfen von bis zu 50 Millionen Euro gefördert werden, ohne dass eine Anmeldung bei der Kommission erforderlich ist; dabei können sie jedoch als Teil des durch das IPCEI geschaffenen Ökosystems anerkannt werden.

Im Rahmen der IPCEI-Mitteilung werden Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation sowie in die erste gewerbliche Nutzung unter der Voraussetzung unterstützt, dass die geförderten Vorhaben hoch innovativ und von europäischer Bedeutung sind und weder Massenproduktion noch kommerzielle Tätigkeiten beinhalten. Die gewonnenen neuen Erkenntnisse müssen in der gesamten EU verbreitet werden und Wirkung entfalten, sodass die Vorhaben der gesamten EU zugutekommen. Ferner muss eine eingehende wettbewerbsrechtliche Prüfung durchgeführt werden, um unverhältnismäßige Wettbewerbsverfälschungen zu minimieren.

Um eine transparente, inklusive und schnellere Konzipierung von IPCEI zu unterstützen, hat die Kommission am 17. Mai 2023 auf der IPCEI-Webseite der GD COMP einen Verhaltenskodexveröffentlicht. Dieser Verhaltenskodex stützt sich auf das Wissen, die Erfahrungen und die Erkenntnisse aus der beihilferechtlichen Bewertung früherer und laufender IPCEI. Er soll eine transparentere, inklusivere, schnellere und straffere Konzipierung und Bewertung von IPCEI-Vorhaben ermöglichen. Der Verhaltenskodex hat die Gestalt eines Handbuchs bewährter Verfahren und richtet sich sowohl an die nationalen Behörden und den von den nationalen Behörden ausgewählten koordinierenden Mitgliedstaat als auch an Unternehmen, die auf der Grundlage der IPCEI-Vorgaben Beihilfen erhalten, und die Kommissionsdienststellen selbst. Er dient insbesondere jenen Mitgliedstaaten als Hilfestellung, die nur wenig oder überhaupt keine Erfahrungen mit dem IPCEI-Instrument haben.

Darüber hinaus hat die Kommission ein gemeinsames europäisches Forum für wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (JEF-IPCEI) eingerichtet. Ziel des Forums ist es, mit Blick auf mögliche künftige IPCEI Bereiche zu ermitteln, die für die EU von strategischem Interesse sind, und die Effizienz des IPCEI-Prozesses zu steigern. Im JEF-IPCEI kommen Sachverständige der Mitgliedstaaten und der Kommissionsdienststellen sowie Vertreter der Industrie und der Wissenschaft sowie gegebenenfalls andere Interessenträger zusammen. (EU-Kommission: ra)

eingetragen: 02.01.24
Newsletterlauf: 22.03.24


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Durchsetzung des Kartellrechts

    Die Europäische Kommission hat die Evaluierungsergebnisse für die EU-Verordnungen, in denen die Verfahren für die Anwendung der EU-Wettbewerbsvorschriften festgelegt sind (Verordnungen 1/2003 und 773/2004), in Form einer Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen veröffentlicht.

  • Halbleiterfertigungsanlage in Dresden

    Die Europäische Kommission hat eine 5 Mrd. EUR schwere deutsche Maßnahme zur Unterstützung der European Semiconductor Manufacturing Company ("ESMC") beim Bau und Betrieb eines Mikrochip-Werks in Dresden nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt.

  • Einfuhren von Elektrofahrzeugen

    Im Rahmen ihrer laufenden Antisubventionsuntersuchung hat die Europäische Kommission den interessierten Parteien heute den Entwurf ihrer Entscheidung zur Einführung endgültiger Ausgleichszölle auf die Einfuhren batteriebetriebener Elektrofahrzeuge aus China offengelegt.

  • Transparenz der Werbung

    Die EU-Kommission hat X von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass es in Bereichen im Zusammenhang mit "Dark Patterns", Transparenz der Werbung sowie Datenzugang für Forschende gegen das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verstößt.

  • Lebensmittel-Lieferdiensten in Europa

    Die Europäische Kommission hat ein förmliches Kartellverfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Delivery Hero und Glovo durch Beteiligung an einem Kartell im Bereich der Online-Bestellung und -Lieferung von Mahlzeiten, Lebensmitteln und sonstigen Verbrauchergütern im Europäischen Wirtschaftsraum ("EWR") gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben. Delivery Hero und Glovo zählen zu den größten Lebensmittel-Lieferdiensten in Europa. Delivery Hero hielt ab Juli 2018 eine Minderheitsbeteiligung an Glovo, bis es im Juli 2022 die alleinige Kontrolle über das Unternehmen erwarb.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen