Wettbewerbswidriges Preissystem für Bahnstrom?
Kartellrecht: EU-Kommission leitet förmliches Kartellverfahren gegen die Deutsche Bahn ein
Preisgestaltung für Bahnstrom in Deutschland: Die EU-Kommission wird untersuchen, ob die von der Deutschen Bahn gewährten Rabatte dazu führen, dass Wettbewerber höhere Preise zahlen müssen
(25.06.12) - Die Europäische Kommission hat ein förmliches Kartellverfahren gegen die Deutsche Bahn AG, die etablierte Eisenbahngesellschaft in Deutschland, und mehrere ihrer Tochtergesellschaften eingeleitet. Es besteht der Verdacht, dass sich diese Unternehmen an einem wettbewerbswidrigen Preissystem für Bahnstrom beteiligt haben, was gegen das EU-Kartellrecht verstoßen würde. Bahnstrom ist der elektrische Strom, der im Eisenbahnnetz für den Antrieb elektrischer Eisenbahnen verwendet wird. Die Kommission wird untersuchen, ob die von der Deutschen Bahn gewährten Rabatte dazu führen, dass Wettbewerber höhere Preise zahlen müssen, wodurch ihre Stellung auf dem Markt für den Schienengüter- bzw. Schienenpersonenverkehr geschwächt werden würde. Die Tatsache, dass die Kommission ein Verfahren einleitet, greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor, sondern bedeutet nur, dass sie diesen Fall vorrangig behandeln wird.
Nach Eingang von Beschwerden führte die Kommission im letzten Jahr (2011) Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Deutschen Bahn durch. Die Kommission konzentriert sich bei ihrer Untersuchung auf die Preisgestaltung für Bahnstrom in Deutschland.
Bahnstrom ist der elektrische Strom, der im Eisenbahnnetz für den Antrieb elektrischer Lokomotiven und Bahnen verwendet wird. In Deutschland erfolgt die Stromversorgung für den elektrischen Zugbetrieb zu einer Frequenz, die sich von der Frequenz des allgemeinen Stromversorgungsnetzes unterscheidet.
Auf dem deutschen Markt ist die Energie GmbH, eine Tochter der Deutschen Bahn AG, der einzige Bahnstromanbieter. Deshalb wird die Kommission insbesondere prüfen, ob die Rabatte für Bahnstrom, die die DB Energie GmbH derzeit Bahngesellschaften in Deutschland gewährt, möglicherweise dazu führen, dass Wettbewerber der Deutschen Bahn höhere Preise zahlen müssen und ihnen dadurch ein Wettbewerbsnachteil auf dem Markt für den Schienengüter- und Schienenpersonenverkehr entsteht. Ein solches Verhalten würde, wenn nachgewiesen, gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen, der die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verbietet.
Hintergrund
Nach Artikel 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, sofern dies den Handel zwischen Mitgliedstaaten beschränkt. Die Durchführung dieser Bestimmung ist in der Kartellrechtsverordnung (EG) Nr. 1/2003 festgelegt, die sowohl von der Kommission als auch von den einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden angewandt werden kann.
Nach Artikel 11 Absatz 6 dieser Kartellrechtsverordnung entfällt mit der Verfahrenseinleitung die Zuständigkeit Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf dieselbe Sache. Ferner heißt es in Artikel 16 Absatz 1, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte keine Entscheidungen erlassen dürfen, die einer Entscheidung der Kommission in einem von ihr eingeleiteten Verfahren zuwiderlaufen.
Die Kommission hat die Deutsche Bahn und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten über die Verfahrensleitung in dieser Sache unterrichtet.
Für den Abschluss der Ermittlungen im Falle wettbewerbswidrigen Verhaltens gibt es keine verbindliche Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der Komplexität des jeweiligen Falls, der Bereitschaft des betroffenen Unternehmens zur Zusammenarbeit mit der Kommission sowie der Ausübung der Rechte auf Verteidigung.
Weitere Informationen zu diesem Kartellfall können über das öffentlich zugängliche Register der Kommission auf der Website der GD Wettbewerb unter den Nummern 39678, 39731 und 39915 eingesehen werden. (Europäische Kommission: ra)
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