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Bereich der Klima- und Umweltpolitik


Worum geht es bei dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für einen gerechten Übergang zur Klimaneutralität?
Fragen und Antworten: Ein gerechter Übergang zur Klimaneutralität



Soziale Gerechtigkeit ist ein Kernstück des europäischen Grünen Deals: Niemand, weder Mensch noch Region, soll beim Übergang zu einer europäischen Wirtschaft, die bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt, im Stich gelassen werden. Der Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für einen gerechten Übergang zur Klimaneutralität wurde im Juli 2021 im Rahmen des "Fit für 55"-Pakets der Kommission angekündigt, die den Mitgliedstaaten weitere Orientierungshilfen für den Umgang mit den beschäftigungs- und sozialpolitischen Aspekten des ökologischen Wandels bietet. Die Mitgliedstaaten haben zwar weitere Maßnahmen zur Förderung eines gerechten Übergangs zur Klimaneutralität bereits geplant und festgelegt, dennoch können die Maßnahmen umfassender und bereichsübergreifender sowie die Bemühungen auf EU- und nationaler Ebene kohärenter gestaltet werden.

Die vorgeschlagene Empfehlung des Rates enthält konkrete Leitlinien für die Mitgliedstaaten, wie die Strategien und Maßnahmen umgesetzt und die verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten für einen gerechten und inklusiven Übergang in vollem Umfang genutzt werden können. Die Kommission schlägt Maßnahmen zur gezielten Unterstützung der am stärksten betroffenen Menschen, Haushalte, Sektoren und Regionen vor. Zudem enthält der Vorschlag einen gemeinsamen Rahmen für die Strategien und Investitionen, die erforderlich sind, um Kosten und Nutzen des Übergangs gerecht aufzuteilen. So können das beschäftigungs- und sozialpolitische Potenzial des ökologischen Wandels, einschließlich der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, ausgeschöpft sowie soziale Ungleichheiten und Herausforderungen verhindert und bewältigt werden.

Warum ist diese Empfehlung erforderlich?
Der ökologische Wandel wird unsere Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und uns fortbewegen, ändern. Daher brauchen wir gut konzipierte politische Maßnahmen, um das beschäftigungs- und sozialpolitische Potenzial voll auszuschöpfen. Ein gerechter Übergang zur Klimaneutralität bis 2050 stellt sicher, dass niemand zurückgelassen wird, insbesondere nicht jene Menschen und Haushalte, die am stärksten von fossilen Brennstoffen abhängig und vom ökologischen Wandel betroffen sind oder sich bereits in prekären Situationen befinden.

Wenn die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, könnten im Zuge des ökologischen Wandels bis 2030 1 Million Arbeitsplätze und bis 2050 etwa 2 Millionen Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden. Erwartet werden neue Beschäftigungsmöglichkeiten in Sektoren wie Bauwesen, nachhaltiger Verkehr, erneuerbare Energie oder Kreislaufwirtschaft (Reparatur und Wiederverwendung). Der ökologische Wandel kann dabei helfen, bereits bestehende sozioökonomische Ungleichheiten und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen sowie Gesundheit, Wohlergehen und Gleichstellung zu fördern.

Ein Nicht-Tätigwerden im Bereich der Klima- und Umweltpolitik würde sich vor allem auf den Lebensstandard, die Gesundheit und das Wohlbefinden von schutzbedürftigen Personen auswirken. Der Übergang kann aber auch große soziale Herausforderungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen mit sich bringen, insbesondere für diejenigen, die sich bereits in einer prekären Lage befinden oder davon bedroht sind. Dazu gehören Haushalte der unteren Einkommenskategorien, die einen hohen Anteil ihres Einkommens für grundlegende Dienstleistungen wie Energie, Verkehr und Wohnraum ausgeben, sowie Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten im Vorschlag dazu aufgefordert, jene Menschen zu unterstützen, die ihre Beschäftigung wechseln und ihre Kompetenzen erweitern müssen.

Daher ist es entscheidend, alle verfügbaren Instrumente umfassend zu nutzen und richtige politische Maßnahmen auf EU-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu ergreifen. Nachhaltige Lebens- und Bewegungsformen sowie nachhaltiger Konsum sind in jeglicher Hinsicht vorteilhaft: Bestehende Ungleichheiten werden angegangen und gleichzeitig wird zur Ökologisierung unserer Volkswirtschaften und Gesellschaften beigetragen.

Welche Strategien und Maßnahmen werden in der Empfehlung vorgeschlagen?
Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, umfassende Politikpakete für einen gerechten Übergang zur Klimaneutralität anzunehmen. Zur Vorbereitung dieser Pakete empfiehlt die Kommission einen inklusiven Ansatz, der die Sozialpartner, die Zivilgesellschaft, die regionalen und lokalen Behörden und andere Interessenträger aktiv einbezieht und sich auf die besten verfügbaren Daten und Erkenntnisse stützt. Die Mitgliedstaaten werden zudem aufgefordert, private und öffentliche Mittel auf EU- und nationaler Ebene optimal zu nutzen.

Die Mitgliedstaaten sollen insbesondere in folgenden vier Politikbereichen tätig werden:
Aktive Förderung hochwertiger Arbeitsplätze:
Dazu gehören maßgeschneiderte Unterstützung bei der Arbeitssuche, flexible Kompetenzkurse für den digitalen und den ökologischen Wandel sowie Beschäftigungsprogramme für Menschen in prekären Situationen. Die Mitgliedstaaten sollen außerdem Einstellungs- und Übergangsanreize nutzen, um Arbeitsmarktübergänge zu begleiten sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und Unternehmertum zu fördern. Zur Förderung von Unternehmertum sollten finanzielle Maßnahmen mit Beratungsdiensten kombiniert werden und auch für benachteiligte Gruppen zugänglich sein.

Zugang für alle zu hochwertiger und inklusiver allgemeiner und beruflicher Bildung und lebenslangem Lernen: Dazu gehören die Informationsbeschaffung über den aktuellen Qualifikationsbedarf auf dem Arbeitsmarkt und eine stärkere Unterstützung der Lehrlingsausbildung in Branchen mit Fachkräftemangel. Vorgeschlagen wird zudem die Bereitstellung hochwertiger und inklusiver allgemeiner und beruflicher Bildung, die den Lernenden die für den ökologischen Wandel relevanten Fähigkeiten und Kompetenzen vermittelt. Im Rahmen des Kompetenzpakts haben bislang 450 Organisationen zugesagt, 1,5 Millionen Menschen mit den richtigen Kompetenzen auszustatten. Kompetenzpartnerschaften von Industrie-, Sozial-, Regional- und Bildungspartnern sind beispielsweise im Bereich der erneuerbaren Offshore-Energie entstanden. Die Mitgliedstaaten werden angehalten, weiterhin solche Partnerschaften aufzubauen.

Gerechte Steuer- und Sozialschutzsysteme: In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen gerechte Steuer- und Sozialschutzsysteme auch im Zusammenhang mit dem ökologischen Wandel sichergestellt werden – insbesondere zur Unterstützung von Menschen und Haushalten, die am stärksten vom ökologischen Wandel betroffen sind und die sich bereits in prekären Situationen befinden. Im Hinblick auf die Klima- und Umweltziele sollten die Mitgliedstaaten die Besteuerung von Arbeit verlagern sowie die Steuer- und Abgabenbelastung für Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen reduzieren.

Zugang zu erschwinglichen lebensnotwendigen Dienstleistungen und Wohnräumen: Hierzu zählt die Mobilisierung öffentlicher und privater Finanzmittel zur Unterstützung von erneuerbaren Energiequellen und Energieeffizienz. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, diese Maßnahmen mit der Beratung von Verbrauchern zu verbinden, damit diese ihren Energieverbrauch besser steuern und fundierte Entscheidungen über Energieeinsparung treffen können. Ein besonderer Schwerpunkt soll auf schutzbedürftigen Haushalten und Gemeinschaften liegen. Investitionen in die Renovierung von Sozialwohnungen und sonstigen Gebäuden müssen priorisiert werden. Maßnahmen zur Vermeidung und Bewältigung von Herausforderungen im Bereich der Mobilität für Haushalte in prekären Situationen, insbesondere in abgelegenen, ländlichen und einkommensschwachen Regionen und Städten, werden ebenfalls gefördert, unter anderem durch den Ausbau der erforderlichen Infrastruktur.

Wie baut die neue Empfehlung auf bestehenden EU-Initiativen auf?
Soziale Gerechtigkeit ist im europäischen Grünen Deal und im "Fit für 55"-Paket ein zentraler Aspekt. Die vorgeschlagene Empfehlung ergänzt den Vorschlag der Kommission für einen Klima-Sozialfonds vom Juli 2021.

Die Empfehlung baut auf früheren EU-Leitlinien für die Mitgliedstaaten auf, integriert und ergänzt sie, darunter die Empfehlung der Kommission zu einer wirksamen aktiven Beschäftigungsförderung (EASE), die beschäftigungspolitischen Leitlinien 2022 sowie die bestehenden Finanzierungs- und Investitionsinstrumente der EU.

Welche EU-Mittel stehen für einen gerechten Übergang zur Verfügung?
Zur Unterstützung der vorgeschlagenen Maßnahmen steht eine Reihe von EU-Mitteln zur Verfügung.

Im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität sind mindestens 37 Prozent der verfügbaren Mittel für umwelt- und klimapolitische Maßnahmen bestimmt. Bislang haben die Mitgliedstaaten sogar fast 40 Prozent der in ihren Aufbau- und Resilienzplänen festgelegten Ausgaben grünen Maßnahmen zugewiesen. Die Aufbau- und Resilienzfazilität stellt zusätzliche Mittel für soziale Investitionen zur Förderung von Umschulung und Weiterqualifizierung bereit und fördert wichtige Strukturreformen für den ökologischen Wandel.

Der Vorschlag für einen Klima-Sozialfonds im Zuge eines neuen Emissionshandelssystems für den Bau- und Straßenverkehrssektor sieht 72,2 Milliarden Euro vor, um die Auswirkungen des Emissionshandels im Bau- und Straßenverkehrssektor auf schutzbedürftige Haushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsnutzer abzufedern. Der Klima-Sozialfonds bietet vorübergehende direkte Einkommensbeihilfen für schutzbedürftige Haushalte und unterstützt die Bürgerinnen und Bürger bei Investitionen in Energieeffizienz, neue Heiz- und Kühlsysteme sowie sauberere Mobilität.

Der Mechanismus für einen gerechten Übergang sowie der Fonds für einen gerechten Übergang bieten gezielte Unterstützung, um die sozioökonomischen Auswirkungen des ökologischen Wandels in den am stärksten betroffenen Regionen abzufedern.

Der Europäische Sozialfonds Plus ist das wichtigste Instrument der EU für Investitionen in Menschen, unter anderem in den Bereichen Entwicklung grüner Kompetenzen, grünes Unternehmertum, Unterstützung bei der Suche nach grünen Arbeitsplätzen, Schaffung von Arbeitsplätzen in grünen Sektoren, soziale Inklusion der vom Übergang betroffenen Menschen sowie Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

Weitere Mittel zur Unterstützung der Beschäftigungs-, Sozial- und Klimapolitik sind der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, der Kohäsionsfonds, die Aufbauhilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas (REACT-EU), InvestEU, ERASMUS+, der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer, das LIFE-Programm, das Programm Horizont Europa, der Modernisierungsfonds und die Fonds im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik.

Was sind die nächsten Schritte?
Der Kommissionsvorschlag wird nun von den Mitgliedstaaten erörtert. Nach seiner Annahme werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die empfohlenen Maßnahmen und Strategien umzusetzen. Die Kommission wird die Umsetzung der Empfehlung des Rates mithilfe des Europäischen Semesters, des EU-Rahmens für die Koordinierung der Sozial- und Wirtschaftspolitik in der gesamten Europäischen Union, überwachen.

Im Vorschlag sind zudem die nächsten Schritte für die Kommission dargelegt. Dazu gehören ein umfangreicherer und intensiverer Austausch mit wichtigen Interessenträgern, betroffenen Menschen und Gemeinschaften, insbesondere mit den am stärksten betroffenen Regionen und Sektoren. Die Kommission wird auch die Erhebung, Analyse und Vorausschau von Daten über Herausforderungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit einem gerechten ökologischen Wandel, wie Energie- oder Verkehrsarmut und Zugang zu lebensnotwendigen Dienstleistungen, weiter unterstützen. (Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 07.01.22
Newsletterlauf: 21.03.22


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