Auslaufen der Kfz-GVO am 31. Mai 2023
Kartellrecht: EU-Kommission ruft zur Stellungnahme zu ihren Vorschlagsentwürfen für die Zukunft der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung und der Ergänzenden Leitlinien auf
Die Kfz-GVO soll für weitere fünf Jahre beibehalten werden, was den Unternehmen weiterhin die Selbstbewertung der Übereinstimmung ihrer vertikalen Vereinbarungen in der Automobilbranche mit den EU-Wettbewerbsvorschriften erleichtern wird
Die Europäische Kommission hat eine öffentliche Konsultation und eine Sondierung eingeleitet und alle Interessenträger aufgefordert, zu ihren Vorschlagsentwürfen für die Zukunft des Rahmens der Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor ("Kfz-GVO") Stellung zu nehmen. Konkret geht es um i) den Entwurf einer Verordnung zur Verlängerung der Geltungsdauer der bestehenden Kfz-GVO um fünf Jahre und ii) den Entwurf einer Mitteilung mit gezielten Aktualisierungen der Ergänzenden Leitlinien.
Die Vorschlagsentwürfe folgen auf eine Überprüfung, die im Dezember 2018 im Hinblick auf das Auslaufen der Kfz-GVO am 31. Mai 2023 eingeleitet wurde und mit der festgestellt werden sollte, in wie weit die für vertikale Vereinbarungen in der Automobilbranche geltenden Vorschriften ihren Zweck erfüllen. Die Interessenträger sind aufgefordert, bis zum 30. September 2022 zu den im Entwurf vorgelegten Regelwerken Stellung zu nehmen.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, erklärte dazu: "Mit der vorgeschlagenen Verlängerung der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung um weitere fünf Jahre soll eine Regelung beibehalten werden, die es den Unternehmen der Automobilindustrie erleichtert zu beurteilen, ob ihre Vereinbarungen mit den EU-Wettbewerbsvorschriften im Einklang stehen. Wir schlagen außerdem gezielte Aktualisierungen unserer Leitlinien vor, um das Thema der fahrzeuggenerierten Daten aufzugreifen, die einen wesentlichen Input für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen liefern. Interessenträger sind aufgerufen, ihre Anmerkungen kundzutun, die uns dabei helfen werden, die Regelungen, die am 1. Juni 2023 in Kraft treten sollen, weiter abzurunden."
Vorgeschlagene Änderungen
Wie in der Erläuterung zum Verordnungsentwurf zur Verlängerung der Kfz-GVO und zum Entwurf der Mitteilung zur Änderung der Ergänzenden Leitlinien ausführlicher dargelegt, wird mit den vorgeschlagenen Änderungen Folgendes angestrebt:
>> Die Kfz-GVO soll für weitere fünf Jahre beibehalten werden, was den Unternehmen weiterhin die Selbstbewertung der Übereinstimmung ihrer vertikalen Vereinbarungen in der Automobilbranche mit den EU-Wettbewerbsvorschriften erleichtern wird. Es ist davon auszugehen, dass sich die derzeit aufkommenden Trends, die sich beispielsweise aus der Digitalisierung von Fahrzeugen und neuen Mobilitätsmustern ergeben, in fünf Jahren gefestigt haben werden. Durch die vorgeschlagene Verlängerung wird es der Kommission möglich sein, die Situation unter Berücksichtigung der neuen Marktgegebenheiten bis zum neuen Ablaufdatum der verlängerten Kfz-GVO (also bis zum 31. Mai 2028) erneut zu bewerten.
>> Es soll klar herausgestellt werden, dass fahrzeuggenerierte Daten ein wesentlicher Input für Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen sein können. So erhalten die Unternehmen Klarheit darüber, wie die Kommission Fragen im Zusammenhang mit dem Zugang zu den von den Fahrzeugsensoren generierten Daten einordnet, wenn sie vertikale Vereinbarungen zwischen Fahrzeugherstellern und ihren zugelassenen Netzen nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) prüft. Die Kommission schlägt vor, die bestehenden Grundsätze für die Bereitstellung von technischen Informationen, Werkzeugen und Schulungen, die für die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen erforderlich sind, explizit auf fahrzeuggenerierte Daten auszuweiten.
Hintergrund zum Überarbeitungsverfahren
Am 28. Mai 2021 veröffentlichte die Kommission einen Bewertungsbericht und eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen mit den Ergebnissen der Evaluierung der Kfz-GVO-Regelung.
Die Evaluierung ergab, dass sich die Regelung als nützlich erwiesen hat und für die Interessenträger nach wie vor relevant ist. Deutlich wurde auch, dass sich der Kfz-Markt in den kommenden Jahren wahrscheinlich verändern wird, während es in den letzten zehn Jahren keine wesentlichen Entwicklungen gegeben hat, die eine umfassende Überarbeitung der Kfz-GVO rechtfertigen würden. Allerdings stellte sich heraus, dass eine Aktualisierung erforderlich war, um der voraussehbaren Bedeutung des Zugang zu fahrzeuggenerierten Daten als Wettbewerbsfaktor in Zukunft Rechnung zu tragen.
Im Anschluss an diese Evaluierung ging die Kommission im Juni 2021 zur Phase der politischen Gestaltung der Überarbeitung über, in der sie die entsprechenden Änderungsentwürfe ausarbeitete und die nationalen Wettbewerbsbehörden zu den vorgeschlagenen Änderungen konsultierte.
Hintergrund zur Kfz-GVO
Vertikale Vereinbarungen sind Vereinbarungen, die zwischen zwei oder mehr auf unterschiedlichen Ebenen der Produktions- oder Vertriebskette tätigen Unternehmen geschlossen werden und die Bedingungen betreffen, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen.
Artikel 101 Absatz 1 AEUV verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb beschränken. Nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV können solche Vereinbarungen jedoch für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn sie unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder ‑verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne den Wettbewerb auszuschalten.
Die Kfz-GVO besagt, dass für Vereinbarungen über den Vertrieb von Neufahrzeugen die allgemeine Vorschrift der Kommission (also die Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen oder "Vertikal-GVO") gilt. Die Vertikal-GVO nimmt vertikale Vereinbarungen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, vom Verbot des Artikels 101 Absatz 1 AEUV aus und schafft damit einen geschützten Bereich für sie. In den Leitlinien für vertikale Beschränkungen wird erläutert, wie die Vertikal-GVO auszulegen und anzuwenden ist und wie vertikale Vereinbarungen, die nicht in den geschützten Bereich der Vertikal-GVO fallen, zu prüfen sind.
In Bezug auf Vereinbarungen über den Verkauf oder den Weiterverkauf von Kraftfahrzeugersatzteilen oder die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge sieht die Kfz-GVO vor, dass Artikel 101 Absatz 1 AEUV nicht gilt, sofern diese Vereinbarungen die Freistellungsvoraussetzungen der allgemeinen Vorschrift erfüllen und keine der in der Kfz-GVO aufgeführten Beschränkungen enthalten, die zum Ausschluss des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung führen.
(Europäische Kommission: ra)
eingetragen: 25.07.22
Newsletterlauf: 07.09.22
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