AGG und die Beweislast bei Diskriminierung
Kann ein Arbeitnehmer "Indizien" beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der im Gesetz genannten Diskriminierungsgründe vermuten lassen, trägt die andere Seite die volle Beweislast dafür, dass kein Gesetzesverstoß vorliegt
Urteil des BAG lädt gerade dazu ein, über eine Vielzahl einzelner Behauptungen und möglicher Diskriminierungen in anderen Fällen dem Arbeitgeber eine generelle Geneigtheit zur Diskriminierung zu unterstellen
Von Robert C. Mudter, Fachanwalt für Arbeitsrecht
(12.10.09) - Bei den Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bereitet es Arbeitnehmern, da sie die diskriminierende Absicht des Arbeitgebers beweisen müssen. Von erheblicher praktischer Relevanz (für Arbeitnehmer, aber auch Arbeitgeber) ist daher die Beweislastumkehr des § 22 AGG, die Arbeitnehmern die Durchsetzung ihrer Ansprüche erleichtern soll.
Kann der Arbeitnehmer "Indizien" beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der im Gesetz genannten Diskriminierungsgründe vermuten lassen, trägt die andere Seite die volle Beweislast dafür, dass kein Gesetzesverstoß vorliegt. Die hier zu stellenden Anforderungen sind vom Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Entscheidung (BAG 24.04.2008 – 8 AZR 257/07) präzisiert worden.
In dem Fall war der Klägerin bei der Bewerbung um eine Beförderungsstelle als Bereichsvorstand "International Marketing" ein männlicher Bewerber vorgezogen worden. Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts. Sie habe die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten. Bei der Bekanntgabe dieser Entscheidung sei sie auf ihre Schwangerschaft angesprochen worden. Die beklagte Firma behauptet, für die getroffene Auswahl sprächen sachliche Gründe.
Diese Argumentation erachtete das BAG als nicht ausreichend. Der Zeitpunkt der von der beklagten Arbeitgeberin getroffenen Personalentscheidung sei unabhängig von der Schwangerschaft der Klägerin gewesen. Das zufällige Zusammenfallen der Personalentscheidung mit der Schwangerschaft entfalte keine Vermutungswirkung. Damit reicht eine für eine durch das AGG geschützte Person negative Entscheidung als solche für den Indizienbeweis noch nicht aus.
Allerdings hielt das BAG die der Klägerin vorgetragene Behauptungen für relevant: Es meinte, das LAG habe den von der Klägerin vorgetragenen Hilfstatsachen auch dann nachgehen müssen, wenn diese jeweils für sich allein betrachtet den Schluss auf eine Geschlechtsdiskriminierung noch nicht zuließen. Hier ging es um die Äußerung des Bereichsleiter sie solle sich auf ihr Kind freuen und dass sie den Job nicht verliere. Nach dem BAG ist zu prüfen, ob eine Gesamtbetrachtung aller Hilfstatsachen geeignet ist, eine Vermutungswirkung zu begründen. Eine Gesamtschau einzelner Umstände könne eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung begründen.
Das Urteil des BAG lädt gerade dazu ein, über eine Vielzahl einzelner Behauptungen und möglicher Diskriminierungen in anderen Fällen dem Arbeitgeber eine generelle Geneigtheit zur Diskriminierung zu unterstellen – im Ergebnis eine Einladung an klagende Arbeitnehmer, möglichst viel "schmutzige Wäsche zu waschen".
Eine verlorene Klage kann ggf. sogar den nächsten klagenden Arbeitnehmern helfen, die Beweislastumkehr herbeizuführen. Das muss allerdings auf die einzelnen Diskriminierungsgründe beschränkt bleiben: Auch ein Arbeitgeber, der Mitarbeiter wegen des Geschlechts diskriminiert, muss nicht zwangsläufig auch rassistisch handeln.
Für die Arbeitgeber verdeutlicht das Urteil die Gefahr, die in einer unzureichenden Umsetzung der Vorgaben des AGG – etwa hinsichtlich der Organisationspflichten – liegt. Plastisch zeigt das Urteil zudem, welche Folgen missverständliche Äußerungen von Vorgesetzten haben können. (Mudter & Collegen: ra)
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