EuGH stärkt erneut die Datenschutzrechte
Geplantes Fluggastdaten-Abkommen zwischen Kanada und der EU gestoppt
Eine enge Ausrichtung auf das absolut Notwendige
Mit einem Gutachten setzt der EuGH die Linie seiner datenschutzfreundlichen Urteile fort. Das geplante Fluggastdaten-Abkommen zwischen Kanada und der EU verstößt in weiten Teilen gegen die Grundrechte des Datenschutzes, der Achtung des Privatlebens und der Familie sowie der Nichtdiskriminierung. Grundsätzlich erkennt der EuGH zwar die Zulässigkeit der Verarbeitung sämtlicher Fluggastdaten zum Zweck der Gewährleistung der Öffentlichen Sicherheit im Rahmen der Bekämpfung der grenzüberschreitenden schweren Kriminalität und terroristischer Straftaten an. Er fordert jedoch in einem dreistufigen Modell eine enge Ausrichtung auf das absolut Notwendige.
Insbesondere moniert er, dass auf der Stufe der Übermittlung von sensiblen Passagierdaten an Kanada die hohen Hürden der Bestimmtheit sowie der Erforderlichkeit eingehalten werden müssen. Dies bezieht sich insbesondere auf sensible Daten, etwa über die rassische oder ethnische Herkunft, religiöse Überzeugungen oder das Sexualleben einer Person.
Angesichts des hohen Stellenwerts des Grundrechts der Nichtdiskriminierung und der Gefahr der Stigmatisierung durch eine missbräuchliche Verarbeitung dieser Daten reicht die Gewährleistung der Öffentlichen Sicherheit im Rahmen der Bekämpfung der grenzüberschreitenden schweren Kriminalität und terroristischer Straftaten als Rechtfertigungsgrund nicht aus.
Auf der nächsten Stufe knüpft er eine Weiterverwendung der PNR-Daten nach Einreise des Passagiers in das kanadische Hoheitsgebiet an klare rechtsstaatliche Voraussetzungen. So müssen neue sachliche Umstände vorliegen und es bedarf grundsätzlich einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle. In diesem Zusammenhang knüpft der EuGH ersichtlich an seine Rechtsprechung im Safe Harbor-Urteil an, wonach im Empfängerland ein angemessenes Datenschutzniveau zur Absicherung der Datenschutzrechte bestehen muss.
Die dritte Stufe betrifft die Speicherung der Daten nach Ausreise des Fluggastes. Hier fordert der EuGH die Begrenzung der Speicherdauer. Die bisher vorgesehene fünfjährige Speicherfrist der PNR-Daten sieht er als unzulässig an, wenn nach Ausreise des Passagiers keine objektiven Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von ihm eine besondere Gefahr des Terrorismus oder der grenzüberschreitenden schweren Kriminalität ausgeht.
Im Übrigen macht der EuGH insbesondere Vorgaben für eine Weitergabe der PNR-Daten durch Kanada an ein Nicht-EU-Land, für die Begrenzung der Verwendung von Datenbanken, für die 26. Juli 2017 individuelle Information der Fluggäste über die verwendeten PNR-Daten und über die Kontrolle der Einhaltung und Regeln durch eine unabhängige Kontrollstelle.
Dazu sagte Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI):
"Mit seinem Gutachten zieht der EuGH eine klare rechtsstaatliche rote Linie für mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender schwerer Kriminalität. Gerade dort, wo anlasslos die Daten von Bürgern gespeichert und verarbeitet werden, gilt es, dem Bestimmtheitsgebot besonders Rechnung zu tragen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung als zentralen Maßstab anzulegen. Es bleibt zu hoffen, dass die ständige Rechtsprechung des EuGH Anstoß gibt zu einem abgewogeneren Ausgleich zwischen Kontrollmaßnahmen des Staates und dem Schutz von digitalen Grundrechten insbesondere im Licht des Schutzes vor Diskriminierungen. Erlassene Maßnahmen nicht nur von EU-Organen, sondern auch des nationalen Gesetzgebers zum Schutz der inneren Sicherheit müssen die Grundrechte beachten. Das gilt auch in Zeiten vermehrter terroristischer Aktivitäten." (HmbBfDI: ra)
eingetragen: 22.08.17
Home & Newsletterlauf: 20.09.17
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