Bilanzrecht-Modernisierung und Zeitwertbewertung
Kontroverse Diskussion in Sachen BilMoG: Einführung einer Zeitwertbewertung bestimmter Finanzinstrumente, angelehnt an die sogenannte "Fair-Value-Bewertung"
Anhörung des Rechtsausschusses zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz: Wer die Fair-Value-Konzeption bejahe, verzichte "auf tragende Säulen eines bewährten deutschen Bilanzrechts"
(19.12.08) - Bei der Anhörung des Rechtsausschusses zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) am Mittwochnachmittag beurteilten die Experten insbesondere die Einführung einer Zeitwertbewertung bestimmter Finanzinstrumente (angelehnt an die sogenannte "Fair-Value-Bewertung") kontrovers.
Der Kölner Juraprofessor Joachim Hennrichs begrüßte die seiner Ansicht nach "sehr begrenzt wirkende, behutsame Öffnung für eine Zeitwertbewertung". Diese sei mit der Fair-Value-Orientierung der International Financial Report Standards (IFRS) "keineswegs vergleichbar", da sie auf einen "eng begrenzten Anwendungsbereich" beschränkt bleibe. So würden nur Finanzmarktinstrumente, die zu Handelszwecken erworben wurden und einen Marktpreis auf einem aktiven Markt hätten, nach ihrem Zeitwert bewertet, nicht hingegen andere Vermögensgegenstände wie Immobilien.
Professor Michael Hoffmann-Becking vom Deutschen Anwaltsverein sprach sich für eine komplette Streichung des entsprechenden Paragrafen aus. Es sei noch nicht abzusehen, welche Folgerungen "in der internationalen Rechnungslegung aus den Erfahrungen der Finanzkrise gezogen" würden. Es müsse außerdem klargestellt werden, dass bei einem "nicht funktionierenden Markt für die betreffenden Finanzinstrumente" nicht auf einen durch Modellrechnungen entstandenen Wert zurückgegriffen werden dürfe.
Dirk Jäger vom Zentralen Kreditausschuss in Berlin sah hingegen auch in der Finanzkrise "international keine Abkehr von der Fair-Value-Bilanzierung". Für "handelsaktive Kreditinstitute" sei die Zeitwertbewertung des Handelsbestandes "von entscheidender Bedeutung und zur Schaffung international einheitlicher Wettbewerbsbedingungen unerlässlich".
Der Saarbrückener Professor für Wirtschaftsprüfung, Karlheinz Küting, schloss sich dieser Bewertung nicht an. Wer die Fair-Value-Konzeption bejahe, verzichte "auf tragende Säulen eines bewährten deutschen Bilanzrechts" und leiste einer "Entobjektivierung der Bilanz" Vorschub. Bilanzierung und Prüfung würden durch diese Vorgabe aufwendiger; das gelte für "mehrere Millionen deutscher Kaufleute und damit nicht nur für die circa 800 großen IFRS-Global-Player". Mit der Regelung werde in Kauf genommen, dass Ergebnisrechnung, die starken Schwankungen unterworfen ist, "eine Finanzmarktkrise intensiviert und beschleunigt".
Matthias Müller vom Deutschen Gewerkschaftsbund bezeichnete die Fair-Value-Bilanzierung als "Ideologie". Der Marktwert eines Finanzierungsinstrumentes sei nicht in allen Fällen der reale Wert, da er von "Erwartungen in die Zukunft" und "Spekulationen" beeinflusst sein könne.
Professor Klaus-Peter Naumann vom Düsseldorfer Institut der Wirtschaftprüfer betonte, dass durch die Zeitwertbewertung bei Kreditinstituten eine Praxis realisiert werde, die Banken schon seit Jahren ausübten.
Der Stuttgarter Wirtschaftsprofessor Henry Schäfer begrüßte die Zeitwertbewertung prinzipiell, wies jedoch darauf hin, dass die Regelung nur bei "funktionierenden Märkten" die erwünschte Wirkung entfalte. (Deutscher Bundestag: ra)
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