
Steuerung des Windenergieausbaus
Experten sehen Nachbesserungsbedarf bei RED III-Umsetzung
Ziel der Regelung ist es unter anderem, die immissionsschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren für Vorhaben zur Erzeugung erneuerbarer Energien außerhalb von Beschleunigungsgebieten zu verkürzen
An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.
Ziel der Regelung ist es unter anderem, die immissionsschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren für Vorhaben zur Erzeugung erneuerbarer Energien außerhalb von Beschleunigungsgebieten zu verkürzen. Dazu sind bestimmte Höchstfristen für den Abschluss der Genehmigungsverfahren vorgesehen, die je nach Art des Vorhabens unterschiedlich lang sind und von einem Monat bis zu zwei Jahren betragen können.
Im Interesse einer Steuerung des Windenergieausbaus soll zudem geregelt werden, dass dem "überragenden öffentlichen Interesse" nach Erreichen der Flächenziele in einem bestimmten Gebiet "genüge getan ist". Ausgenommen davon sind Repowering-Vorhaben außerhalb von Windenergiegebieten.
Bei der Anhörung begrüßten die anwesenden Kommunalvertreter die geplanten Verfahrensverkürzungen. Noch nicht entscheidungsreif ist der Entwurf aus Sicht der Stiftung Umweltenergierecht. Nach Auffassung des Naturschutzbundes NABU zielt der Entwurf auf kurzfristige Gewinne bei der Beschleunigung ab, konzentriert sich dabei aber ausschließlich auf die Beschneidung von Umwelt- und Beteiligungsrechten.
Till Jessen vom Deutschen Städtetag sagte, es sei richtig, die RED-III-Umsetzung "gleich zu Beginn der Legislaturperiode" anzugehen. Da es ohne Verfahrensverkürzung keinen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien geben werde, müsse in Beschleunigungsgebieten der Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfungen und artenschutzrechtliche Prüfungen möglich sein. Die Einschränkung des überragenden öffentlichen Interesses nannte er ein schwieriges Signal. Allein die Flächensicherung garantiere schließlich keine Realisierung der Projekte. Auch sei der Ausbaustand in den verschiedenen Landesteilen sehr unterschiedlich.
Aus kommunaler Sicht "außerordentlich zu begrüßen" ist die Regelung zum öffentlichen Interesse indes aus Sicht von Bernd Düsterdieck vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. "Wir appellieren an den Gesetzgeber, diese Vorschläge so zwingend umzusetzen", sagte er. Nach dem Erreichen der Flächenbeitragswerte in den Ländern sei das gesetzgeberische und politische Ziel eines umfassenden Ausbaus der Windenergie sichergestellt. Die Ausnahme der Repowering-Anlagen müsse jedoch nochmals überdacht werden. Sonst drohe ein ungesteuerter Ausbau, was die Akzeptanz schwäche, sagte Düsterdieck.
Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag sagte, die Betroffenheit bei diesem Themenfeld liege bei den ländlichen Räumen. Das Ziel des Ausbaus der erneuerbaren Energien werde von den Landkreisen geteilt - gleichzeitig brauche es aber Steuerung. Vor diesem Hintergrund gingen die Regelungen in die richtige Richtung, reichten aber nicht aus, befand Ruge. Es brauche einen Vorrang der kommunalen und regionalen Planung, sagte er. "Nicht einen Vorrang des Windenergieausbaus ungesteuert." Auch Ruge bewertete die Regelungen zum überragenden öffentlichen Interesse als richtig. Gleichwohl hätte er sich eine noch klarere Formulierung gewünscht.
Olaf Gericke, Präsident des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, nannte die im Entwurf gefundenen Formulierungen "besser als das, was wir vorher hatten". Ob sie aber schlussendlich der Rechtsprechung standhalten, sei jetzt noch nicht zu beantworten. Der Weg gehe dennoch in die richtige Richtung, befand er. Nordrhein-Westfalen habe im letzten Jahr 600 Genehmigungen für Windenergieanlagen erteilt. "Deshalb kumulieren sich bei uns die Probleme schneller als in anderen Ländern."
Eine Einschränkung des überragenden öffentlichen Interesses für Vorhaben im Außenbereich ist hingegen aus Sicht von Björn Spiegel vom Projektentwickler ARGE Netz GmbH & Co. KG entschieden abzulehnen. "Das ist politisch das falsche Signal", befand er. Die Flächenziele allein reichten nicht aus für die Erreichung der Ausbauziele. Wegen Höhenbeschränkungen seien schließlich nicht alle Flächen für die Windenergie vollständig nutzbar. Anders als seine Vorredner begrüßte Spiegel die Ausnahmen für Repowering. Zugleich betonte er, es müssten auch weiterhin Vorhaben im Außenbereich realisiert werden können, "wenn Kommunen das explizit wünschen".
Für Christian Mildenberger von NRW.Energy4Climate, der Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, ist es wichtig, dass der Gesetzentwurf den bislang erfolgreichen Weg "Ambition und Akzeptanz" stärkt. Daher seien die Regelungen zu Flächen außerhalb von Windenergiegebieten zu unterstützen. Auch die Erleichterung bei Genehmigungen innerhalb von Windenergiegebieten sei zu begrüßen. Hier gebe es aber noch eine Lücke hinsichtlich bestehender Beschleunigungsgebiete in der Regionalplanung. Diese seien von der Neuregelung nicht erfasst. Es sollten aber laut Mildenberger alle Beschleunigungsgebiete von der Verfahrenserleichterung profitieren.
Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht stellte in Frage, ob der Entwurf tatsächlich schon entscheidungsreif ist. So würden die Fristen der Richtlinie 1:1 umgesetzt, "selbst wenn sie zu Verzögerungen führen". Es sei unionsrechtlich nicht geboten, die teils engeren Fristen im deutschen Recht nun zu verlängern. Müller sieht durch die Regelung Rechtsunsicherheiten entstehen. Der Gesetzentwurf, so sagte er weiter, orientiere sich eng an dem in der letzten Legislaturperiode vorgelegten Gesetzentwurf, ohne den dazu vorgebrachten Kritikpunkten Abhilfe zu schaffen. Die Abgeordneten hätten nun die Aufgabe, zwischen Eilbedürftigkeit und Gründlichkeit zu entscheiden. "Aus unserer Sicht ist eine Verzögerung über die Sommerpause hinaus ein Qualitätsgewinn, der in Betracht gezogen werden sollte", sagte Müller.
Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Till Elgeti betrachtete die Thematik aus Sicht der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Es brauche einen Wechsel in der Mentalität und der Kultur bei den Behörden. "Persönliche Sorgen werden zu einem Besorgnisgrundsatz bei einer Wasserbehörde", sagte Elgeti. So könne unter Umständen ein sinnvolles Geothermie-Projekt verhindert werden.
Solch ein Wechsel müsse aber "von oben gelebt werden". Derzeit, so Elgeti, sei es so, dass in der Öffentlichkeit nur die Fehler einer Behörde gesehen würden. Um sich abzusichern, würden daher immer mehr Gutachten beauftragt, die zwar die Rechtssicherheit erhöhten, "der Geschwindigkeit aber schaden". Wünschenswert sei daher eine Vollständigkeitsprüfung für alle Verfahren, "auch für Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekte".
Nach Ansicht des Rechtsanwalts Thorsten Deppner, der nach eigener Aussage überwiegend Umwelt- und Naturschutzverbände als Fachanwalt für Verwaltungsrecht vertritt, setzt der Gesetzentwurf die problematischsten Punkte der RED-III-Richtlinie um, "während er die Punkte, die eine konzeptionelle Änderung der Planung von Windenergieausbau mit sich bringen würden, unangetastet lässt". Am problematischsten sei, dass bereits bestehende Windenergiegebiete zu Beschleunigungsgebieten umgewidmet würden, ohne zu beachten, dass bei einer Vielzahl der Ausweisungen dieser Gebiete nicht dem Konzept der RED III gefolgt wurde. Damals sei auf Planungsebene nicht vorweggenommen worden, "dass es auf Zulassungsebene keine gesonderten Prüfungen mehr geben wird".
Auf dieses Problem wies auch NABU-Vertreterin Rebekka Blessenohl hin. Im Gegensatz zur Ausweisung neuer Beschleunigungsgebiete finde bei den bereits bestehenden Beschleunigungsgebieten "weder eine sorgfältige Auswahl unkritischer Gebiete noch die Festlegung von Regeln für Schutzmaßnahmen auf Planungsebene statt". Stattdessen seien die meisten der mit diesem Entwurf adressierten Beschleunigungsgebiete ursprünglich in der Annahme ausgewiesen worden, dass eine ausführliche Prüfung der Artenschutzbelange auf Ebene der Genehmigung stattfindet, sagte sie.
Aus ihrer Sicht können Naturschutz und Ausbau durchaus "Hand in Hand gehen". Dafür müsse man klug planen, strukturiert vorgehen und die Menschen vor Ort einbinden. Genau das sehe der NABU in dem vorliegenden Entwurf nicht. Stattdessen setze sich der Trend der vorherigen Regierung zur Beschneidung von Umwelt- und Beteiligungsrechten fort. (Deutscher Bundestag: ra)
eingetragen: 13.07.25