Manipulation der Libor-Zinssätze


Finanzmarkt-Compliance: Britischer Finanzexperte berichtet von langjährigen Zinssatz-Manipulationen
Generell besteht nach Ansicht des Finanzexperten bei den Regulierungsbehörden das Problem, dass das eingesetzte Personal nicht qualifiziert genug sei

(18.12.12) - Der britische Finanzexperte Douglas J. Keenan hat schon 1991 beobachtet, dass am Referenzzinssatz "Libor" Manipulationen vorgenommen worden seien. in einem öffentlichen Fachgespräch des Finanzausschusses berichtete Keenan, die Regulierungsbehörden hätten seinerzeit die Arbeit nicht gemacht, die sie heutzutage erledigen würden. "Es kannte jeder jeden im Bankenwesen in England und in Deutschland", sagte der Finanzexperte.

Der Libor ist ein täglich selbst von Banken festgelegter Referenzzinssatz, der nach Angaben von Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret eine zentrale Bedeutung im Finanzsystem erlangt hat. Libor-Zinssätze würden als Referenz für eine große Zahl von derivaten Finanzinstrumenten dienen. Zudem würden sich sowohl zahlreiche Kredite als auch Geldanlagen mit variablen Zinssätzen an den Libor-Werten orientieren.

Im Juni 2012 waren erstmals öffentlich Manipulationen am Libor bekanntgeworden. Laut Keenan waren auch 2008 der britischen Aufsicht schon Manipulationen bekannt. Wenn aber damals dagegen vorgegangen worden wäre, hätte dies zu hohen Risiken auf den ohnehin durch die Krise erschütterten Märkten führen können. Generell besteht nach Ansicht des Finanzexperten bei den Regulierungsbehörden das Problem, dass das eingesetzte Personal nicht qualifiziert genug sei. In der Privatwirtschaft würden höhere Gehälter bezahlt, so dass Fachleute abwandern würden. Das mache die Aufsichtsarbeit so schwierig.

Von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hieß es, man habe 2010 von möglichen Manipulationen erfahren und 2011 Informationen über eine mögliche Beteiligung der Deutschen Bank erhalten. Daraufhin seien ohnehin anstehende Prüfungen bei Banken erweitert worden, und man habe 2012 mit gesonderten Prüfungen bei der Deutschen Bank und anderen Instituten begonnen. Bisher sei festgestellt worden, dass bei allen Instituten die Kontrollmechanismen nicht ausreichend seien. Zugleich hieß es von der Behörde aber auch, dass die Ermittlung des Libor-Zinssatzes nicht der Aufsicht der BaFin unterliege.

Als Vertreter der Deutschen Bank bestätigte deren Vorstandsmitglied Stephan Leithner, man habe Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter festgestellt und disziplinarische Maßnahmen ergriffen. Ein Fehlverhalten von Verantwortlichen im Vorstand gebe es nicht. Leithner kündigte Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens an, zu denen er unter anderem eine Kooperation mit den Behörden zählte. Der Vertreter der früheren Westdeutschen Landesbank (heute Portigon) ging davon aus, dass die Untersuchungen keine Anhaltspunkte für eine Manipulation durch Mitarbeiter der ehemaligen WestLB ergeben würden. Für das Institut habe die Höhe dieser Zinssätze keine Rolle gespielt.

Die BaFin forderte, die Ermittlung von Referenzzinssätzen nicht mehr in privater Hand zu lassen, wie dies von den Banken nach wie vor verlangt werde. "Das ist nicht überlebensfähig", argumentierte der BaFin-Vertreter. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Risikostrukturausgleich der Krankenkassen

    Verschiedene gesetzliche Initiativen der vergangenen Jahre zielen nach Angaben der Bundesregierung darauf ab, unzulässige Einflussnahmen auf die Datengrundlagen des Risikostrukturausgleichs (RSA) der Krankenkassen zu verhindern und die Manipulationsresistenz des RSA zu stärken. Zuletzt sei mit dem "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" (GKV-FKG) 2020 die sogenannte Manipulationsbremse eingeführt worden, heißt es in der Antwort (20/14678) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/14442) der Unionsfraktion.

  • Souveräne Dateninfrastruktur

    Die Bundesregierung strebt eine effiziente, wirtschafts- und innovationsfreundliche Umsetzungsstruktur der europäischen KI-Verordnung an, die knappe Ressourcen klug einsetzt. Das antwortet die Bundesregierung (20/14421) der AfD-Fraktion auf eine Kleine Anfrage (20/14109).

  • FDP legt Gesetzentwurf für flexibleres Stromsystem

    Die FDP-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes (20/14705) zur "Integration von Photovoltaik- und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Strommarkt und zur Vermeidung solarstrombedingter Netznotfall-Maßnahmen" vorgelegt. Er soll einerseits der Umsetzung der "Wachstumsinitiative der damaligen Bundesregierung vom Juli 2024 dienen.

  • Fairer Wettbewerb im digitalen Sektor

    Bis zum 5. Dezember 2024 haben die Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur (BNetzA) 747 Eingänge von Beschwerden erreicht. Bereinigt um Irrläufer und Spam seien 703 konkrete Beschwerden zu möglichen Verstößen gegen den Digital Services Act (DSA) eingelegt worden.

  • Provisionsverbot noch nicht absehbar

    Ob beziehungsweise inwieweit im Zuge der nationalen Umsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie national Maßnahmen ergriffen werden könnten, um Provisionen für den Abschluss von Versicherungsverträgen zu verbieten oder zu deckeln, ist noch nicht absehbar. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14411) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (20/14172) weiter mitteilt, haben die Trilogverhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht begonnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen