Altersteilzeit und Frühverrentung




(10.03.10) - Während Arbeitgeberverbände, die Bundesagentur für Arbeit (BA), das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und einige Einzelsachverständige das Auslaufen der Altersteilzeit für richtig halten, kritisieren der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und andere Sachverständige den Wegfall der Regelung. Dies zeigte sich in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, in dem es um einen Gesetzentwurf der SPD (17/20) und einen Antrag der Linksfraktion (17/21) zur Änderung des Altersteilzeitgesetzes ging.

Hintergrund der Expertenbefragung: Die Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit war am 31. Dezember 2009 ausgelaufen. Sowohl die SPD-Fraktion als auch die Linksfraktion fordern mit unterschiedlichen Nuancen, dass die Altersteilzeit fortgesetzt werden soll.

Die Experten von BA, IAB, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) kritisierten, dass sich die Altersteilzeit faktisch zu einem Instrument der Frühverrentung entwickelt habe. Studien zeigten, dass rund 90 Prozent der Nutzer das sogenannte Blockmodell wählten, bei dem auf eine Phase mit nicht reduzierter Arbeitszeit eine Freistellungsphase folgt.

"Das Ziel eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand wurde nicht erreicht", sagte Dr. Ulrich Walwei vom IAB, der zudem betonte, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gebe, dass Frühverrentungen gesamtwirtschaftlich gesehen zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit beitrügen. Schließlich erhöhten solche Programme die Kosten der Arbeit.

Christian Rauch (BA) bezifferte die Kosten pro Jahr für die Beitragszahler der BA mit 1,3 Milliarden Euro.

Dr. Marlene Schubert (ZDH) erläuterte, dass die oft von der Politik zitierten Dachdecker tatsächlich das Instrument der Altersteilzeit nur in geringem Maße nutzten, selbst aber mit ihren Beiträgen große Unternehmen und Arbeitnehmer aus Büroberufen subventionierten, die stärker auf Altersteilzeit setzten.

Dies bestätigte auch Walwei, Untersuchungen des IAB zufolge seien es eben nicht Arbeitnehmer, die hart körperlich arbeiteten, die die Altersteilzeit nutzten, sondern vor allem Arbeitnehmer aus Büroberufen, eher jene mit höherem Einkommen und höheren Qualifikationen. Der IAB-Experte befürchtet, dass die Altersteilzeit in Zeiten des demografischen Wandels den Fachkräftemangel verschärfen wird.

Der DGB dagegen begrüßte den vorgelegten Gesetzentwurf sowie den Antrag der Linksfraktion vor dem Hintergrund der schwierigen Arbeitsmarktlage sowohl für Ältere als auch für Jugendliche und junge Erwachsene. “Wenn Personalabbau nötig ist, das ist die Altersteilzeit eine Möglichkeit, das sozialverträglich zu gestalten", sagte er. Junge Leute hätten es schwerer, in Arbeit zu kommen, wenn dieses Instrument wegfiele.

Der Sachverständige Prof. Matthias Knuth hält die Altersteilzeit grundsätzlich für sinnvoll, regte jedoch an, dass die Arbeitszeit nur um ein Drittel oder ein Viertel gekürzt werden sollte.

Axel Gerntke, ebenfalls ein Befürworter der Altersteilzeit, sagte, dass Geringverdiener dieses Instrument so selten nutzten, spreche nicht dagegen, sondern gegen die Absenkung des Rentenniveaus und die Rente mit 67.

Achim Dietrich-Stephan berichtete von seinen Erfahrungen als stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrates der ZF Friedrichshafen, einem Automobilzulieferer. In den Jahren 2010 und 2011 seien dort 1200 Mitarbeiter durch Altersteilzeit ausgeschieden. Wenn dies nicht so wäre, "dann würden unsere Auszubildenden nicht übernommen werden können".

Der Sachverständige Prof. Axel Börsch-Supan erwiderte, dass der Fall ZF zeige, dass es sich bei der Altersteilzeit um eine Lohn- und Ausbildungssubventionierung handele. “Dann sollten wir darüber reden, das hat aber mit Altersteilzeit nichts zu tun".

Dr. Werner Eichhorst schätzte die Mitnahmeeffekte bei der Altersteilzeit auf über 50 Prozent. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Risikostrukturausgleich der Krankenkassen

    Verschiedene gesetzliche Initiativen der vergangenen Jahre zielen nach Angaben der Bundesregierung darauf ab, unzulässige Einflussnahmen auf die Datengrundlagen des Risikostrukturausgleichs (RSA) der Krankenkassen zu verhindern und die Manipulationsresistenz des RSA zu stärken. Zuletzt sei mit dem "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" (GKV-FKG) 2020 die sogenannte Manipulationsbremse eingeführt worden, heißt es in der Antwort (20/14678) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/14442) der Unionsfraktion.

  • Souveräne Dateninfrastruktur

    Die Bundesregierung strebt eine effiziente, wirtschafts- und innovationsfreundliche Umsetzungsstruktur der europäischen KI-Verordnung an, die knappe Ressourcen klug einsetzt. Das antwortet die Bundesregierung (20/14421) der AfD-Fraktion auf eine Kleine Anfrage (20/14109).

  • FDP legt Gesetzentwurf für flexibleres Stromsystem

    Die FDP-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes (20/14705) zur "Integration von Photovoltaik- und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Strommarkt und zur Vermeidung solarstrombedingter Netznotfall-Maßnahmen" vorgelegt. Er soll einerseits der Umsetzung der "Wachstumsinitiative der damaligen Bundesregierung vom Juli 2024 dienen.

  • Fairer Wettbewerb im digitalen Sektor

    Bis zum 5. Dezember 2024 haben die Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur (BNetzA) 747 Eingänge von Beschwerden erreicht. Bereinigt um Irrläufer und Spam seien 703 konkrete Beschwerden zu möglichen Verstößen gegen den Digital Services Act (DSA) eingelegt worden.

  • Provisionsverbot noch nicht absehbar

    Ob beziehungsweise inwieweit im Zuge der nationalen Umsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie national Maßnahmen ergriffen werden könnten, um Provisionen für den Abschluss von Versicherungsverträgen zu verbieten oder zu deckeln, ist noch nicht absehbar. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14411) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (20/14172) weiter mitteilt, haben die Trilogverhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht begonnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen